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{{Dieser Artikel|beschäftigt sich mit dem religiösen Begriff ''heilig,''. zuZu weiteren Bedeutungen, siehe [[Heilig (Begriffsklärung)]], zur Anredeform ''Heiligkeit'' siehe [[Heiligkeit (Anrede)]]}}{{Belege fehlen|Für die Abschnitte Judentum, Christentum und Sonstige fehlt jeder Beleg.}}[[Datei:Ottobeuren Abbey basilica Heilig vignette 2013-08-03.jpg|mini|[[Vignette]] über dem Seiteneingang der [[St. Alexander und Theodor (Ottobeuren)|Basilika von Kloster Ottobeuren]]]]
[[Datei:Lütgendorff-Leinburg – Gemälde – Wunderbare Auffindung der Leiche einer Heiligen.jpg|mini|Wunderbare Auffindung der Leiche einer Heiligen]]
 
'''Heilig''' bezeichnetist etwasein [[Religion|religiöser]] BesonderesAusdruck, Verehrungswürdigesder undeine stammt wortgeschichtlich von ''[[HeilPerson]]'' ab, waseinen sich[[Gegenstand]] abgeschwächtoder noch in ''heil'' („ganz“) wiederfindet (vgl. englisch {{lang|en|''holy''|de=heilig}} – von {{lang|en|''whole''}}). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ''heilig'' ein im Zusammenhang miteinen [[ReligionBegriff]] gebrauchter Begriff mit der zugedachten Bedeutung „einereiner Sphäre des [[Göttlichkeit|Göttlichen]], [[Vollkommenheit|Vollkommenen]] oder [[Das Absolute|Absoluten]] angehörig“,zuordnet: soSo etwa bei dem [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]], [[Heilige Schriften|heiligen Schriften]], den [[Heiliger|Heiligen]], heiligen Orten – zum Beispiel [[Heiliger Berg|Bergen]], [[Heiliger Hain|Hainen]] oder [[:Kategorie:Heiliger Fluss|Flüssen]] – oder heiligen Gegenständen, Tieren, Pflanzen – beispielsweise [[Heiliger Baum|heilige Bäume]] – bis hin zu Begriffen wie [[Mantra]]s oder heiligen Zahlen.
 
Heilig geht auf [[Althochdeutsche Sprache|althochdeutsch]] ''heilag'' zurück, was möglicherweise einen Ursprung im [[Altnordische Sprache|altnordischen]] ''hei lagr'' mit der Ausgangsbedeutung „eigen“, „Eigentum“ hat<ref name=":2" /> oder von althochdeutsch ''Heil'' „Zauber“, „Günstiges Vorzeichen“, „Glück“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/heilig_ehrwuerdig_geheiligt_hehr |titel=heilig |werk=Duden |hrsg=Cornelsen Verlag GmbH |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref> oder ''heil'' „gesund“, „unversehrt“, „gerettet“ kommt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/heil |titel=heil |werk=Duden |hrsg=Cornelsen Verlag GmbH |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref>
Teilweise gleichbedeutend wird, unter anderem in wissenschaftlicher Literatur und im [[Duden]]<ref>https://www.duden.de/rechtschreibung/sakral</ref>, das Fremdwort '''sakral''' (von {{laS|sacer}}) gebraucht, auch als Gegensatz zu ''[[profan]]'' (weltlich).<ref>Mircea Eliade: ''Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen.'' Suhrkamp, Frankfurt, 3. Auflage 1987. </ref>
 
Teilweise gleichbedeutend zu dem stark [[christlich]] geprägten Begriff wird – unter anderem in wissenschaftlicher Literatur und im [[Duden]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/sakral |titel=sakral |werk=Duden |hrsg=Cornelsen Verlag GmbH |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref> – das Fremdwort sakral (von {{laS|sacer}} „heilig“, „göttlich“, „geweiht“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.frag-caesar.de/lateinwoerterbuch/sacer-uebersetzung.html |titel=sacer |werk=Frag Caesar |hrsg=Stefan Schulze Steinmann |abruf=2022-11-23}}</ref>) gebraucht, auch als Gegensatz zu ''[[profan]]'' (weltlich).<ref>Mircea Eliade: ''Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen.'' Suhrkamp, Frankfurt, 3. Auflage 1987. </ref>
 
== Allgemeines ==
„Das Heilige“ wurde laut [[Rudolf Otto]] im 20. Jahrhundert zu einem Element, um den „wahren Gegenstand“ der Religionswissenschaft zu bestimmen. Die Erfahrung des Heiligen bezeichnet er als ''[[mysterium tremendum]]'' und ''[[mysterium fascinans]]''. So sei es zum bestimmenden Element von Religion und zum zentralen Gegenstand der [[Religionswissenschaft]] geworden.<ref>R. Otto: ''Das Heilige.'' Die Methode, den Begriff des Heiligen der Gottesidee voranzustellen, hat Gladigow [[Friedrich Schleiermacher|Schleiermacher]] in seinen Reden über die Religion entwickelt.</ref> [[Burkhard Gladigow]] zufolge orientiert sich dieser Begriff des Heiligen weitestgehend an jüdisch-christlichen Kategorien des Transzendenten. Er sei daher nicht geeignet, als universale Kategorie der Religionsgeschichte zu dienen, denn der latente [[Monotheismus|monotheistische]] Hintergrund versperre den Zugang zu den polytheistischen Religionen.<ref>Gladigow S. 8.</ref> [[Sigmund Freud]] charakterisierte den Begriff als [[Oppositionswort]], d. h. als einen der [[Zweideutigkeit]] bzw. der [[Ambivalenz]] von [[Affektivität]] unterliegenden Begriff,<ref>[[Sigmund Freud]]: ''Der Mann Moses und die monotheistische Religion''. (1939) Philipp Reclam jun., Stuttgart 2010; ISBN 978-3-15-018721-0; S. 149.</ref>, da er in bestimmten Sinnverbindungen – wie etwa in „heilige Einfalt“ (herablassend für „weltfremde Leichtgläubigkeit“) – auch genau das Gegenteil bedeuten kann.
 
Manche Stätten, Gebäude, Bäume oder Berge werden als „[[Heiliger Ort|heilige Orte]]“ bezeichnet, besonders in [[Animismus (Religion)|animistischen]] Religionen; aber auch im Christentum und im [[Islam]] sowie im [[Hinduismus]] und [[Buddhismus]], etwa wenn ein „Heiliger“ (Vollkommener) dort gewirkt hat. Häufig wurden auch Tempel, Kirchen und Moscheen an der Stelle von ehemals heidnischen Heiligtümern errichtet. [[Schriftreligion]]en verehren [[Heilige Schrift]]en – im Christentum die [[Bibel]], im Islam den [[Koran]], im Judentum die [[Tora]].
 
