„Σ-Endlichkeit“ – Versionsunterschied

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liefert eine Abstufung von (messbaren) Mengen von unendlichem [[Maß (Mathematik)|Maß]] in <math>\sigma</math>-endliche und nicht <math>\sigma</math>-endliche Mengen. Er wird aus ähnlichen Gründen eingeführt wie der Begriff der [[Abzählbarkeit]] bezüglich der [[Anzahl]] von Elementen einer Menge. Allgemein ist die <math>\sigma</math>-Endlichkeit eine Eigenschaft von [[Mengenfunktion]]en in Verbindung mit einem [[Mengensystem]]. Oftmals wird aber auf die Angabe des Mengensystems verzichtet, wenn klar ist, um welches es sich handelt.
liefert eine Abstufung von (messbaren) Mengen von unendlichem [[Maß (Mathematik)|Maß]] in <math>\sigma</math>-endliche und nicht <math>\sigma</math>-endliche Mengen. Er wird aus ähnlichen Gründen eingeführt wie der Begriff der [[Abzählbarkeit]] bezüglich der [[Anzahl]] von Elementen einer Menge. Allgemein ist die <math>\sigma</math>-Endlichkeit eine Eigenschaft von [[Mengenfunktion]]en in Verbindung mit einem [[Mengensystem]]. Oftmals wird aber auf die Angabe des Mengensystems verzichtet, wenn klar ist, um welches es sich handelt.


== Allgemeine Definition ==
Gegeben sei ein [[Mengensystem]] <math> \mathcal M </math> auf der Grundmenge <math> X </math>, also <math> \mathcal M \subset \mathcal P (X) </math>. Sei
:<math> \mu: \mathcal M \to [0,\infty] </math>

eine positive Mengenfunktion. Dann heißt die Mengenfunktion <math>\sigma</math>-endlich, wenn es eine [[abzählbar unendlich|abzählbare]] Folge <math> (A_n)_{n \in \N} </math> von Mengen aus <math> \mathcal M </math> gibt, so dass
:<math> \bigcup_{n=1}^\infty A_n = X </math>

gilt und
:<math> \mu(A_n)< \infty \text{ für alle } n \in \N </math>

gilt.
== Definition für Maße ==
== Definition für Maße ==
Gegeben sei ein [[Messraum (Mathematik)|Messraum]] <math> (X, \mathcal A ) </math>. Dann heißt ein [[Maß (Mathematik)|Maß]] <math> \mu </math> ein <math> \sigma </math>-endliches Maß, wenn es eine der drei folgenden äquivanenten Bedingungen erfüllt:
Gegeben sei ein [[Messraum (Mathematik)|Messraum]] <math> (X, \mathcal A ) </math>. Dann heißt ein [[Maß (Mathematik)|Maß]] <math> \mu </math> ein <math> \sigma </math>-endliches Maß, wenn es eine der drei folgenden äquivanenten Bedingungen erfüllt:
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Der [[Maßraum]] <math> (X, \mathcal A, \mu ) </math> wird dann auch als ''<math>\sigma</math>-endlicher Maßraum'' bezeichnet. Allgemeiner wird ein [[signiertes Maß]] <math>\sigma</math>-endlich genannt, wenn seine [[Variation (Maßtheorie)|Variation]] <math>\sigma</math>-endlich ist.
Der [[Maßraum]] <math> (X, \mathcal A, \mu ) </math> wird dann auch als ''<math>\sigma</math>-endlicher Maßraum'' bezeichnet. Allgemeiner wird ein [[signiertes Maß]] <math>\sigma</math>-endlich genannt, wenn seine [[Variation (Maßtheorie)|Variation]] <math>\sigma</math>-endlich ist.

