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Das Attribut '''narrativ''' wird auch für die Methode verwendet, Sachverhalte und Lehren in Form von Storys zu vermitteln. Ein '''[[Narrativ (Sozialwissenschaften)|Narrativ]]''' bezeichnet in [[Anthropologie|anthropologischer]] Perspektive und in der [[Erzähltheorie]] (Narratologie) eine auf Geschichte bezogene Äußerung, die sowohl Inhalt als auch [[Subtext]] transportiert und deren Funktion es ist, Erlebtes in bekannte Kategorien zu bringen.<ref>[http://userwikis.fu-berlin.de/display/sozkultanthro/Narrativ Narrativ], Sozial- und Kulturanthropologie, userwikis.fu-berlin.de, Version vom 14. Juni 2011.</ref>
Am 20. März wird der ''Weltgeschichtentag'' begangen.<ref>[https://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=kalender&lid=8548 Weltgeschichtentag], abgerufen am 20. März 2023</ref>
 
== Definition ==
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[[Dietrich Weber|Weber]] (1998)<ref>[[Dietrich Weber]]: ''Erzähllitertur. Schriftwerk, Kunstwerk, Erzählwerk.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 978-3-8252-2065-5, S.&nbsp;63</ref> bestimmt Erzählen als adressierte, serielle, entfaltend berichtende Rede mit zwei Orientierungszentren über nicht-aktuelle, zumeist vergangene, zeitlich bestimmte Sachverhalte vonseiten eines Außenstehenden.
 
Im Gegensatz zu den Produkten einer wissenschaftlichen [[Geschichtsschreibung]] (der [[Dokumentation|Dokumentierung]] von ''[[Geschichte|history]]'') gibt es bei der Einordnung von Gesagtem bzw. Geschriebenem als „Erzählung“ im Sinne von ''story'' eine starke [[Konnotation]] zu dem Begriff [[Fiktion]], d.&nbsp;h. zu dem Verdacht, das Erzählte sei, auch wenn der Erzähler anderes beteuern sollte, (zumindest teilweise) frei erfunden. Dementsprechend wird im [[Englische Sprache|englischsprachigen]] Raum [[Literatur]] in ''fiction'' und ''non fiction'' eingeteilt. Insbesondere von Vertretern der [[Postmoderne]] wird die These in Frage gestellt, wonach die „Großen Erzählungen“ der [[Geschichtswissenschaft]] dem Anspruch auf „Wahrheit“ eher genügen als sogenannte „kleine Erzählungen“, die oft wissenschaftlichen Standards nicht genügen.<ref>Harm-Peer Zimmermann: ''Über die Würde narrativer Kulturen. Mythen und Lebensgeschichten im Spiegel postmodernen Wissens''. In: Thomas Hengartner / Brigitta Schmidt-Lauber (Hrsg.): ''Leben – Erzählen. Beiträge zur Erzähl- und Biographieforschung''. Berlin / Hamburg. Dietrich-Reimer-Verlag 2005, S. 119–144 ([http://www.uni-marburg.de/fb03/euroethno/institut/ma/zimmermann/tex/ueberdw.pdf online]{{Toter Link|date=2018-04 |archivebot=2018-04-08 20:22:40 InternetArchiveBot |url=http://www.uni-marburg.de/fb03/euroethno/institut/ma/zimmermann/tex/ueberdw.pdf }}; PDF; 6,0&nbsp;MB)</ref> Denn in einem „Prozess, wo das historische Ereignis vermittelt werden soll, findet notwendig ein Erzählen statt“, wobei man von den Quellen zur historischen Erkenntnis gelange, „sei es dass die Quellen bereits erzählten, sei es dass ein Historiker nach nichterzählenden Quellen Geschichte erzählt“.<ref name="Noo">Hee-Jik Noo: {{Webarchiv |url=http://kgg.german.or.kr/kr/kzg/kzgtxt/kzgtxt106/106-06.pdf |text=''Geschichte und Narrativität'' |wayback=20130602234802 |archiv-bot=2018-04-08 20:22:40 InternetArchiveBot}} (PDF; 342&nbsp;kB) ''Koreanische Gesellschaft für Germanistik''/''Hankuk University of Foreign Studies'', Seoul, S. 114 + 119.</ref> Demnach sei nicht nur die „figurative Narrativität“ (d.&nbsp;h. die Produktion literarischer Erzählungen), sondern auch die „historische Narrativität“ (d.&nbsp;h. die Produktion von Werken mit geschichtswissenschaftlichem Anspruch) nicht ohne [[Poesie|poetische]] Elemente vorstellbar.<ref name="Noo" />
 