{{Zitat|Für das Heilige sind Absonderung vom Profanen und unbedingter Verpflichtungscharakter typisch, weil es der Ort kollektiver Identitätsdefinition ist.|Wolfgang Schluchter|ref=<ref>''Die Entstehung des modernen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Entwicklungsgeschichte des Okzidents''. 1. Aufl. Frankfurt am Main 1988. ISBN 3-518-28947-0. S. 108. / mit Verweis auf [[Émile Durkheim]]: ''Soziologie und Philosophie.'' Frankfurt 1967. S. 124ff.</ref>}}Es lassen sich drei Arten religiöser Weltanschauungen unterscheiden, die den Gegensatz von heilig und profan je unterschiedlich auffassen:<ref name="RGG5">{{RGG|3|||heilig und profan IV. Religionsgeschichtlich|Henk M. Vroom}}</ref>
 
* ''Kosmische Weltanschauunge''n sehen die Welt als letzte Wirklichkeit an, somit gibt es nichts Heiliges außerhalb dieser Welt und keinen Unterschied zwischen heilig und profan (vgl. [[buddhistisch]]: [[Samsara|saṃsāra]] ist [[Nirwana|nirvāṇa]]).
== Judentum ==
* ''Akosmische Weltanschauungen'' sehen das Göttliche außerhalb dieser Welt. Das diesseitig Heilige im profanen Bereich ist immer eine abgeleitete Heiligkeit, die das jeweilige Heilige repräsentiert. Die Profanität der Welt wird negativ als Schattenexistenz oder Unreinheit qualifiziert (vgl. [[Platonismus]] und [[Hinduismus|Hindu]]-Schulen).
Im Judentum ist hebräisch {{lang|he|קדוש|kadosch|de=heilig}}, ein Wort, das vor allem die einfache Bedeutung von „besonders“ oder „das Besondere“ hat und damit im Gegensatz zu ''[[profan]]'' (im Sinne von „weltlich, normal, alltäglich“) steht.
* ''Theistische Weltanschauungen'' akzentuieren die Heiligkeit des Schöpfers in Verbindung zum Anderssein und der Gerechtigkeit. Die Profanität der Welt deutet auf kreatürliche Kontingenz und unheiliges Streben der Mächte hin.
 
== In den Heiligen Schriften ==
{{Zitat|Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin Ich, [[JHWH]], euer [[Gott]].|Quelle={{B|3 Mos|19|2}}}}
Etwas ''Heiliges'' gilt als Eigentum Gottes und ist ihm geweiht.<ref name=":2">{{Literatur |Autor=Günter Lanczkowski |Titel=Heiligkeit I. Religionsgeschichtlich |Hrsg=Gerhard Müller, Albrecht Döhnert, Hermann Speikermann, Horst Balz, James K. Cameron, Brian L. Hebbletwaite, Gerhard Krause |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |Band=14 |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin |Datum=1985 |ISBN=978-3-11-019098-4}}</ref>
 
=== Hebräische Bibel ===
Die jüdische Tradition versteht „heilig“ auf verschiedene Weisen. Am prominentesten jedoch ist der Bezug auf die [[Tora]] und die [[Mitzwa|Gebote]], die Gott nach der Überlieferung des [[Tanach]]s am [[Sinai (Berg)|Sinai]] offenbart hat. Durch ihren [[Bund (Bibel)|Bund]] mit Gott dem „Ewigen“ sind seine Gebote zu erfüllen. Der Begriff des ‚Heiligen‘ (קדוש) enthält im Grunde die Trennung zwischen dem Weltlichen, dem Physikalischen, dem Menschlichen einerseits, das andererseits dem ewigen Wesen, Gott, gegenübersteht und es [[Transzendenz|transzendiert]].
Gemäß [[Priester|priesterlichem]] System existieren vier mögliche Zustände für Personen und Gegenstände: heilig, profan, [[Rituelle Reinheit|rein]] und unrein. Dabei kann Reines heilig oder profan sein und Profanes rein oder unrein. Lediglich das Heilige und das Unreine schließen einander aus. Beides sind dynamische Begriffe. Der Vorgang, etwas Profanes in den Bereich des Heiligen zu bringen, wird mit dem Begriff „Heiligung“ beschrieben. Er wird ausschließlich durch die Wurzel {{he|קדשׁ&lrm;|qdš}} ausgedrückt<ref name="RGG3">{{RGG|3|||heilig und profan II. Altes Testament|Jacob Milgrom}}</ref>, die vermutlich schon immer den Zustand oder die Eigenschaft der Heiligkeit zum Ausdruck brachte.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Diether Kellermann |Titel=II. Altes Testament |Hrsg=Gerhard Müller, Albrecht Döhnert, Hermann Speikermann, Horst Balz, James K. Cameron, Brian L. Hebbletwaite, Gerhard Krause |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |Band=14 |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin |Datum=1985 |ISBN=978-3-11-019098-4}}</ref>
Die jüdische Tradition versteht „heilig“ auf verschiedene Weisen. Am prominentesten jedoch ist der Bezug auf die [[Tora]] und die [[Mitzwa|Gebote]], die Gott nach der Überlieferung des [[Tanach]]s am [[Sinai (Berg)|Sinai]] offenbart hat. Der Begriff enthält im Grunde die Trennung zwischen dem Weltlichen, dem Physikalischen, dem Menschlichen einerseits, dem andererseits das ewige Wesen Gott gegenübersteht und es [[Transzendenz|transzendiert]]. Denn allein der „Ewige“ ist rein, nur er ist heilig ({{B|Lev|11-17}}, {{B|Num|19}}). Kein Mensch kann solch eine „absolute Reinheit“ erreichen, denn der Mensch kann nie wie der „Ewige“ sein. Zwischen Mensch und dem „Ewigen“ existiert gewissermaßen eine „Trennmembran“.<ref>[[Ilse Müllner]]: ''Räume - Körper - Heiligkeit. Dynamiken von Raum und Geschlecht aus exegetischer Sicht.'' In: [[Angela Kaupp]] (Hrsg.): ''Raumkonzepte in der Theologie Interdisziplinäre und interkulturelle Zugäng.'' Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-7867-3089-7, S. 72–74</ref><ref>[[Beate Ego]]: Reinheit / Unreinheit / Reinigung (AT). Erstellt: April 2007, auf bibelwissenschaft.de [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/reinheit-unreinheit-reinigung-at/ch/be61b91055d14fe63f39b53d34b8e22c/] hier 2. Rein / unrein bzw. Reinigung als priesterliche Konzeption</ref> Deshalb werden der menschliche [[Seele#Judentum|Geist]]<ref>[[Annette M. Böckler]]: ''Die Seele im Judentum.'' Bibel heute, Band: 48, Heft: 189, 2012, S. 22–24 [http://www.annette-boeckler.de/aboeckler/0252_Seele_im_Judentum.pdf]</ref><ref>[[Yanki Tauber]]: ''Was ist eine Seele?'' Jüdische Info, auf de.chabad,org [https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/468252/jewish/Was-ist-eine-Seele.htm]</ref> und [[Guf|Körper]] auch immer der [[Sünde#Judentum|Sünde]] ({{heS|עבירה|averah|de=Übertretung, der Gebote}}) verfallen, die eine Folge der Nichtbeachtung der [[Mitzwa|Gebote]] ist.<ref>[[Isaak Herzberg|Isaac Herzberg]]: ''„Mein Judentum“. Die hauptsächlichsten unterscheidenden Merkmale des Judentums und des Christentums.'' M. W. Kaufmann, Leipzig 1918, auf d-nb.info.de [https://d-nb.info/1185867066/34] hier S. 25; 32–33</ref> Der Mensch wird niemals die „reine Wahrheit“ erfassen können; sein „Herz“ wird nie ohne Leidenschaften sein. Es ist der [[Bund (Bibel)#Judentum|Bund]] den der „Ewige“ mit dem [[Volk Israel]] geschlossen hat, damit es rein werde und bleibe indem es die Gebote einhält.
 
