Cibulkas Listen, in der Tschechischen Republik eingehend bekannt als Cibulkovy seznamy, sind angebliche, nicht vollständige und zum Teil fehlerhafte Listen geheimer („inoffizieller“) Mitarbeiter der tschechoslowakischen kommunistischen Geheimpolizei StB aus der Zeit vor der samtenen Revolution von 1989. Sie wurden 1992 erstmals vom ehemaligen Dissidenten Petr Cibulka veröffentlicht und sind seitdem Gegenstand kontroverser Diskussionen und mehrerer gerichtlicher Verhandlungen.

Problematik der Listen

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Die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit in der Tschechoslowakei wurde lange Zeit dadurch behindert, dass viele kompromittierte Archive unter Verschluss gehalten wurden. Im Jahre 1992 veröffentlichte Petr Cibulka diese Verzeichnisse im Internet mit der Ankündigung, die Agenten und Kollaborateure des kommunistischen Regimes seien somit entlarvt. Später wurde eine umfangreiche elektronische Suchfunktion hinzugefügt.[1] Nach Cibulkas Angaben enthalten diese Listen an die 200.000 Personen.[2] Es handle sich um offizielle Listen, die er von David Eleder erhalten habe, der nach 1989 im Innenministerium gearbeitet hatte und später unter ungeklärten Umständen starb.[3]

Die Liste wurde bald zum kontrovers diskutierten Ereignis; zu den Opponenten der Veröffentlichung gehörte auch der damalige Präsident Václav Havel[4]. Es stellte sich heraus, dass die Liste gravierende Fehler aufweist:

  • Sie enthielt Namen von Personen mit jeglichem Zusammenhang mit der Geheimpolizei, d. h. auch die Bespitzelten selbst, wie es sich später in einigen Gerichtsverhandlungen zeigte (zu den prominenten angeblichen Kollaborateuren gehörte die seit 1969 im kanadischen Exil lebende Publizistin Zdena Salivarová[5])
  • Die Liste war keineswegs vollständig, viele sehr aktive Mitarbeiter waren nicht zu finden; allerdings soll die Behauptung, die Liste sei vollständig, nicht vom Original, sondern von P. Cibulka selber stammen[3]
  • Nach und nach wurden viele weitere Beispiele zusammengetragen, wonach die Liste nicht nur fehlerhaft, sondern sogar aktiv manipuliert worden sei.

Insbesondere die Diskussionen über Manipulationen bewegten sich bald in der Nähe von Verschwörungstheorien. So soll Cibulka selber aus der Liste den Namen seiner Mutter entfernt haben.[6] Einige Manipulationen seien entstanden durch Exilkreise in den USA. Diese hätten Server-Gebühren für die Listen bezahlt und mit bolschewistischen Umstürzlern zusammengearbeitet.[7]

Die Zuverlässigkeit der Verzeichnisse wurde auch zum Thema eines Romans der Schriftstellerin Zdena Salivarová, die die Schicksale von etwa einhundert Personen beschrieb, die laut Cibulkas Liste angebliche Kollaborateure gewesen seien.[8]

Die offizielle Liste der Mitarbeiter der StB, die vom Innenministerium im März 2003 freigegeben und veröffentlicht wurde (und ebenfalls nicht als zuverlässig gilt), bezeichnete Cibulka als Betrug[2]; die offiziellen Verzeichnisse von 2003 seien das Machwerk des „Putsches des russischen KGB“ und der „verbündeten tschechoslowakischen Verbrecher“ und durch die „postkommunistischen Geheimdienste des Exils“ manipuliert worden.[7]

Einzelnachweise

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  1. STB On-Line. Archiviert vom Original; abgerufen am 12. Mai 2023 (tschechisch).
  2. a b O seznamy StB je enormní zájem, Bericht der Hospodářské noviny (Wirtschaftszeitung) vom 21. März 2003, online auf: hn.ihned.cz/c1-12519760, tschechisch, abgerufen am 12. Juli 2010
  3. a b Jiri Vanek, Venovano desatemu vyroci tragicke smrti Davida Eledera, online auf: Venovano desatemu vyroci tragicke smrti Davida Eledera Jiri Vanek (Memento vom 1. April 2008 im Internet Archive), tschechisch, abgerufen am 11. Juli 2010
  4. Václav Havel, Samozvaní samosoudci - jeden z největších úspěchů StB (Selbsternannte Selbstrichter - einer der größten Erfolge der StB), Rede des Präsidenten vor dem Landgericht in Prag am 14. Dezember 1993 anlässlich der Verhandlung mit P. Cibulka u. a., online auf: blisty.cz (Memento vom 31. März 2010 im Internet Archive), tschechisch, abgerufen am 16. Juli 2010
  5. s. eine Meldung der Nachrichtenagentur ČTK über den Ausgang der Gerichtsverhandlung, vom 7. Januar 1994, zit. nach www.svazky.cz, tschechisch, abgerufen am 13. Juli 2010
  6. Meldung des Nachrichtenportals iDNES.cz vom 4. Juli 2009 auf: brno.idnes.cz, tschechisch, abgerufen am 14. Juli 2010
  7. a b Petr Cibulka in einem Interview vom 15. April 2003, online auf: stb.misto.cz/.../cibulka/stanovisko (Memento vom 18. Juli 2011 im Internet Archive), tschechisch, abgerufen am 12. Juli 2010
  8. Zdena Salivarová-Škvorecká (Hrsg.), Osočení. Pravdivé příběhy lidí z ‚Cibulkova seznamu‘ (Verleumdung. Wahre Geschichten der Menschen aus ‚Cibulkas Liste‘), Brno 2000 (1. Ausg. 1993)