Nach [[Martin Kreiswirth]] besteht die Ähnlichkeit der beiden Narrative darin, dass sie zeitlich zweiwertig sind. Er nimmt Bezug auf [[Meir Sternberg]]: Geschichtsschreibung dokumentiere keine Fakten, also nicht, was „wirklich passiert ist“, sondern stelle einen [[Diskurs]] dar, der lediglich beanspruche, Fakten zu dokumentieren. Und andererseits seien Geschichten nicht einfach ein Gewebe aus freien Erfindungen, sondern ein Diskurs, mit dem beansprucht wird, dass es diese Freiheit des Erfindens gebe. Bei diesem Gegensatz gehe es nicht darum, ob das Erzählte wahr sei oder nicht, sondern darum, ob das Erzählte Wahrheitswert beanspruchen können soll.<ref name="Kreiswirth" />
 
[[Doris Lessing]] zeigt in ihrem Werk ''[[Die Kluft]]'', wie ein [[Mythos]] zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit aus einer bestimmten Perspektive als [[Spekulation (Philosophie)|spekulativ]] wahr nacherzählt wird.<ref>Susan Watkins, ''Doris Lessing'', Manchester University Press, Manchester, 2010, ISBN 978-0-7190-7481-3, S. 141.</ref>. [[Rolf Dobelli]] kritisiert generell die Methode, reale Sachverhalte mit Hilfe von „stories“ zu veranschaulichen.<ref>Rolf Dobelli: „The Story Bias. Warum selbst die wahren Geschichten lügen“, in: ''Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die Sie anderen überlassen sollten'', München, Carl Hanser, 2011, S. 53–56.</ref>
 
Mit Erzählungen beschäftigen sich verschiedene [[Geisteswissenschaft|Geistes-]] und [[Sozialwissenschaft]]en, darunter die Sprach- und Literaturwissenschaft, die [[Kunstgeschichte|Kunstwissenschaft]], die Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie die [[Qualitative Sozialforschung]]. Eine interdisziplinäres Gebiet stellt dabei die [[Erzähltheorie]] (Narratologie) dar.
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Im weiteren Sinne meint man mit dem erzählerischen [[Genre]] die [[Gattung (Literatur)|literarische Gattung]] der [[Epik]] als Ganze. Der Begriff der „Erzählung“ kann folglich als [[Oberbegriff]] für alle epischen Gattungen&nbsp;– wie [[Roman]], [[Novelle]], [[Anekdote]], [[Kurzgeschichte]], [[Sage]], [[Märchen]], [[Nacherzählung]] usw.&nbsp;– einschließlich der Erzählung im engeren Sinne gebraucht werden.
 
Die „Erzählung“ im engeren Sinne stellt ein eigenes, jedoch nicht exakt definiertes [[Literaturgenre]] mittlerer Länge dar. Charakteristisch für dasselbedieses ist, dass in einem Text&nbsp;– der meist kürzer und vor allem weniger „verschachtelt“ ist als gewöhnlich ein [[Roman]] und nicht die strengen formalen Anforderungen an eine [[Novelle]] erfüllt&nbsp;– ein [[Handlung (Erzählkunst)|Handlungs]]&shy;verlauf oder eine Entwicklung chronologisch und durchgängig aus ''einer'' [[Erzählperspektive]] vorgestellt wird. Gegenüber der Handlung zeitversetzte Rückblenden werden, wenn überhaupt, direkt in die Handlung eingeführt, z.&nbsp;B. als „Brief“ oder als „Erinnerung“. Im Lehrbuch ''Deutsche Literaturgeschichte für höhere Schulen'' heißt es über das Genre der Erzählung:
{{Zitat
|Text=[[Dichtung]]en, die sich in ihrem Gehalt an die Wirklichkeit des Lebens anschließen und schlicht und anschaulich eine einfache Begebenheit darstellen, [sind] Erzählungen; bei heiterer und komischer Darstellung [[Schwank|Schwänke]].
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Große Popularität erlangte die Erzählung als Textgattung im 18. Jahrhundert, als [[Zeitschrift]]en zu einem wichtigen Medium wurden und eine große Nachfrage nach kurzen, [[Fiktion|fiktionalen]] Prosatexten entstand. Auch in dieser Zeit wurde der Begriff „Erzählung“ jedoch nicht einheitlich verwendet; so begriff etwa [[Christoph Martin Wieland]] auch die Novelle als eine Form der Erzählung. Eindeutig begann sich in dieser Zeit jedoch der fiktionale Charakter als typische Eigenschaft der Gattung herauszukristallisieren, auch die Unterscheidung von anderen Kurzgattungen wie [[Sage]] oder [[Märchen]] wurde gängig.<ref>Klaus Weimar (Hrsg.): ''Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft'' (Bd. 1), de Gruyter: Berlin, New York (1997), S. 520</ref>
 
Weitere Definitionen bietet u.&nbsp;a. das Wikipedia-Lemma «[[Erzähltheorie#Definitionen|Erzähltheorie]]».
 