== Beispiele ==
Das [[Lebesgue-Maß]] <math> \lambda </math> auf den reellen Zahlen, versehen mit der [[Borelsche σ-Algebra|Borelschen σ-Algebra]], ist nicht endlich, aber <math>\sigma</math>-endlich. Denn betrachtet man die Mengen
:<math> I_n:=(-n,n) \in \mathcal B(\R)</math>,
so ist <math> \lambda(I_n)=2n < \infty </math> und
:<math> \bigcup_{n=1}^{\infty} I_n =\R </math>.
Somit erfüllt das Lebesgue-Maß das erste Kriterium in der obigen Konstruktion. Eine disjunkte Überdeckung mit Mengen endlichen Maßes wie im zweiten Punkt der Definition liefern beispielsweise die Mengen
:<math> B_n=I_n \setminus I_{n-1} </math>,
wobei <math> B_1=I_1 </math> ist. Dann ist <math> \lambda(B_n)=2 </math> und es gilt wieder
:<math> \bigcup_{n=1}^{\infty} B_n =\R </math>.
Eine strikt positive Funktion mit endlichem Integral wie im dritten Punkt der Definition gefordert erhält man beispielsweise durch
:<math> f(x)= \sum_{n=1}^\infty \frac{\mathbf 1_{B_n}(x)}{2^n} </math>.
Hierbei ist <math> \mathbf 1_A </math> die [[Indikatorfunktion]] auf der Menge <math> A </math>.

Zu beachten ist, dass <math> \sigma</math>-Endlichkeit immer eine Eigenschaft eines Maßes in Kombination mit einem Messraum ist. So ist das [[Zählmaß (Maßtheorie)|Zählmaß]] auf einer Menge <math> M</math>, versehen mit der [[Potenzmenge]] als <math> \sigma</math>-Algebra endlich, wenn <math> M </math> endlich ist und genau dann <math> \sigma</math>-endlich, wenn <math> M </math> höchstens abzählbar ist.


== Anwendung ==
== Anwendung ==
* Nicht endliche Maße können [[Pathologisches Beispiel|pathologische]] Eigenschaften aufweisen, jedoch sind viele der häufig betrachteten Maße nicht endlich. Die Klasse der <math>\sigma</math>-endlichen Maße teilt mit den [[Endliches Maß|endlichen Maßen]] einige angenehme Eigenschaften, <math>\sigma</math>-Endlichkeit kann in dieser Hinsicht mit der [[Separabler Raum|Separabilität]] von [[Topologischer Raum|topologischen Räumen]] verglichen werden. Einige Sätze der Analysis, wie der [[Satz von Radon-Nikodým]] und der [[Satz von Fubini]], gelten zum Beispiel nicht mehr für nicht <math>\sigma</math>-endliche Maße (mitunter ist jedoch eine Übertragung auf allgemeinere Fälle möglich, indem man den Satz für alle <math>\sigma</math>-endlichen Teilräume anwendet).
* Nicht endliche Maße können [[Pathologisches Beispiel|pathologische]] Eigenschaften aufweisen, jedoch sind viele der häufig betrachteten Maße nicht endlich. Die Klasse der <math>\sigma</math>-endlichen Maße teilt mit den [[Endliches Maß|endlichen Maßen]] einige angenehme Eigenschaften, <math>\sigma</math>-Endlichkeit kann in dieser Hinsicht mit der [[Separabler Raum|Separabilität]] von [[Topologischer Raum|topologischen Räumen]] verglichen werden. Einige Sätze der Analysis, wie der [[Satz von Radon-Nikodým]] und der [[Satz von Fubini]], gelten zum Beispiel nicht mehr für nicht <math>\sigma</math>-endliche Maße (mitunter ist jedoch eine Übertragung auf allgemeinere Fälle möglich, indem man den Satz für alle <math>\sigma</math>-endlichen Teilräume anwendet).
* Das [[Birkhoff-Integral]] für [[Banachraum]]-wertige Funktionen wird mit Hilfe von <math>\sigma</math>-endlichen Maßen definiert.
* Das [[Birkhoff-Integral]] für [[Banachraum]]-wertige Funktionen wird mit Hilfe von <math>\sigma</math>-endlichen Maßen definiert.

== Beispiele ==
* Das [[Zählmaß (Maßtheorie)|Zählmaß]] auf der [[Potenzmenge]] einer Menge <math>M</math> ist genau dann endlich, wenn <math>M</math> endlich ist, und genau dann <math>\sigma</math>-endlich, wenn <math>M</math> abzählbar ist.
* Das [[Lebesgue-Maß]] auf den [[Reelle Zahl|reellen Zahlen]] ist nicht endlich, aber <math>\sigma</math>-endlich. Denn betrachtet man die Intervalle <math>[k, k+1]</math> für alle ganzen Zahlen <math>k</math>, so hat jedes Intervall das Maß <math>1</math>, und <math>\mathbb{R}</math> ist deren Vereinigung.
* Ist eine [[lokalkompakt]]e [[topologische Gruppe]] [[σ-kompakt|<math>\sigma</math>-kompakt]], so ist ihr [[Haarmaß]] <math>\sigma</math>-endlich.


