Thomas Bernhard

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Thomas Bernhard

Thomas Bernhard wurde 1931 in Heerlen in Holland als uneheliches Kind geboren. Prägend für seine Entwicklung als Schriftsteller waren einerseits das seit frühester Kindheit - die er z.T. in nationalsozialistischen und katholischen Erziehungsheimen verbrachte- empfundene Gefühl alleingelassen, ungeliebt, unerwünscht zu sein; andererseits ein schweres Lungenleiden, mit dem er seit seiner Jugend zu leben hatte, und das ihm stets die Nähe des Todes vor Augen hielt. Der Tod und die Relativierung aller anderen Werte angesichts der steten Bedrohung durch ihn wurden in den Werken Thomas Bernhards zu einem der wichtigsten Motive. Seine Werke tragen nicht selten so wenig erfreuliche Titel wie In hora mortis, Frost, Die Kälte, Verstörung, Auslöschung etc.

Thomas Bernhard, der seine schriftstellerische Laufbahn mit Gedichten begann, fand schließlich seinen unverwechselbaren Stil in der Prosa (Romanen und kürzeren Prosastücken), sowie im Drama.

Die typischen Werke Bernhards bestehen zum Großteil oder zur Gänze aus dem Monolog eines Einzelgängers, in dem dieser einem stummen oder beinahe stummen Zuhörer anläßlich einer konkreten - je nach Oeuvre variierenden - Situation seine Sicht der Dinge darlegt. Selbst in den Dramen finden wir eine ähnliche Konstellation.

In den Prosawerken erzielt Bernhard eine Distanzierung von den Tiraden des Monologisierenden, indem er sie den stillen Zuhörer sozusagen aus zweiter Hand wiedergeben läßt. Einschaltungen wie “sagte er”, “so Reger” etc. sind kennzeichnend für den Stil Bernhards.

Die Monologisierenden sind nicht selten Wissenschaftler, durchwegs - um Bernhards eigene Terminologie zu verwenden “Geistesmenschen”, die in langen Schimpftiraden gegen die “stumpfsinnige Masse” Stellung beziehen und mit ihrem scharfen, geradezu zersetzenden Verstand alles angreifen, was dem Österreicher heilig ist: den Staat selbst, den Bernhard gerne als “katholisch-nationalsozialistisch” bezeichnet; anerkannte österreichische Institutionen wie das Wiener Burgtheater, allseits verehrte Künstler etc.

Bernhards Stärke sind nicht die Zwischentöne, die nuancierten Differenzierungen, sondern - im Gegenteil - kategorische Behauptungen, das Absolutsetzen jeder Aussage durch seine Hauptfiguren. Kennzeichnend für die Monologe seiner Protagonisten sind Ausdrücke wie “alle”, “nichts”, “immer nur”, “fortwährend” etc. Von vornherein schalten sie mit Sätzen wie “darüber gibt es doch gar nichts zu diskutieren”, “da kann man sagen, was man will” u.ä. jeden möglichen Einwand aus.

Bernhards Texte sollten aber nicht nur als gallige Ergüsse gegen alles und jeden gelesen werden. Es geht in ihnen fast immer auch um die Tragik, die Vereinsamung, die Selbstzersetzung eines Menschen der nach Vollkommenheit strebt. Ein immerwiederkehrendes Thema ist die Vollkommenheit der Kunst, sowie ihre Unmöglichkeit, da Vollkommenheit den Tod bedeutet.

Daß für den verständigen Leser trotz einigen Voraussetzungen dazu nicht der Eindruck einer billigen Selbsterhöhung eines Größenwahnsinnigen mittels der Erniedrigung aller anderen entsteht, ist einerseits Bernhards Virtuosität auf dem Gebiet der Sprache, andererseits seinem Humor zu verdanken. Beeinflußt von der seriellen Musik hat er für seine Schriften eine Sprache entwickelt, die gekonnt mit der Wiederholung von Wörtern bzw. Wortgruppen, sowie mit langen, oft kompliziert verschachtelten Sätzen operiert.

Philisophischen Ergüssen stellt er alltägliche, oft geradezu banale Betrachtungen gegenüber und nimmt ihnen - und gleichzeitig den Sprechern, die sie hervorbringen -den allzugroßen Ernst.

“Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt”, sagte er 1968 anläßlich der Verleihung des Kleinen Österreichischen Staatspreises und löste damit einen der vielen Skandale aus, die auch einen Teil seines Ruhmes ausmachen. Die Skandale mit der größten Publikumswirksamkeit waren jener um seinen Roman Holzfällen, der wegen einer Ehrenbeleidigungsklage durch einen ehemaligen Freund gegen Bernhrd längere Zeit nicht erscheinen durfte, sowie jener um das Drama Heldenplatz, gegen dessen Aufführung besonders die konservativen Kreise wetterten, weil es angeblich das Ansehen Österreichs beschmutze. Ein letztes Mal sorgte Bernhard noch nach seinem Tod im Februar 1989 mit seinem Testament für Aufregung, in dem er allgemeines Aufführungs- und Publikationsverbot eines jeglichen seiner Werke innerhalb der Grenzen Österreichs verfügt hatte.