=== Erzählperspektiven ===
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== Transportation ==
Die Theorie der „[[:en:Transportation theory (psychology)|Transportation]]“„Transportation“ geht davon aus, dass Menschen, die sich in einer Erzählung oder Geschichte verlieren, ihre Einstellungen und Absichten ändern, um diese Geschichte widerzuspiegeln.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Green, Melanie C., Strange, Jeffrey J., Brock, Timothy C., 1935- |Titel=Narrative impact : social and cognitive foundations |Verlag=Taylor & Francis |Ort=[Boca Raton] |Datum=2011 |ISBN=978-1-135-67328-4 |Sprache=en}}</ref> Laut Green & Strange kann Transportation als Ansatz dienen, um die persuasive Wirkung von Erzählungen auf Rezipienten zu erklären.<ref name=":0" /> Sie entwickelten die Transportation Scale (TS), um Unterschiede in den psychologischen Zuständen des Eintauchens in eine Erzählung zu quantifizieren. Da das Messinstrument sehr umfangreich war, nutzten viele Autoren [[ad hoc|ad-hoc]]-Skalen, die nur Teile der Originalskala enthielten.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Markus Appel, Timo Gnambs, Tobias Richter, Melanie C. Green |Titel=The Transportation Scale–Short Form (TS–SF) |Sammelwerk=Media Psychology |Band=18 |Nummer=2 |Datum=2015-04-03 |ISSN=1521-3269 |Seiten=243–266 |DOI=10.1080/15213269.2014.987400}}</ref> Um diesen Missstand zu beseitigen, entwickelten Appel, Gnabs, Richter & Green (2015) eine Kurzform der Ursprungsskala, bei deren Entwicklung sie messgüterelevante Kriterien beachteten. Die von ihnen vorgeschlagene, 6 Items umfassende Skala konnte die Faktorstruktur der Originalskala mit 3 [[Facettenfaktor]]en und einem General-Transportation-Faktor replizieren, hinsichtlich der Gütekriterien konnten ebenfalls zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden.<ref name=":1" />
 
== Siehe auch ==
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== Literatur ==
* [[Volker Klotz]]: ''Erzählen. Von Homer zu Boccaccio, von Cervantes zu Faulkner,.'' Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-54273-2.
* [[Albrecht Koschorke]]: ''Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2012, ISBN 31003891153-10-038911-5.
* [[Eberhard Lämmert]]: ''Bauformen des Erzählens.''. Metzler, Stuttgart 1955, ISBN 3-476-00097-4.
* Alf Mentzer, Ulrich Sonnenschein (Hrsg.): ''Die Welt der Geschichten: Kunst und Technik des Erzählens'' ([[Funkkolleg]]),. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17730-1.
* [[Franz K. Stanzel]]: ''Theorie des Erzählens.''. 8. Auflage,. UTB / Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8252-0904-9 (UTB, Band 904) / ISBN 978-3-525-03208-4 (Vandenhoeck & Ruprecht).
* [[Matías Martinez]], [[Michael Scheffel]]: ''Einführung in die Erzähltheorie.'' 10. Auflage,. Beck, Nördlingen 2016, ISBN 978-3-406-69969-6.
* [[Dieter Teichert]]: ''Narration, Ich-Identität, Selbst.''; inIn: G. Gasser, M. Schmidhuber (Hrsg.): Personale Identität, Narrativität und Praktische Rationalität. Die Einheit der Person aus metaphysischer und praktischer Perspektive. Paderborn, mentis, 2013, 221–238.
* Dieter Teichert: ''Narrative Identitäten – Zur Konzeption einer textuellen Konstitution des Selbst.''; inIn: Ch. Demmerling, Í. Vendrell Ferran (Hrsg.): Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur. Philosophische Beiträge. Berlin, de Gruyter, 2014, 315–333.
* Dieter Teichert: ''Selbst und Narrativität.'' In: A. Newen, K. Vogeley (Hrsg.): Das Selbst und seine neurobiologischen Grundlagen,. Paderborn, Mentis, 2000, 201–214.
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Erzählung}}
{{Wiktionary|Narrativ}}
* {{DNB-Portal|4015464-6}}
* [http://spzwww.uni-muenster.de/griesha/eps/erz/lng/rehbein84-synopse.html Wilhelm Grieshaber: ''Beschreiben – Berichten – Erzählen: synoptischer Überblick (Rehbein 1984)'']
* [https://www.welt.de/print-welt/article598731/Langer-Abschied-von-den-grossen-Erzaehlungen.html Peter Engelmann: ''Langer Abschied von den großen Erzählungen'']