Für die Wuzel {{he|קדשׁ&lrm;|qdš}} liegen im [[Altes Testament|AT]] folgende Bildungen vor:<ref name=":3" />
Das Wort, das im Buch [[Leviticus]] für diese Trennung steht, ''hivdil'', wird im Buch [[1. Buch Mose|Genesis]] in der [[Schöpfung]]sgeschichte für den Prozess der Erschaffung benutzt. Die Erschaffung wird dabei als ein Vorgang der ordentlichen Trennung zwischen Land und Wasser, Licht und Dunkelheit&nbsp;–&nbsp;auch Heiligkeit und Profanität, Gerechtigkeit und Willkür verstanden. Die Priesterschaft und Israel&nbsp;–&nbsp;ein Volk von Priestern&nbsp;–&nbsp;sehen sich in der Aufgabe, diese am Sinai geoffenbarte Ordnung zu erhalten, da davon das Wohl jedes Juden bzw. Israeliten, des Volkes Israel, ja sogar das der Menschheit und der Erde abhänge.
 
* [[Qal]]: kultische Heiligkeit; Perfekt: Zustand des Heiligseins, Imperfekt: das Heiligwerden
Diese Trennung, diese Ordnung scheint nach der [[Mischna]] eine graduelle Trennung zu sein, zwischen dem „Allerheiligsten“ und dem „Heiligen“. Die Mischna listet darum „Kreise der Heiligkeit“ auf: [[Allerheiligstes]], Vorraum zum Allerheiligsten, Halle der Priester, Halle der Israeliten, Halle der Frauen, [[Tempelberg]], Mauern von Jerusalem, alle ummauerten Städte Israels und die Grenzen des Heiligen Landes, [[Eretz Israel]]. Es gibt Unterscheidungen, was für wen jeweils in welchem Bereich erlaubt ist. Ebenso ist der Kalender unterteilt, so dass der [[Sabbat|Schabbat]] sehr heilig ist, wie auch der Tag der Reue [[Jom Kippur]], andere Feste sind heilig, wie die [[Pilgerfest]]e. Die Genesis legt die Ordnung von Raum und Zeit ebenso an, mit dem Schabbat, dem Ruhetag Gottes als zeitlichem Höhepunkt und dem [[Garten Eden]] als räumlicher Entsprechung zum Tempel.
* Pi'el: Herbeiführung des Heiligseins ([[faktitiv]]); seltener: [[Aestimatio (Recht)|ästimativ]] und [[Deklarativum|deklarativ]]
* Pu'al: Heilig gemacht werden (Passiv zum Pi'el)
* Hitpa'el: sich als heilig erweisen Gottes (vgl. Niph'al) und sich heiligen von Menschen (reflexiv)
* Hiph'il: Weihe (Gott als Empfänger); weihen, als heilig anerkennen (faktitiv)
* Abstraktum {{he|קֹדֶשׁ&lrm;|qōdæš}}: Heiliges, Heiligkeit, auch speziell das Heiligtum
* Adjektiv {{he|קָדוֹשׁ&lrm;|qādōš}}: heilig
* Nominalbildung {{he|מִקְדָּשׁ&lrm;|miqdåš}}: Heiligtum, Kultstätte
 
Auffällig ist, dass die [[LXX]] die Wurzel {{he|קדשׁ&lrm;|qdš}} für gewöhnlich mit {{lang|grc|ἅγιος|hágios}} wiedergibt, während nur zweimal {{lang|grc|ἰερός|hierós}} verwendet wird. Dies ist vermutlich auf die heidnisch-kultische Prägung der im [[Hellenistisch|hellenistischen]] Griechisch weitaus häufigeren Vokabel {{lang|grc|ἰερός|hierós}} zurückzuführen.<ref name=":3" />
In der Heiligkeit zeigt sich die Verbindung zu Gott, die es den Geboten gemäß zu ordnen gilt, und die sich in Macht auswirkt, wenn sie nachlässig oder mangelhaft vom Volk der Priester, Israel, unterhalten wird. Es gibt verschiedene Berichte in der Bibel über Krankheit und Zerstörung, hervorgerufen durch unsachgemäße Handhabung oder unreine Behandlung von heiligen Dingen, wie z. B. dem „Allerheiligsten“. Diese Beziehung von göttlicher Ordnung und göttlicher Macht gilt als heilig – daher wird das Heilige in besonderer Weise mit der göttlichen Nähe verbunden. Die genaue Art der Beziehung der göttlichen Macht, Nähe zu den heiligen Dingen ist nicht klar oder einfach ersichtlich, jedoch entspricht Heiligkeit nicht dem ewigen Wesen, Gott. In einfacher Näherung durchwirkt das Ewige Wesen, Gott, in und durch das Heilige die Welt. Im Judentum wird die Nähe Gottes mit der Existenz Israels in Verbindung gebracht. Gläubige Juden beten, bemühen sich die heiligen Gebote zu erfüllen, um so eine nahe Beziehung zu Gott zu erhalten.
 
Die Heiligkeit [[JHWH]]<nowiki/>s lässt sich im AT nach verschiedenen Seiten hin umschreiben. Die ehrfurchtsgebietende Heiligkeit führt zur Frage, wer vor diesem heiligen Gott bestehen kann. In diesem Zusammenhang findet sich der vermutlich älteste Beleg für die Bezeichnung JHWHs als {{he|קָדוֹשׁ&lrm;|qādōš}} ({{B|1 Sam|6|20|EU}}, vgl. {{B|Ex|15|11|EU}} u. ö.). Insbesondere die Theologie [[Jesaja]]s prägt die Heiligkeit als majestätische Übermacht und Reinheit. Diese Erfahrung führt zur Anerkennung der eigenen Fehlbarkeit. Den Namen „Heiliger Israels“ verbindet Jesaja vorwiegend mit dem Gerichtsgedanken, wohingegen [[Deuterojesaja|Deutero-]] und [[Tritojesaja]] die Heiligkeit Gottes mit seinem Heilswillen verknüpfen. Bei [[Ezechiel]] wird die Heiligkeit Gottes durch seine Größe, Kraft und Macht bestimmt, mit der er sein Volk beschützt und rettet.<ref name=":3" />
Jüdische [[Gebet]]e, deren Bezeichnung von der [[Radikal (semitische Sprachen)|Wurzel]] von „heilig“ abgeleitet ist, heißen [[Kaddisch]], [[Kiddusch]] und ''Keduscha''. Letzteres ist ein Teil des [[Achtzehnbittengebet]]s und bildet den Ursprung des christlichen [[Sanctus]].
 
Auch die himmlischen Wesen werden als Heilige bezeichnet, da sie zur Sphäre Gottes gehören. Sie bilden den göttlichen Hofstaat und begleiten sein Erscheinen. Seltener werden auch Menschen als Heilige bezeichnet. Dies steht meistens in Zusammenhang mit einer besonderen Erwählung oder Weihe.<ref name=":3" />
Weitere Bedeutungen von ''heilig/unheilig'' können parallel verstanden werden mit: ''rein/unrein'' ({{B|3 Mos|10|10}}, siehe [[Tahara|tahor]]/[[Tame (Hebräisch)|tame]]); ''frei/unfrei'' {{Bibel|3 Mos|11|45}}; ''heilsam/schadend'' ({{B|2 Mos|20|10.11}}; {{B|Ps|119|66}}; {{B|Spr|4|22}}; {{B|2 Tim|1|13}}); ''wahrhaft/falsch'' ({{B|Ps|93|5}}; {{B|Offb|3|7}}; {{BB|Offb|6|10}}).
 
