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{{Dieser Artikel|beschäftigt sich mit dem religiösen Begriff ''heilig''. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Heilig (Begriffsklärung)]], zur Anredeform ''Heiligkeit'' siehe [[Heiligkeit (Anrede)]].}}Heilig ist ein landschaftliches Adverb [[Datei:Ottobeuren Abbey basilica Heilig vignette 2013-08-03.jpg|mini|[[Vignette]] über dem Seiteneingang der [[St. Alexander und Theodor (Ottobeuren)|Basilika von Kloster Ottobeuren]]]]
[[Datei:Lütgendorff-Leinburg – Gemälde – Wunderbare Auffindung der Leiche einer Heiligen.jpg|mini|Wunderbare Auffindung der Leiche einer Heiligen]]
 
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Heilig geht auf [[Althochdeutsche Sprache|althochdeutsch]] ''heilag'' zurück, was möglicherweise einen Ursprung im [[Altnordische Sprache|altnordischen]] ''hei lagr'' mit der Ausgangsbedeutung „eigen“, „Eigentum“ hat<ref name=":2" /> oder von althochdeutsch ''Heil'' „Zauber“, „Günstiges Vorzeichen“, „Glück“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/heilig_ehrwuerdig_geheiligt_hehr |titel=heilig |werk=Duden |hrsg=Cornelsen Verlag GmbH |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref> oder ''heil'' „gesund“, „unversehrt“, „gerettet“ kommt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/heil |titel=heil |werk=Duden |hrsg=Cornelsen Verlag GmbH |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref>
 
Teilweise gleichbedeutend zu dem stark [[christlich]] geprägten Begriff wird, unter anderem in wissenschaftlicher Literatur und im [[Duden]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/sakral |titel=sakral |werk=Duden |hrsg=Cornelsen Verlag GmbH |sprache=de |abruf=2022-11-23}}</ref>, das Fremdwort sakral (von {{laS|sacer}} „heilig“, „göttlich“, „geweiht“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.frag-caesar.de/lateinwoerterbuch/sacer-uebersetzung.html |titel=sacer |werk=Frag Caesar |hrsg=Stefan Schulze Steinmann |abruf=2022-11-23}}</ref>) gebraucht, auch als Gegensatz zu ''[[profan]]'' (weltlich).<ref>Mircea Eliade: ''Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen.'' Suhrkamp, Frankfurt, 3. Auflage 1987. </ref>
 
== Allgemeines ==
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Die Vokabel {{lang|grc|ἰερός|hierós}} wird wie bereits in der LXX nur äußerst selten verwendet, die Kultwörter {{lang|grc|ἀρχιερεύς|archiereús}} „Hohepriester “, {{lang|grc|ἱερεύς|hireús}} „Priester“ und {{lang|grc|ἱερόν|ierón}} „Heiligtum“ jedoch häufiger. Vergleicht man den neutestamentlichen Befund mit [[Flavius Josephus|Josephus]], ist auch das Vorkommen der Kultbegriffe sehr gering. Außerdem erscheint ihre Bedeutung durch die Kultkritik und den metaphorischen Gebrauch doppelt gebrochen.<ref name=":1" />
 
Im NT findet sich eine eschatologische Spannung zwischen verschiedenen Heiligkeitsbegriffen:
 
