Pagus
Pagus (lat., „Flur, Gau“, pl. pagi), in altrömischer Zeit Name der ländlichen Distrikte, in welche das römische Gebiet von Numa Pompilius oder nach anderen Quellen von Servius Tullius eingeteilt wurde. Sie bildeten seit letzterem Unterabteilungen der Tribus (Wahlbezirke) und hatten ihre eignen Vorsteher (magistri pagi), welche die Flurbücher führten, die Paganalien leiteten und bei Aushebungen und Tributverteilung Dienste zu leisten hatten.
Die Römer übertrugen den Namen auch auf fremde Völker, so auf die Germanen und die Helvetier.
Frankenreich
Nach der Übernahme der Macht durch die Merowinger in den ehemaligen gallischen und germanischen Provinzen des römischen Reiches, die zum Teil entvölkert waren und somit über keine spätrömische Verwaltungsstrukturen mehr verfügten (insbesondere im nordgallischen Raum und entlang der ehemaligen Rheinprovinzen), führten diese neue pagi ein, denen meist ein Hauptort in Form einer ehemaligen Civitas fehlte und dessen Mittelpunkt so auch ein Vicus oder ein Kastell sein konnte.[1]
Amtsträger in einem solchen pagus war ein grafio, aus denen sich später Grafen herausbildeten.
Frankreich
In Frankreich hat der Begriff des pagus in den heutigen pays überlebt. Heute noch sind viele der pays mit den alten pagi (weitgehend) deckungsgleich, so zum Beispiel das Ponthieu und Comminges.
So war zu Beginn des 5. Jahrhunderts die Provincia Gallia Lugdunensis Secunda, die heutige Normandie, kirchenrechtlich mit der Diözese Rouen identisch, zu der sechs Suffraganbistümer gehörten. Zivilrechtlich hingegen war Lugdunensis Secunda in pagi aufgeteilt:
- pagus Rotomagensis (Roumois), das Gebiet um Rouen
- pagus Caletus (Pays de Caux), das Gebiet um Le Havre
- pagus Vilcassinus (Vexin)
- pagus Tellaus (Talou), das Gebiet um Dieppe
- pagus Bajocassinus (Bessin), das Gebiet um Bayeux
- pagus Lexovinus (Lieuvin), das Gebiet um Lisieux
- pagus Corilensis
- pagus Constantinus, das Gebiet um Coutances
- pagus Abrincatinus (Avranchin), das Gebiet um Avranches
- pagus Oximensis (Hiémois)
- pagus Sagensis, das Gebiet um Sées
- pagus Corbonensis (Corbonnais)
- pagus Ebroicinus (Évrecin), das Gebiet um Évreux
- pagus Madriacensis (Madrie)
Literatur
Römerzeit
- Michel Tarpin: Vici et pagi dans l’Occident romain (= Collection de l'École française de Rome. Nr. 299). École française de Rome, Rome 2002, ISBN 2-7283-0582-X (französisch).
Mittelalter
- Thomas Bauer: Die mittelalterlichen Gaue (= Franz Irsigler [Hrsg.]: Geschichtlicher Atlas der Rheinlande. Beiheft IV/9). Rheinland-Verlag, Köln 2000, ISBN 3-7927-1818-9 (mgh-bibliothek.de [PDF; 8,4 MB; abgerufen am 29. Juli 2017]).
- Stefan Esders: Zur Entwicklung der politischen Raumgliederung im Übergang von der Antike zum Mittelalter - Das Beispiel des pagus. In: Ortwin Dally, Friederike Fless, Rudolf Haensch, Felix Pirson, Susanne Sievers (Hrsg.): Politische Räume in vormodernen Gesellschaften. Gestaltung, Wahrnehmung, Funktion. VML Verlag Marie Leidorf, Rahden/Westfalen 2013, ISBN 3-86757-386-7, S. 185–201.
- Alois Gerlich: Geschichtliche Landeskunde des Mittelalters. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1986, ISBN 3-534-06743-6, Kap. Gauforschung, S. 247–254 (Abriss über Geschichte und Stand der Gauforschung).
- Wilhelm Niemeyer: Der "Pagus" des frühen Mittelalters in Hessen. Zugl. Diss. Marburg 1964 (= Schriften des Hessischen Landesamtes für Geschichtliche Landeskunde. Band 30). Elwert, Marburg 1968, ISBN 978-3-942760-03-4 (Mit umfassender Forschungsgeschichte).
- Ulrich Nonn: Vom römischen pagus zum germanischen Gau. In: Sebastian Brather, Hans Ulrich Nuber, Heiko Steuer, Thomas Zotz (Hrsg.): Antike im Mittelalter. Fortleben - Nachwirken - Wahrnehmung (= Archäologie und Geschichte. Band 21). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2014, ISBN 978-3-7995-7371-9, S. 287–298.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, 6. Aufl.; Stuttgart 2012. Seite 97ff. ISBN 978-3-17-022160-4
Vorlage:Meyers
ist obsolet; heißt jetzt Vorlage:Hinweis Meyers 1888–1890