Wiederholt wird das [[Volk Israel]] heilig genannt. Die Erwählung Gottes ist dabei nicht in einer Leistung, sondern in Gottes Liebe begründet. Diese Aussagen kommen jedoch selten vor. Insbesondere im Heiligkeitsgesetz {{B|Lev|17–26|4=EU}} ergeht die Aufforderung an Israel, heilig zu werden. Der Grund dafür liegt in der Heiligkeit Gottes und der Erwählung zu seinem Eigentumsvolk.<ref name=":3" /> Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass Israel durch sein Verhalten das Gegenteil bewirkt.<ref name="RGG3" />
 
Es bestehen drei Formen der Heiligung:<ref name="RGG3" />
 
* Heiligung von Zeit: u. a. [[Sabbat]], [[Jobeljahr]] (vgl. {{B|Gen|2|3|EU}} u. ö.)
* Heiligung von Raum: Land [[Kanaan]], Orte der [[Theophanie]] (vgl. {{B|Ex|15|3|EU}} u. ö.)
* Heiligung von Personen: Priester, [[Nasiräer]] (vgl. {{B|Ex|30|23–32|EU}} u. ö.)
* Heiligung von Dingen: Heiligtum, Gaben (vgl. {{B|Neh|10|37|EU}} u. ö.)
 
== Christentum ==
=== Neues Testament ===
Im Neuen Testament ist weder „Heiligkeit“ noch „Heiligung“ ein zentrales Thema. Der Begriff wahrt durch kultische und ethische Einflüsse eine gewisse Nähe zu den Themenkomplexen [[Frömmigkeit]], [[Keuschheit]]/[[Lauterkeit]] und Reinheit, geht jedoch nicht in diesen auf. In Entsprechung zur Marginalität des Themas wird {{lang|grc|ἅγιος|hágios}} „heilig“ bis zur Synonymität an {{lang|grc|ὅσιος|hósios}} „fromm, gottgefällig“<ref>{{Literatur |Autor=Walter Bauer |Titel=Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur |Hrsg=Kurt Aland, Barbara Aland |Auflage=6 |Verlag=Walter de Gruyter & Co. |Ort=Berlin/New York |Datum=1988 |ISBN=3-11-010647-7 |Seiten=1185}}</ref> und {{lang|grc|ἁγνός|hagnós}} „rein“<ref>{{Literatur |Autor=Walter Bauer |Titel=Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur |Hrsg=Kurt Aland, Barbara Aland |Auflage=6 |Verlag=Walter de Gruyter & Co. |Ort=Berlin/New York |Datum=1988 |ISBN=3-11-010647-7 |Seiten=20}}</ref> herangerückt.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Michael Lattke |Titel=III. Neues Testament |Hrsg=Gerhard Müller, Albrecht Döhnert, Hermann Speikermann, Horst Balz, James K. Cameron, Brian L. Hebbletwaite, Gerhard Krause |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |Band=14 |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin |Datum=1985 |ISBN=978-3-11-019098-4}}</ref>
Im [[Neues Testament|Neuen Testament]] gibt es drei [[Griechische Sprache|griechische]] Wörter, die mit „heilig“ übersetzt werden:
* {{lang|el|ἅγιος|hagios}} – die Übersetzung des hebräischen ''qadosch'' in der [[Septuaginta]], im Lateinischen dann mit {{lang|la|''sanctus''}} übersetzt. Es ist mit Abstand der häufigste der drei Begriffe im Neuen Testament. Diese Bezeichnung wird für den [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] gebraucht, für die Heiligen (die, die [[Jesus Christus]] ihren Herrn nennen), damit sind nicht die gesetzlich Frommen gemeint, sondern die von Gott Berufenen.
* {{lang|el|ὅσιος|hosios}} – die Übersetzung des hebräischen ''chasid'' in der Septuaginta. Mit ''chasid'' oder ''hosios'' wird der bezeichnet, der gemäß den göttlichen Geboten handelt – die [[Heiligung (Protestantismus)|Heiligung]] des Lebenswandels fällt unter diesen Begriff.
* {{lang|el|ἱερός|hieros}} – im Lateinischen dann mit {{lang|la|''sacer''}} übersetzt. Gemeint ist das, was der göttlichen Macht gehört oder von ihr erfüllt ist – der Gegensatz zu ''hieros'' ist [[profan]].
 
Im griechischen Text wird in der Regel die Vokabel {{lang|grc|ἅγιος|hágios}} (vereinzelt {{lang|grc|ἁγιότης|hagiótēs}} bzw. {{lang|grc|ἁγιωσύνη|hagiōsýnē}} „Heiligkeit“) verwendet. Trotz der Nachwirkung alttestamentlicher und frühjüdischer Tradition lässt sich eine Neuakzentuierung erkennen: Obwohl Gott der Heilige ist, wird {{lang|grc|ἅγιος|hágios}} selten auf ihn bezogen. Vielmehr beschreibt es das, was von ihm ausgeht bzw. zu ihm gehört, in erster Linie den Heiligen Geist, auch Gottes Heilsgaben, die Christen und ihren angemessenen Wandel, gelegentlich [[Christus]] selbst. Auch {{lang|grc|ἁγιάζω|hagiázō}} „heiligen“ und {{lang|grc|ἁγιασμός|hagiasmós}} „Heiligung“ weisen diese Zusammenhänge auf, stellen jedoch den paränetischen Aspekt in den Vordergrund.<ref name="RGG4">{{RGG|3|||heilig und profan III. Neues Testament|Jens-Wilhelm Taeger}}</ref> Heiligkeit und Heiligung sind dabei untrennbar verbunden.<ref name=":1" />
Im Neuen Testament ist das Wort heilig weniger im Zusammenhang mit [[Kult]]us wichtig, sondern in den von Gott gewirkten Lebensäußerungen. Die Grenze zwischen heilig und profan wird relativiert, im Gegensatz zur strengen Trennung der beiden im [[Judentum]]: Gott ist Geist, damit erübrigt sich die Frage nach dem rechten Ort für die [[Anbetung]], [[Rituelle Reinheit|rein]] und unrein ist weniger wichtig als die [[Nächstenliebe|Liebe zum Nächsten]] ([[Gleichnis vom barmherzigen Samariter]]), das Prädikat „heilig“ gilt nicht nur den [[Priester (Christentum)|Priestern]], sondern allen Christen.
 
Die Vokabel {{lang|grc|ἰερός|hierós}} wird wie bereits in der LXX nur äußerst selten verwendet, die Kultwörter {{lang|grc|ἀρχιερεύς|archiereús}} „Hohepriester “, {{lang|grc|ἱερεύς|hireús}} „Priester“ und {{lang|grc|ἱερόν|ierón}} „Heiligtum“ jedoch häufiger. Vergleicht man den neutestamentlichen Befund mit [[Flavius Josephus|Josephus]], ist auch das Vorkommen der Kultbegriffe sehr gering. Außerdem erscheint ihre Bedeutung durch die Kultkritik und den metaphorischen Gebrauch doppelt gebrochen.<ref name=":1" />
 
Im NT findet sich eine eschatologische Spannung zwischen verschiedenen Heiligkeitsbegriffen:
 