* ''Die theologische, unweltliche Schöpfer-Heiligkeit''. Wiederholt wird „heilig“ als religiöse Kategorie verwendet, die nur teilweise an das AT und jüdische [[Pseudepigraphie|Pseudepigrapha]] anknüpft. Ebenso werden antike, insb. jüdische Heiligkeitsaussagen und -vorstellungen unbefangen übernommen. Vor allem die Heiligkeit Gottes und seines Namens spielt eine große Rolle und wird auch dort vorausgesetzt, wo sie nicht explizit Erwähnung findet. Dies zeigt sich insbesondere in der Bezeichnung des Heiligen Geistes und der Übertragung der Heiligkeit JHWHs auf Christus. Wird Jesus als durch den Heiligen Geist geheiligter Gottessohn par excellence verkündet, kann er als Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung der Glaubenden bezeichnet werden.<ref name=":1" />
* ''Die pneumatologisch bzw. christologisch geoffenbarte Heiligung als Indikativ anthropologischer Heiligkeit.'' Entscheidend für die pneumatologisch bzw. christologisch geoffenbarte Heiligung ist das neue Gottesverhältnis, das den Glaubenden zugutekommt. Es ist im Wirken des HeistesHeiligen Geistes erfahrbar und in Christus begründet ({{B|2 Thess|2|13|EU}} u. ö.). Dadurch wird die Grenze zwischen heilig und profan relativiert. Glaubende werden als „berufene Heilige“ bezeichnet ({{B|Röm|1|7|EU}} u. ö.), was sie inmitten des Profanen in ihrer eigentlichen Identität und vor jeder ethischen Entsprechung als von und für Gott ausgesondert umschreibt.<ref name=":1" /><ref name="RGG4" />
* ''Die soteriologische [[Gnade (Theologie)|Gnaden]]-Heiligkeit als Imperativ geschöpflicher Heiligung im Glauben''.<ref name=":1" /> Die in den Bereich des Profanen übergreifende Heiligkeit verpflichtet die Glaubenden, diese in der Welt und in Verbundenheit der Heiligen untereinander auszuleben.<ref name="RGG4" /> Das Paradox weltlicher Heiligkeit (''simul sanctus et profanus'') wird von der [[Paulinische Lehre|paulinischen]] Einsicht erfasst, dass die [[Rechtfertigung (Theologie)|Rechtfertigung]] der Gottlosen gleichzeitig ihre Heiligung ist. Diese ist von größter theologischer Bedeutung, da durch sie indikativische Heiligkeit und imperativische Heiligung richtig erfasst werden.<ref name=":1" />
 
Das NT offenbart die Heiligkeit als gegenwärtige Gabe, die kollektiv und individuell das [[Priestertum aller Gläubigen]] begründet. An die Stelle des Tempels tritt die ökumenische Kirche aus Heiden und Juden als heiliger Ort der anrufbaren Präsenz Gottes. Die Kirche ist durch den Geist Gottes heilig. In den sogenannten Mischehen heiligt der christliche Partner den heidnischen und auch ihre Kinder sind heilig, also auf Gott hingeordnet.<ref name=":1" />
 
Die Heiligung ist kein Einzelgebot ntl. Ethik, sondern auch als Imperativ Wille und Berufung Gottes. Als unmittelbare Konsequenz der Rechtfertigung ist diesie die Frucht der Befreiung von der Sünde. Somit zielt sie nicht moralisch oder kultisch auf eine selbstgemachte Absonderlichkeit. Stattdessen ist die Heiligung als evangelische Absonderung eine totale Bezogenheit auf Gott, ein profaner Gottesdienst der Alltäglichkeit und Leiblichkeit und dabei immer nonkonformistisch.<ref name=":1" /><!-- === Koran ===
=== Heiligstes Buch ===
=== Buch der Gewissheit === -->
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Heiligkeit ist die Vollkommenheit, die Gott von der Welt unterscheidet, der der einzig wahre Gegenstand der Anbetung, Verehrung und Ehrfurcht ist (vgl. [[Trisagion|Trishagion]]). Dabei besteht eine tiefe Einheit von Heiligkeit und Gnade, da Gottes Heiligkeit Widerstand gegen allem, was der Liebe entgegensteht, erfordert. In Christus ist das wahrhaft Heilige wahrhaft profan geworden und hat damit das wahrhaft Profane wahrhaft heilig gemacht. Darauf folgt die drastische Umwertung aller Werte.<ref name="RGG6" />
 