== Äquivalenz zu Wahrscheinlichkeitsmaßen ==
== Äquivalenz zu Wahrscheinlichkeitsmaßen ==
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Insbesondere gibt es stets eine [[Integralrechnung#Axiomatischer Zugang|<math>\mu</math>-integrierbare]] Funktion <math>w \in L^1(\mu)</math>, so dass <math>0 < w(x) < 1</math> für alle <math>x \in X</math> gilt.
Insbesondere gibt es stets eine [[Integralrechnung#Axiomatischer Zugang|<math>\mu</math>-integrierbare]] Funktion <math>w \in L^1(\mu)</math>, so dass <math>0 < w(x) < 1</math> für alle <math>x \in X</math> gilt.


== Inhalte und Prämaße ==
== Definition für Mengenfunktionen ==
=== Definition ===
Völlig analog spricht man auch auf [[Halbring (Mengensystem)|Halbringen]] von <math>\sigma</math>-endlichen [[Inhalt (Maßtheorie)|Inhalten]] und [[Prämaß]]en. Nach dem [[Maßerweiterungssatz von Carathéodory]] ist jedes ''<math>\sigma</math>-endliche'' Prämaß auf einem Halbring ''eindeutig'' zu einem [[Maß (Mathematik)|Maß]] auf der erzeugten [[σ-Algebra|<math>\sigma</math>-Algebra]] fortsetzbar (ohne <math>\sigma</math>-Endlichkeit folgt nicht die Eindeutigkeit).
Gegeben sei ein [[Mengensystem]] <math> \mathcal M </math> auf der Grundmenge <math> X </math>, also <math> \mathcal M \subset \mathcal P (X) </math>. Sei
:<math> \mu: \mathcal M \to [0,\infty] </math>

eine positive Mengenfunktion. Dann heißt die Mengenfunktion <math>\sigma</math>-endlich, wenn es eine [[abzählbar unendlich|abzählbare]] Folge <math> (A_n)_{n \in \N} </math> von Mengen aus <math> \mathcal M </math> gibt, so dass
:<math> \bigcup_{n=1}^\infty A_n = X </math>

gilt und
:<math> \mu(A_n)< \infty \text{ für alle } n \in \N </math>

gilt. Insbesondere muss die Menge <math> X </math> aber nicht im Mengensystem <math> \mathcal M </math> enthalten sein.

=== Bemerkung ===
Mit der obigen Definition lässt sich die <math> \sigma</math>-Endlichkeit auf allgemeinere Mengenfunktionen ausweiten. Eine der wichtigsten Anwendungen dieses Begriffes ist der [[Maßerweiterungssatz von Carathéodory]], nach dem jedes ''<math>\sigma</math>-endliche'' Prämaß auf einem Halbring ''eindeutig'' zu einem [[Maß (Mathematik)|Maß]] auf der erzeugten [[σ-Algebra|<math>\sigma</math>-Algebra]] fortsetzbar ist. Ohne die <math>\sigma</math>-Endlichkeit folgt hier nicht die Eindeutigkeit.


== Verwandte Begriffe ==
== Verwandte Begriffe ==

Version vom 30. Dezember 2017, 11:11 Uhr

Der Begriff der -Endlichkeit (auch -Finitheit) wird in der mathematischen Maßtheorie verwendet und liefert eine Abstufung von (messbaren) Mengen von unendlichem Maß in -endliche und nicht -endliche Mengen. Er wird aus ähnlichen Gründen eingeführt wie der Begriff der Abzählbarkeit bezüglich der Anzahl von Elementen einer Menge. Allgemein ist die -Endlichkeit eine Eigenschaft von Mengenfunktionen in Verbindung mit einem Mengensystem. Oftmals wird aber auf die Angabe des Mengensystems verzichtet, wenn klar ist, um welches es sich handelt.

Definition für Maße

Gegeben sei ein Messraum . Dann heißt ein Maß ein -endliches Maß, wenn es eine der drei folgenden äquivanenten Bedingungen erfüllt:

  1. Es existieren höchstens abzählbar viele Mengen aus , für die für alle gilt und die überdecken. Es gilt also
    .
  2. Es existieren höchstens abzählbar viele disjunkte Mengen aus , für die für alle gilt und die überdecken. Es gilt also
    .
  3. Es existiert eine strikt positive (d.h. für alle ) messbare Funktion , so dass
    .