* ''Die theologische, unweltliche Schöpfer-Heiligkeit''. Wiederholt wird „heilig“ als religiöse Kategorie verwendet, die nur teilweise an das AT und jüdische [[Pseudepigraphie|Pseudepigrapha]] anknüpft. Ebenso werden antike, insb. jüdische Heiligkeitsaussagen und -vorstellungen unbefangen übernommen. Vor allem die Heiligkeit Gottes und seines Namens spielt eine große Rolle und wird auch dort vorausgesetzt, wo sie nicht explizit Erwähnung findet. Dies zeigt sich insbesondere in der Bezeichnung des Heiligen Geistes und der Übertragung der Heiligkeit JHWHs auf Christus. Wird Jesus als durch den Heiligen Geist geheiligter Gottessohn par excellence verkündet, kann er als Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung der Glaubenden bezeichnet werden.<ref name=":1" />
* ''Die pneumatologisch bzw. christologisch geoffenbarte Heiligung als Indikativ anthropologischer Heiligkeit.'' Entscheidend für die pneumatologisch bzw. christologisch geoffenbarte Heiligung ist das neue Gottesverhältnis, das den Glaubenden zugutekommt. Es ist im Wirken des Heiligen Geistes erfahrbar und in Christus begründet ({{B|2 Thess|2|13|EU}} u. ö.). Dadurch wird die Grenze zwischen heilig und profan relativiert. Glaubende werden als „berufene Heilige“ bezeichnet ({{B|Röm|1|7|EU}} u. ö.), was sie inmitten des Profanen in ihrer eigentlichen Identität und vor jeder ethischen Entsprechung als von und für Gott ausgesondert umschreibt.<ref name=":1" /><ref name="RGG4" />
* ''Die soteriologische [[Gnade (Theologie)|Gnaden]]-Heiligkeit als Imperativ geschöpflicher Heiligung im Glauben''.<ref name=":1" /> Die in den Bereich des Profanen übergreifende Heiligkeit verpflichtet die Glaubenden, diese in der Welt und in Verbundenheit der Heiligen untereinander auszuleben.<ref name="RGG4" /> Das Paradox weltlicher Heiligkeit (''simul sanctus et profanus'') wird von der [[Paulinische Lehre|paulinischen]] Einsicht erfasst, dass die [[Rechtfertigung (Theologie)|Rechtfertigung]] der Gottlosen gleichzeitig ihre Heiligung ist. Diese ist von größter theologischer Bedeutung, da durch sie indikativische Heiligkeit und imperativische Heiligung richtig erfasst werden.<ref name=":1" />
 
Das NT offenbart die Heiligkeit als gegenwärtige Gabe, die kollektiv und individuell das [[Priestertum aller Gläubigen]] begründet. An die Stelle des Tempels tritt die ökumenische Kirche aus Heiden und Juden als heiliger Ort der anrufbaren Präsenz Gottes. Die Kirche ist durch den Geist Gottes heilig. In den sogenannten Mischehen heiligt der christliche Partner den heidnischen und auch ihre Kinder sind heilig, also auf Gott hingeordnet.<ref name=":1" />
 
Die Heiligung ist kein Einzelgebot ntl. Ethik, sondern auch als Imperativ Wille und Berufung Gottes. Als unmittelbare Konsequenz der Rechtfertigung ist sie die Frucht der Befreiung von der Sünde. Somit zielt sie nicht moralisch oder kultisch auf eine selbstgemachte Absonderlichkeit. Stattdessen ist die Heiligung als evangelische Absonderung eine totale Bezogenheit auf Gott, ein profaner Gottesdienst der Alltäglichkeit und Leiblichkeit und dabei immer nonkonformistisch.<ref name=":1" /><!-- === Koran ===
=== Heiligstes Buch ===
=== Buch der Gewissheit === -->
 
== Judentum ==
Die jüdische Tradition versteht „heilig“ auf verschiedene Weisen.<ref>[[Kaufmann Kohler]]: ''Holiness. (Hebr. "ḳodesh" and "ḳedushah," from a root preserved in the Assyrian "ḳudusu" ="bright").'', auf jewishencyclopedia.com [https://www.jewishencyclopedia.com/articles/7815-holiness]</ref>
 
Das [[Hebräische Sprache|hebräische]] Wort {{he|קָדוֹשׁ&lrm;|qādōš}} hat im Tanach ausschließlich die Bedeutung „heilig“ und wird im Sinne des Abgesondertseins vom Profanen verstanden. Es wird von der Wurzel {{he|קדשׁ&lrm;|qdš}} „heilig sein“ abgeleitet.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Wilhelm Gesenius |Titel=Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament |Auflage=18. |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin/Heidelberg |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-25680-6 |Seiten=1146 f}}</ref> Die Heiligkeit wird dabei relational entwickelt:<ref name=":4">[[Ilse Müllner]]: ''Räume - Körper - Heiligkeit. Dynamiken von Raum und Geschlecht aus exegetischer Sicht.'' In: [[Angela Kaupp]] (Hrsg.): ''Raumkonzepte in der Theologie Interdisziplinäre und interkulturelle Zugäng.'' Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-7867-3089-7, S. 72–74</ref> Während Gott per se heilig ist<ref name="RGG">{{RGG|3|||heilig und profan VII. Judentum 1. Antike|Friedrich Avemarie}}</ref>, wird die Heiligkeit von Menschen, Orten und Gegenständen von seiner Heiligkeit her interpretiert. Eine zentrale Bedeutung nimmt dabei das Heiligkeitsgesetz ein.<ref name=":4" />
{{Zitat|Seid heilig, denn ich, der {{Kapitälchen|Herr}}, euer Gott, bin heilig
|Quelle={{B|Lev|19|2}}
}}
 
Die Heiligkeit des Volkes Israel manifestiert sich in der Befolgung der [[Mizwa|Gebote]] Gottes.<ref name="RGG" />
 
Gelegentlich wird „rein“ als Synonym für „heilig“ gebraucht, jedoch bezeichnet das Reine in erster Linie das, was dem Heiligen entspricht, während „heilig“ Gott selbst bzw. das zu Gott Gehörige meint.<ref>{{Internetquelle |autor=Beate Ego |url=https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33086/ |titel=Reinheit / Unreinheit / Reinigung (AT) |werk=WiBiLex |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |datum=2007-04-01 |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref> Was {{he|טָמֵא&lrm;|ṭāmēʾ}} „unrein“ ist, darf nicht in Kontakt mit dem Heiligen treten, da es die Ordnung als Voraussetzung für die Nähe zu Gott stört und gefährdet. Dies gilt auch für die menschliche Sünde.<ref name=":5">{{Internetquelle |autor=Jörn Kiefer |url=https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/31970/ |titel=Sünde / Sünder (AT) |werk=WiBiLex |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |datum=2017-08-01 |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref> Dennoch bedeutet Profanität keinen Makel.<ref name="RGG" /><ref name=":5" />
 
Texte aus [[Qumran]] verweisen jeweils auf zwei Weisen der Heiligung: die Heiligung Gottes durch göttliche Machttaten und menschlichen Ehrerweis sowie die rituelle und ethische Heiligung des Menschen.<ref name="RGG" />
 
In der jüdischen Theologie des [[Mittelalter]]s und der [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]] spielt die Vorstellung eines profanen, dem Heiligen entgegengesetzten Bereichs keine Rolle. Erst als im 18. Jh. die Integration in die europäische Gesellschaft angestrebt wurde, bildete sich die Trennung zwischen Heiligem und Profanen heraus. In der [[Jüdische Aufklärung|jüdischen Aufklärung]] bildete sich die Trennung zwischen dem als profan angesehenen Bereich des Bösen und der Sünde und dem auf die Ausführung spezifischer jüdischer Riten beschränkten Heiligen heraus. Dies gilt bis heute als bestimmende Einstellung in verschiedenen jüdischen Strömungen, während ihr im modernen [[Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] heftig widersprochen wird. Im orthodoxen Judentum herrscht der Begriff des {{he|בְּכָל־דְּרָכֶיךָ דָעֵהוּ&lrm;|bəḵål-dərāḵæḵā ḏāʿēhū}} „Auf all deinen Wegen erkenne nur ihn“ ({{B|Spr|3|6|EU}}). Es findet in den traditionellen [[Halachisch|halachischen]] und [[Kabbalismus|kabbalistischen]] Vorstellungen seine Begründung<ref name="RGG2">{{RGG|3|||heilig und profan VII. Judentum 2. Mittelalter und Neuzeit|Joseph Dan}}</ref>
 
Jüdische [[Gebet]]e, deren Bezeichnung von der [[Radikal (semitische Sprachen)|Wurzel]] {{he|קדשׁ&lrm;|qdš}} abgeleitet ist, sind [[Kaddisch]], [[Kiddusch]] und ''Keduscha'', ein Teil des [[Achtzehnbittengebet]]s.
 
