Ozonolyse

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Ozonolyse, auch Harries-Reaktion, ist eine Reaktion aus dem Bereich der Organischen Chemie. Der Name leitet sich aus dem verwendeten Ozon (O3) und dem ausschlaggebenden Reaktionsschritt ab: der Zerstörung/Auflösung (Lyse) einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung. Dieses Verfahren wurde von Carl Dietrich Harries 1904 entdeckt[1] und 1905 publiziert.[2][3]

Ein Resultat der Ozonolyse ist die Ozonrissbildung in Elastomeren und Kautschuken, die durch Verwendung von Ozonschutzmittel verhindert werden soll.

Ozonolyse Übersicht
Ozonolyse Übersicht

R ist ein Organylrest (z. B. Alkylrest) oder ein Wasserstoffatom. Je nach Aufarbeitung erhält man aus dem Alken als Produkte Carbonylverbindungen (insbesondere Ketone, Aldehyde), Alkohole oder Carbonsäuren. Durch die Analyse der Produkte sind Rückschlüsse über die Struktur des Ausgangsstoffes möglich. Auf diese Art wurde früher – ohne moderne Methoden wie NMR-Spektroskopie – Strukturaufklärung betrieben.

Andere Oxidationsverfahren für Doppelbindungen arbeiten mit Osmiumtetroxid, Kaliumpermanganat oder Chromverbindungen. Im Gegensatz zu diesen Methoden wird bei der Ozonolyse nicht nur die π-Bindung, sondern zusätzlich auch noch die σ-Bindung gebrochen.

Der dreistufige Mechanismus der Ozonolyse wurde 1949 durch Rudolf Criegee aufgeklärt, dessen Namen deshalb auch manchmal mit der Ozonolyse verbunden wird.

Reaktionsbedingungen und Mechanismus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Carbonyloxid (Criegee Zwitterion); R = Organylrest (z. B. Alkylrest)

Diese Reaktion funktioniert besonders gut bei tiefen Temperaturen. Häufig verwendete Lösungsmittel sind Methanol, Ethylacetat und Dichlormethan.

Mechanistisch wird im ersten Schritt das polare Ozon über eine 1,3-dipolare Cycloaddition an das Alken addiert. Es bildet sich dabei das so genannte Primärozonid (auch Molozonid genannt). Dieses zerfällt durch Bruch der C-C-Bindung und einer der beiden O-O-Bindungen im Ozon (Cycloreversion) in eine Carbonylverbindung und ein Carbonyloxid, das außerordentlich instabil ist und nur intermediär auftritt. Diese bilden wieder durch 1,3-dipolare Cycloaddition das so genannte Sekundärozonid.[4] Wird die Reaktion in Methanol durchgeführt, kann das Carbonyloxid zu einem Hydroperoxid reagieren, in Dichlormethan ist eine Dimerisierung zu einem 1,2,4,5-Tetroxan möglich.[5]

Präparativ kann man entweder unter oxidativen oder unter reduktiven Bedingungen aufarbeiten. Auch der Erhalt der Oxidationsstufe der beiden Primärprodukte ist denkbar. Mit Natriumborhydrid oder Lithiumaluminiumhydrid werden primäre bzw. sekundäre Alkohole, mit Dimethylsulfid, Triphenylphosphin oder Zink (unter sauren Bedingungen) Aldehyde bzw. Ketone, mit Wasserstoffperoxid Carbonsäuren bzw. Ketone.[6]

Mechanismus der Ozonolyse; R = Organylrest (z. B. Alkylrest)
Mechanismus der Ozonolyse; R = Organylrest (z. B. Alkylrest)

Ein Alken [R = Organylrest (z. B. Alkylrest)] 1 reagiert mit Ozon unter Bildung eines Primärozonids 2. Dieses zerfällt in eine Carbonylverbindung 4 und ein Carbonyloxid 3. Diese bilden unter Cycloaddition ein Sekundärozonid 5. Unter reduzierenden Bedingungen mit z. B. Dimethylsulfid entstehen zwei Ketone 6.[7] Würde man einen/alle Organylreste [R] durch Wasserstoff ersetzen, so entstünden zusätzlich/ausschließlich Aldehyde. Unter Verwendung von Chrom(IV)-oxid oder H2O2 und NaOH entstehen statt den Ketonen zwei Carbonsäuren. Unter Verwendung von NaBH4 entstehen zwei Alkohole.