Der Maßraum wird dann auch als -endlicher Maßraum bezeichnet. Allgemeiner wird ein signiertes Maß -endlich genannt, wenn seine Variation -endlich ist.

Beispiele

Das Lebesgue-Maß auf den reellen Zahlen, versehen mit der Borelschen σ-Algebra, ist nicht endlich, aber -endlich. Denn betrachtet man die Mengen

,

so ist und

.

Somit erfüllt das Lebesgue-Maß das erste Kriterium in der obigen Konstruktion. Eine disjunkte Überdeckung mit Mengen endlichen Maßes wie im zweiten Punkt der Definition liefern beispielsweise die Mengen

,

wobei ist. Dann ist und es gilt wieder

.

Eine strikt positive Funktion mit endlichem Integral wie im dritten Punkt der Definition gefordert erhält man beispielsweise durch

.

Hierbei ist die Indikatorfunktion auf der Menge .

Zu beachten ist, dass -Endlichkeit immer eine Eigenschaft eines Maßes in Kombination mit einem Messraum ist. So ist das Zählmaß auf einer Menge , versehen mit der Potenzmenge als -Algebra endlich, wenn endlich ist und genau dann -endlich, wenn höchstens abzählbar ist.

Anwendung

  • Nicht endliche Maße können pathologische Eigenschaften aufweisen, jedoch sind viele der häufig betrachteten Maße nicht endlich. Die Klasse der -endlichen Maße teilt mit den endlichen Maßen einige angenehme Eigenschaften, -Endlichkeit kann in dieser Hinsicht mit der Separabilität von topologischen Räumen verglichen werden. Einige Sätze der Analysis, wie der Satz von Radon-Nikodým und der Satz von Fubini, gelten zum Beispiel nicht mehr für nicht -endliche Maße (mitunter ist jedoch eine Übertragung auf allgemeinere Fälle möglich, indem man den Satz für alle -endlichen Teilräume anwendet).
  • Das Birkhoff-Integral für Banachraum-wertige Funktionen wird mit Hilfe von -endlichen Maßen definiert.

Äquivalenz zu Wahrscheinlichkeitsmaßen

Zwei Maße und auf einem gemeinsamen Messraum heißen äquivalent, wenn sie dieselben Nullmengen besitzen. Das heißt, es gilt sowohl als auch , sie sind gegenseitig absolut stetig. Hierdurch ist tatsächlich eine Äquivalenzrelation auf Maßen erklärt. Wir nehmen im Weiteren an, sei nicht das Nullmaß.

Viele der Anwendungen -endlicher Maße ergeben sich nun aus dem folgenden Satz:

Jedes -endliche Maß ist äquivalent zu einem Wahrscheinlichkeitsmaß .

Die Bedeutung des Satzes liegt in der Äquivalenz zu einem endlichen Maß, selbst dann, wenn unendlich ist. Insbesondere gibt es stets eine -integrierbare Funktion , so dass für alle gilt.

Definition für Mengenfunktionen

Definition

Gegeben sei ein Mengensystem auf der Grundmenge , also . Sei

eine positive Mengenfunktion. Dann heißt die Mengenfunktion -endlich, wenn es eine abzählbare Folge von Mengen aus gibt, so dass

gilt und

gilt. Insbesondere muss die Menge aber nicht im Mengensystem enthalten sein.

Bemerkung

Mit der obigen Definition lässt sich die -Endlichkeit auf allgemeinere Mengenfunktionen ausweiten. Eine der wichtigsten Anwendungen dieses Begriffes ist der Maßerweiterungssatz von Carathéodory, nach dem jedes -endliche Prämaß auf einem Halbring eindeutig zu einem Maß auf der erzeugten -Algebra fortsetzbar ist. Ohne die -Endlichkeit folgt hier nicht die Eindeutigkeit.

Verwandte Begriffe

Ein dem -endlichen Maß verwandter Begriff ist der eines moderaten Maßes. Hierbei handelt es sich um ein Borel-Maß, für das eine abzählbare Überdeckung der Grundmenge mit offenen Mengen endlichen Maßes existiert.

Zudem existiert ein Begriff der s-Finitheit. Man nennt ein Maß s-finit, falls es die abzählbare Summe von endlichen Maßen ist. Jedes σ-endliche Maß ist immer s-finit, aber nicht jedes s-finite Maß ist σ-endlich.

Literatur