== Christentum ==
In der Kirche bestand von Beginn an Einigkeit darüber, dass das Wort heilig selbst geheiligt ist, also Gott gehört.<ref name=":6">{{Literatur |Autor=Johannes Laube |Titel=IV. Systematisch-theologisch |Hrsg=Gerhard Müller, Albrecht Döhnert, Hermann Speikermann, Horst Balz, James K. Cameron, Brian L. Hebbletwaite, Gerhard Krause |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |Band=14 |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin |Datum=1985 |ISBN=978-3-11-019098-4}}</ref>
 
Die Anerkennung der radikalen Unterscheidung zwischen Gott und Welt löst die Unterschiede von heilig und profan in der geschaffenen Ordnung auf: weil nur Gott heilig ist, ist seine Schöpfung weder heilig noch profan, sondern wesentlich gut, weil sie zur Ehre Gottes existiert. Obwohl alles innerhalb der Schöpfung durch die Macht des Bösen verdorben werden kann, bleibt Gottes Gnade mächtiger. Die Kategorien von heilig und profan werden so durch die Kategorien [[Sünde]] und [[Gnade (Theologie)|Gnade]] transzendiert und aufgehoben.<ref name="RGG6">{{RGG|3|||heilig und profan V. Dogmatisch|George Hunsinger}}</ref>
 
Heiligkeit ist die Vollkommenheit, die Gott von der Welt unterscheidet, der der einzig wahre Gegenstand der Anbetung, Verehrung und Ehrfurcht ist (vgl. [[Trisagion|Trishagion]]). Dabei besteht eine tiefe Einheit von Heiligkeit und Gnade, da Gottes Heiligkeit Widerstand gegen allem, was der Liebe entgegensteht, erfordert. In Christus ist das wahrhaft Heilige wahrhaft profan geworden und hat damit das wahrhaft Profane wahrhaft heilig gemacht. Darauf folgt die drastische Umwertung aller Werte.<ref name="RGG6" />
 
Die Schriften, die den Heiligen bezeugen, werden in ihrer Gesamtheit Heilige Schrift genannt, die Glaubensgemeinschaft, die nach diesem Zeugnis lebt, die heilige katholische (= allumfassende) Kirche. Der heilige Initiationsritus der Gemeinschaft ist die Heilige [[Taufe]], die Erneuerung das Heilige [[Abendmahlsfeier|Abendmahl]]. Diese Anwendungen des Begriffs haben gemeinsam, dass sie durch die freie göttliche Gnade heilig sind.<ref name="RGG6" />
 
Die kreatürliche Heiligkeit bedeutet die Partizipation an der Heiligkeit Gottes, die durch die Heiligkeit Christi vermittelt ist. Der [[Heiliger Geist|Heilige Geist]] fungiert als Band der Gemeinschaft.<ref name="RGG6" />
 
=== Katholische Kirche ===
Bereits in der Frühkirche ist die Vorstellung der Heiligkeit Gottes durch die Geschichte des ''[[Sanctus]]'' in der [[Liturgie]] und die [[Papst|päpstlichen]] bzw. [[Konzil|konziliaren]] Texte belegt. Das Adjektiv ''heilig'' bzw. ''heiligst'' wird Gott, insb. der [[Trinität]], selbstverständlich hinzugefügt. Insbesondere Gottes Heiligkeit im Können ''(potentia)'' und Wollen ''(voluntas)'' verselbstständigten sich: Bereits [[Augustinus von Hippo|Augustin]] sah das Wollen Gottes als vollkommene Liebe zum Guten und darin moralisch als vollkommene Gutheit. Dies spiegelt sich auch in späteren Texten wider. So enthält die ''[[Summa theologica]]'' von [[Thomas von Aquin]] eine ''[[Quaestio (Lehrpraxis)|Quaestio]]'' zur ''bonitas Dei'', nicht jedoch zur ''sanctitas Dei''. Bis ins 16. Jh. hinein sind die Heiligkeit Gottes als seinshafte und sittliche Gutheit, die Heiligung der Menschheit Jesu durch seine Gottheit und die Heiligung des Sünders als Teil seiner Rechtfertigung Themen der [[Systematische Theologie|systematischen Theologie]].<ref name=":6" />
 
=== Römisch-katholische Theologie ===
Die nach[[Tridentinisches Konzil|tridentinischen]] Dogmatiken nehmen eine ähnliche Unterscheidung der ontischen, objektiven (seinshaften) und der formellen, subjektiven (sittlichen) Heiligkeit Gottes vor. Die sittliche Heiligkeit ist für [[Ludwig Ott]] die eigentliche Heiligkeit Gottes als Sündlosigkeit (''impeccantia''), bzw. als Unsündlichkeit (''impeccabilitas''). Beide kommen auch Christus zu, dessen menschliche Natur durch die ''gratia unionis'' substantiell und durch die ''gratia ssanctificans'' akzidentiell heilig ist.<ref name=":6" />
==== Heiligmäßigkeit ====
In der katholischen und orthodoxen Tradition versteht man unter dem Attribut „heilig“ die Vereinigung mit Gott oder die Angleichung des eigenen Tuns an den Willen Gottes. Erst mit dem Tod ist die ''unificatio'' (lat. für „Vereinigung“) ganz möglich. Von einer Person, die sich bemüht hat, diese Vereinigung schon auf Erden zu verwirklichen, sagt man, sie habe ein „heiligmäßiges“ Leben geführt. Der Nachweis der Ausübung heroischer Tugenden ist übliche Voraussetzung für eine [[Heiligsprechung]]. Heilige sind Subjekte der Verehrung ([[Heiligenverehrung]], auch [[Dulia|Dulie]]), nicht jedoch der [[Anbetung]] ([[Latrie]]), die Gott allein vorbehalten ist.
 
Die Texte des [[Zweites Vatikanisches Konzil|zweiten Vatikanischen Konzils]] stellen mit der Kirche auch ihre Heiligkeit in den Vordergrund, die auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückgeführt wird, dabei handelt es sich jedoch um eine unvollkommene Heiligkeit (vgl. [[Eschatologie|eschatologisches]] „Noch-nicht“). [[Lumen gentium|Lumen Gentium]] Art. 39 bis 42 schwingen zwischen verschiedenen Heiligkeitsvorstellungen: Heiligkeit Gottes, Heiligkeit der von ihm erwählten Menschen, Heiligkeit der Kirche, Heiligkeit ihrer Glieder, geschenkte Heiligkeit des Gläubigen als des durch Jesus Christus gerechtfertigten Sünder und die durch Lebensgestaltung entfaltete Heiligkeit. Es wird zwischen empfangener und entfalteter Heiligkeit unterschieden. Obwohl die Heiligkeit der Kirche Gegenstand des Glaubens ist, kann sie im Selbstopfer Christi, im [[Martyrium]] seiner Jünger und durch die [[Heiliger|Heiligen]] geschaut werden. Dem Heiligen begegnet man allein im heiligen und heiligenden dreieinigen Gott. Dies vollzieht sich in der jetzigen heilsgeschichtlichen Situation in der Begegnung mit seiner geheiligten Kirche, die jedoch nicht exklusiv identisch mit der römisch-katholischen Kirche ist.<ref name=":6" />
Geläufig sind die Abkürzungen in der Einzahl „hl.“ (z. B. der hl. Antonius) oder „hll.“ (lateinisch ''Ss.'') für mehrere Heilige.
 