Unter bestimmten Bedingungen kommt es bei der Ozonierung nicht zur Bildung von Primärozoniden, sondern von Epoxiden, insbesondere dann, wenn an der Doppelbindung sperrige Substituenten vorhanden sind. Diese Epoxide können sich zu Aldehyden umlagern, die durch weitere Oxidation zu Carbonsäuren mit einem unveränderten Kohlenstoffgerüst führen. Ebenfalls ist eine Reaktion vom Typ einer Baeyer-Villiger-Reaktion möglich.[8]

Die Ozonlyse wird als Teilschritt in der Totalsynthese von einigen pharmazeutisch relevanten Stoffen verwendet,[9] wie z. B. Artemisinin[10], Indolizidin 251F[11], D,L-Camptothcin[12] und 24(S)-Hydroxyvitamin D2[13]. In großtechnischen Synthesen kommt die Ozonolyse bei der Herstellung von Ceftibuten und Cefaclor[14] oder Oxandrolon[15] zum Einsatz.

Commons: Ozonolyse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Brockhaus ABC Chemie. VEB F. A. Brockhaus, Leipzig 1965, S. 524.
  2. C. Harries: Ueber die Einwirkung des Ozons auf organische Verbindungen. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie. 343, Nr. 2–3, 1905, S. 311–344, doi:10.1002/jlac.19053430209.
  3. Mordecai B. Rubin: The History of Ozone Part III. C. D. Harries and the Introduction of Ozone into Organic Chemistry. In: Helvetica chimica acta. 86, Nr. 4, 2003, S. 930–940 (classes.yale.edu (Memento vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive) PDF).
  4. Rudolf Criegee: Mechanismus der Ozonolyse. In: Angewandte Chemie 87, Nr. 21, 1975, S. 765–771, doi:10.1002/ange.19750872104.
  5. Reinhard Brückner: Reaktionsmechanismen. 2. Auflage. Springer-Verlag, 2004, ISBN 3-8274-1579-9, S. 676.
  6. Reinhard Brückner: Reaktionsmechanismen. 2. Auflage. Springer-Verlag, 2004, ISBN 3-8274-1579-9, S. 761.
  7. K. Peter C. Vollhardt, Neil E. Schore, Übersetzung herausgegeben von Holger Butenschön: Organische Chemie. Weinheim 2020, ISBN 978-3-527-34582-3, S. 631
  8. Rudolf Criegee: Die Ozonolyse. In: Chemie in unserer Zeit. Band 7, Nr. 3, 1973, S. 75–81, doi:10.1002/ciuz.19730070303.
  9. Scott G. Van Ornum, Robin M. Champeau, Richard Pariza: Ozonolysis Applications in Drug Synthesis. In: Chemical Reviews. Band 106, Nr. 7, 2006, S. 2990–3001, doi:10.1021/cr040682z.
  10. Mitchell A. Avery, Wesley K. M. Chong, Clive Jennings-White: Stereoselective total synthesis of (+)-artemisinin, the antimalarial constituent of Artemisia annua L. In: Journal of the American Chemical Society. Band 114, Nr. 3, 1992, S. 974–979, doi:10.1021/ja00029a028.
  11. Douglass F. Taber, Kamfia K. You: Highly Diastereoselective Cyclopentane Construction: Enantioselective Synthesis of the Dendrobatid Alkaloid 251F. In: Journal of the American Chemical Society. Band 117, Nr. 21, 1995, S. 5757–5762, doi:10.1021/ja00126a015.
  12. Wang Shen, Craig A. Coburn, William G. Bornmann, Samuel J. Danishefsky: Concise total syntheses of dl-camptothecin and related anticancer drugs. In: The Journal of Organic Chemistry. Band 58, Nr. 3, 1993, S. 611–617, doi:10.1021/jo00055a012.
  13. Lisa D. Coutts, William B. Geiss, Brian T. Gregg, Mark A. Helle, Chi-Hsin R. King, Zinovy Itov, Mary E. Mateo, Harold Meckler, Mark W. Zettler, Joyce C. Knutson: A Stereospecific Synthesis of 24(S)-Hydroxyvitamin D 2 , a Prodrug for 1α,24(S)-Dihydroxyvitamin D2. In: Organic Process Research & Development. Band 6, Nr. 3, 2002, S. 246–255, doi:10.1021/op010229e.
  14. Ermanno Bernasconi, Junning Lee, Loris Sogli, Derek Walker: Ceftibuten: Development of a Commercial Process Based on Cephalosporin C. Part III. Process for the Conversion of 3-Exomethylene-7(R)-glutaroylaminocepham-4-carboxylic Acid 1(S)-Oxide to Ceftibuten. In: Organic Process Research & Development. Band 6, Nr. 2, 2002, S. 169–177, doi:10.1021/op010071y.
  15. John E. Cabaj, David Kairys, Thomas R. Benson: Development of a Commercial Process to Produce Oxandrolone. In: Organic Process Research & Development. Band 11, Nr. 3, 2007, S. 378–388, doi:10.1021/op060231b.