{{Anker|Hll}}In den [[Heiligsprechung|Heilig]]- bzw. [[Seligsprechung]]en erkennt die katholischen Kirche an, dass die Verstorbenen „die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben“.<ref>[[Katechismus der Katholischen Kirche]] (KKK) 828</ref> Geläufige Abkürzungen sind in der Einzahl ''hl''. und im Plural ''hll''. (lateinisch ''Ss''.).
==== Superlative ====
{{Siehe auch|Heiligenverehrung|Dulia}}
Was sich auf eine oder mehrere der göttlichen Personen bezieht, wird auch als „heiligst“ oder „allerheiligst“ ({{laS|sanctissimum}}, Ss.) bezeichnet. Dazu zählen das [[Allerheiligstes Sakrament des Altares|Allerheiligste]] auch das Allerheiligste Altarssakrament, die allerheiligste [[Dreifaltigkeit]], das [[Heiligstes Herz Jesu|heiligste Herz Jesu]] oder der [[Namen-Jesu-Fest|allerheiligste Name Jesu]]. In Zusammenhang mit der [[Marienverehrung|Verehrung]] der seligen [[Jungfrau Maria]] wird auch „seligst“ und „allerseligst“ verwendet.
<!-- gelöscht, da ohne Beleg: ==== Superlative ==== Was sich auf eine oder mehrere der göttlichen Personen bezieht, wird auch als „heiligst“ oder „allerheiligst“ (lateinisch sanctissimum, Ss.) bezeichnet. Dazu zählen das Allerheiligste auch das Allerheiligste Altarssakrament, die allerheiligste Dreifaltigkeit, das heiligste Herz Jesu oder der allerheiligste Name Jesu. In Zusammenhang mit der Verehrung der seligen Jungfrau Maria wird auch „seligst“ und „allerseligst“ verwendet. -->
 
=== Evangelische Theologie ===
[[Martin Luther]] sieht die Heiligkeit Gottes in erster Linie als Tätigkeit des Heiligens (vgl. {{B|Lev|20|8|EU}}). Der Titel „Heiliger Israels“ ging auf Christus über, der nun seinerseits durch den Heiligen Geist bzw. das Heilige Wort die Christen zu Heiligen macht.<ref name=":6" />
{{Hauptartikel|Heiligung (Protestantismus)}}
 
In der reformatorischen Tradition ist Heiligung das neue Leben des Christen aus der [[Rechtfertigung (Theologie)|Rechtfertigung]]. Wichtige Entwürfe haben unter anderem [[Martin Luther]], [[Johannes Calvin]], [[John Wesley (Prediger)|John Wesley]] und [[Karl Barth]] vorgelegt.
In der späteren evangelischen Theologie verselbstständigte sich die Heiligung gegenüber der Rechtfertigung, dies war jedoch nicht in Luthers Sinne. [[Zwingli]] deutet die Heiligkeit Gottes von seiner Güte her. Gottes Gerechtigkeit bezeichnet er als „[[sakrosankt]]“. [[Calvin]] nutzt „Herrlichkeit“ als Synonym für Gottes Heiligkeit. In ihr sieht er das Aufleuchten seiner ''[[Gloria]]'' in seinen Geschöpfen.<ref name=":6" />
 
Spätere [[Luthertum|lutherische]] wie [[Reformierte Kirchen|reformierte]] [[Dogmatik]]en verengen Gottes Heiligkeit auf seine sittliche Vollkommenheit als Reinheit, betonen also ihren moralischen Aspekt. Infolgedessen verwirft [[Albrecht Ritschl (Theologe)|Ritschl]] den atl. Heiligkeitsbegriff für das Christentum. Die Heiligkeit des christlichen Gottes wird seiner Liebe untergeordnet („heilige Liebe“). [[Karl Barth|Barth]] nimmt die Heiligkeit Gottes unter Bezugnahme auf die „Vollkommenheit des göttlichen Liebens“ auf, kritisiert dabei jedoch Ritschl, indem er hervorhebt, dass Gott als „Heiliger Israles“ bereits im AT der sich zuwendende und erwählende Gott ist, nicht jedoch ein sich abwendender, abschreckender. Schlatter sieht die Heiligkeit Gottes als Bewegung der Selbstbereicherung. Sie schließe den ganzen Inhalt der Offenbarung ein. [[Paul Althaus|Althaus]] nimmt Ottos Heiligkeitsbegriff auf und sieht die Heiligkeit Gottes als Gottheit Gottes, die er auf seine Freiheit bezieht. Auch [[Paul Tillich|Tillich]] greift auf Otto zurück und behandelt die Heiligkeit im Zusammenhang mit Gott in Beziehung zu seiner Schöpfung. Obwohl die Heiligkeit „Gottes Gottheit in der ganzen Weite dessen, was sie ausmacht“ bedeutet, besitzt eine freie Bewegung vom Gott-an-sich weg über den Schöpfer und Gesetzgeber zum Offenbarer und Erlöser.<ref name=":6" />
 
Tillich sieht die Heilige Kirche als Geistgemeinschaft, die in einer dialektischen Beziehung zu den gesellschaftlich verfassten Kirchen steht, nicht jedoch mit ihnen identisch ist. Diese Geistgemeinschaft ist deshalb heilig, weil sie durch den Glauben – manifestiert in dienender Liebe, Einigkeit und universalem missionarischen Eifer – an der Heiligkeit des göttlichen Lebens teilhat. Als unsichtbare geistliche Essenz der religiösen Gemeinschaften gibt sie ihnen Heiligkeit. Darin sieht er ein fragmentarisches Sichtbarwerden der biblischen Vision der heiligen Stadt ohne Tempel, aber mit Gott in ihrer Mitte.<ref name=":6" />
{{Siehe auch|Heiligung (Protestantismus)}}<!-- === Ostkirche/orthodoxe Kirchen === -->
 
== Ethnische Religionen ==
Auch in den [[Ethnische Religionen|ethnischen „Naturreligionen“]] ist die Vorstellung von etwas Heiligem weit verbreitet: In den meisten Fällen ist die Trennung vom Alltäglichen wesentlich unschärfer als in den [[Hochreligion]]en,<ref>Thomas Schweer: ''Stichwort Naturreligionen.'' Heyne, München 1995, ISBN 3-453-08181-1, S. 37.</ref><ref>Josef Franz Thiel: ''Religionsethnologie,'' erschienen in: Horst Balz et al. (Hrsg.): ''Theologische Realenzyklopädie, Band 28: „Pürstinger – Religionsphilosophie“.'' Walter de Gruyter, Berlin / New York 1997, ISBN 978-3-11-019098-4. S. 560–565.</ref> jegliche Handlungen können irgendeinen spirituellen Bezug haben – und damit heilig sein.<ref>Karl Heinrich Wörner: ''Geschichte der Musik: ein Studien- und Nachschlagebuch.'' 8. Auflage – neu bearbeitet von Wolfgang Gratzer, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-27811-X. S. 3–4.</ref><ref> Hendrik Neubauer (Hrsg.): ''The Survivors – Vom Ureinwohner zum Weltbürger.'' Tandem, Potsdam 2008, ISBN 978-3-8331-4627-5. S. 300–301.</ref> Vielfach ''ist'' das ganze Leben Religion und durchdrungen von heiligen Handlungen, Objekten und Vorstellungen.<ref>Karl R. Wernhart: ''Ethnische Religionen,'' erschienen in: Johann Figl (Hrsg.): ''Handbuch Religionswissenschaft: Religionen und ihre zentralen Themen.'' Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck 2003, ISBN 3-7022-2508-0. S. 260.</ref> Jeder Angehörige einer solchen Glaubensgemeinschaft kennt die zahlreichen [[Tabu]]s, die mit heiligen Dingen verbunden sind, welche [[Rituale]] zur Aufrechterhaltung der kosmischen [[Harmonie]] notwendig sind und welche Folgen Verstöße gegen diese [[Soziale Norm|Normen]] auslösen sollen.<ref>Klaus E. Müller: ''Schamanismus. Heiler, Geister, Rituale.'' 4. Auflage, C. H. Beck, München 2010 (Originalausgabe 1997), ISBN 978-3-406-41872-3. S. 11–14, 16–17, 111, 114.</ref><ref>Ina Wunn in: Peter Antes (Hrsg.): ''Daran glauben wir – Vielfalt der Religionen'', S. 276–277.</ref> Da praktisch alle ethnischen Religionen einen sehr engen Bezug zur Erde haben ''([[Chthonismus]])'', geht die Heiligung von Naturerscheinungen (Berge, Felsen, Wasserfälle, Quellen, Haine; Regen, Wind, Sonne, Mond; bestimmte Tiere oder Pflanzen) weltweit fast immer auf solche traditionellen Vorstellungen zurück.<ref>Lexikon-Einträge: [http://www.wissen.de/lexikon/ethnische-religionen ''Ethnische Religionen''] und [http://www.wissen.de/lexikon/stammesreligionen ''Stammesreligionen'']. Wissen.de, Konradin Medien GmbH, Leinfelden-Echterdingen 2014, abgerufen am 21. September 2015.</ref> Alles Heilige war personifiziert oder beseelt, indem ihm eine menschenähnliche Seele, einen innewohnenden Geist, eine übernatürliche Lebenskraft u.&nbsp;Ä. zugeschrieben wurde.
 
Im [[Ethnische Religionen#Schamanischer Religionstyp|schamanischen Religionstyp]] ''(u.a. [[Jäger und Sammler]], [[Egalitäre Gesellschaft]]en) '' herrscht häufig ein [[Animismus (Religion)|Animismus]] vor, der praktisch alle Naturerscheinungen als [[Seele|beseelt]] bzw. von [[Geistwesen|Geistern]] bewohnt ansieht. Daraus folgt oftmals eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zu Tieren (u.&nbsp;a.) – den sogenannten [[Totem]]s – denen als heilige Symbole eine wichtige Bedeutung für die Identitätsfindung zukommt.<ref>Mark Münzel: ''Wildbeuter'' In: Bernhard Streck (Hrsg.): ''Wörterbuch der Ethnologie.'' 2. und erweiterte Auflage, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2000, ISBN 3-87294-857-1. S. 295–299.</ref>
 
Im [[Ethnische Religionen#Kommunaler Religionstyp|kommunalen Religionstyp]] ''(u.a. [[Hirtenvolk|Hirtenvölker]], [[Häuptlingstum|Häuptlingstümer]])'' spielen vor allem heilige [[Kult]]e und [[Ritual]]e eine Rolle.<ref>Anke Wellner-Kempf (Hrsg.), Philip Wilkinson (Autor): ''Religionen der Welt'' in der Reihe ''Kompakt & Visuell.'' Dorling Kindersley, London (GB) 2009, ISBN 978-3-8310-1474-3. Kapitel „Stammesreligionen“, S. 46–47 (zu „Ritualisierte Kreisläufe“)</ref><ref>[[Jan Assmann]]: ''Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen.'' Beck, München 2013.</ref>
 
Im [[Ethnische Religionen#Olympischer Religionstyp|olympischen Religionstyp]] ''(u.a. [[Traditioneller Ackerbau|traditionelle Ackerbauern]], [[Segmentäre Gesellschaft]]en)'' sind [[Tempel]], [[Schrein]]e, [[Idol]]e usw. heilig, die Göttern oder Geistern geweiht sind.<ref>Julia Haslinger: ''Die Evolution der Religionen und der Religiosität.'' In: SocioloReligiosität in Switzerland: Sociology of Religion, [http://socio.ch/relsoc/t_haslinger.pdf Online-Publikation], Zürich 2012. S. 13–16.</ref><ref>Marvin Harris: ''Kulturanthropologie – Ein Lehrbuch.'' Aus dem Amerikanischen von Sylvia M. Schomburg-Scherff, Campus, Frankfurt/New York 1989, ISBN 3-593-33976-5. S. insbes. 285–286, zudem 287–302.</ref>
 
== Politik ==
Einzelne historische deutsche Verfassungen des [[Vormärz]] greifen auf den Begriff ''heilig'' zurück, um die Stellung des Monarchen im Staatsgefüge zu beschreiben, der einerseits durch die Verfassungen selbst als Staatsorgan definiert wird, andererseits überpolitischer Inbegriff des Staates selbst ist. So heißt es in der [[Verfassung des Königreichs Bayern von 1818|Bayerischen Verfassung von 1818]] in Titel II, § 1 sowie in der [[Verfassung des Großherzogtums Hessen]] von 1820 in § 4 über den Monarchen in übereinstimmendem Wortlaut: „''Seine Person ist heilig und unverletzlich''.“
 
== Sonstiges ==
Auch das [[Bahaitum]] verwendet die adjektiven Begriffe „heilig“ und „heiligst“ in der Bezeichnung [[Heiligstes Buch]]. Im [[Traditionelle Religion Timors|traditionellen Glauben der Timoresen]] steht der Begriff „[[lulik]]“ für „heilig“ oder „verboten“ und beinhaltet eine ganze eigene Philosophie.
 
Ein Vergehen gegen etwas „Heiliges“, speziell gegen ein „[[Heiligtum]]“, wird im christlichen Umfeld als „[[Sakrileg]]“ bezeichnet.
 
== Siehe auch ==
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* Wolfgang Gantke: ''Der umstrittene Begriff des Heiligen. Eine problemorientierte religionswissenschaftliche Untersuchung.'' Diagonal, Marburg 1998.
* Burkhard Gladigow: ''Mögliche Gegenstände und notwendige Quellen einer Religionsgeschichte.'' In: ''Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme'' (= ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]].'' Ergänzungsband 5). Berlin 1992, S. 3–26.
* [[Karl Georg Kuhn]], [[Otto Procksch]]: {{lang|grc|ἅγιος}} – {{lang|grc|ἁγιάζω}} – {{lang|grc|ἁγιασμός}} – {{lang|grc|ἁγιότης}} – {{lang|grc|ἁγιωσύνη}}. In: Gerhard Kittel und Gerhard Friedrich (Hrsg.): Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Band I. Kohlhammer Verlag GmbH, Darmstadt 2019, S. 87–116.
* [[Günter Lanczkowski]] u.&nbsp;a.: Artikel ''Heiligkeit – I. Religionsgeschichtlich, II. Altes Testament, III. Neues Testament, IV. Systematisch-theologisch.'' In: ''[[Theologische Realenzyklopädie]]'', Band 14 (1985), S. 695–712.
* Angelika C. Messner: ''Annäherungen an das „Heilige“ in kulturwissenschaftlicher Perspektive.'' In: Angelika C. Messner und Konrad Hirschler (Hrsg.): ''Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung.'' Reihe Asien und Afrika, Bd. 11. EB-Verlag, Schenefeld/Hamburg 2006, ISBN 3-936912-19-X, S. 1–17.