Die Schriften, die den Heiligen bezeugen, werden in ihrer Gesamtheit Heilige Schrift genannt, die Glaubensgemeinschaft, die nach diesem Zeugnis lebt, die heilige katholische (= allumfassende) Kirche. Der heilige Initiationsritus der Gemeinschaft ist die Heilige [[Taufe]], die Erneuerung das Heilige [[Abendmahlsfeier|Abendmahl]]. Diese Anwendungen des Begriffs haben gemeinsam, dass sie durch die freie göttliche Gnade heilig sind.<ref name="RGG6" />
 
Die kreatürliche Heiligkeit bedeutet die Partizipation an der Heiligkeit Gottes, die durch die Heiligkeit Christi vermittelt ist. Der [[Heiliger Geist|Heilige Geist]] fungiert als Band der Gemeinschaft.<ref name="RGG6" />
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Die Texte des [[Zweites Vatikanisches Konzil|zweiten Vatikanischen Konzils]] stellen mit der Kirche auch ihre Heiligkeit in den Vordergrund, die auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückgeführt wird, dabei handelt es sich jedoch um eine unvollkommene Heiligkeit (vgl. [[Eschatologie|eschatologisches]] „Noch-nicht“). [[Lumen gentium|Lumen Gentium]] Art. 39 bis 42 schwingen zwischen verschiedenen Heiligkeitsvorstellungen: Heiligkeit Gottes, Heiligkeit der von ihm erwählten Menschen, Heiligkeit der Kirche, Heiligkeit ihrer Glieder, geschenkte Heiligkeit des Gläubigen als des durch Jesus Christus gerechtfertigten Sünder und die durch Lebensgestaltung entfaltete Heiligkeit. Es wird zwischen empfangener und entfalteter Heiligkeit unterschieden. Obwohl die Heiligkeit der Kirche Gegenstand des Glaubens ist, kann sie im Selbstopfer Christi, im [[Martyrium]] seiner Jünger und durch die [[Heiliger|Heiligen]] geschaut werden. Dem Heiligen begegnet man allein im heiligen und heiligenden dreieinigen Gott. Dies vollzieht sich in der jetzigen heilsgeschichtlichen Situation in der Begegnung mit seiner geheiligten Kirche, die jedoch nicht exklusiv identisch mit der römisch-katholischen Kirche ist.<ref name=":6" />
 
{{Anker|Hll}}In den [[Heiligsprechung|Heilig]]- bzw. [[Seligsprechung|Seligsprechungen]]en erkennt die katholischen Kirche an, dass die Verstorbenen „die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben“.<ref>[[Katechismus der Katholischen Kirche]] (KKK) 828</ref> Geläufige Abkürzungen sind in der Einzahl ''hl''. und im Plural ''hll''. (lateinisch ''Ss''.).
{{Siehe auch|Heiligenverehrung|Dulia}}
<!-- gelöscht, da ohne Beleg: ==== Superlative ==== Was sich auf eine oder mehrere der göttlichen Personen bezieht, wird auch als „heiligst“ oder „allerheiligst“ (lateinisch sanctissimum, Ss.) bezeichnet. Dazu zählen das Allerheiligste auch das Allerheiligste Altarssakrament, die allerheiligste Dreifaltigkeit, das heiligste Herz Jesu oder der allerheiligste Name Jesu. In Zusammenhang mit der Verehrung der seligen Jungfrau Maria wird auch „seligst“ und „allerseligst“ verwendet. -->
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In der späteren evangelischen Theologie verselbstständigte sich die Heiligung gegenüber der Rechtfertigung, dies war jedoch nicht in Luthers Sinne. [[Zwingli]] deutet die Heiligkeit Gottes von seiner Güte her. Gottes Gerechtigkeit bezeichnet er als „[[sakrosankt]]“. [[Calvin]] nutzt „Herrlichkeit“ als Synonym für Gottes Heiligkeit. In ihr sieht er das Aufleuchten seiner ''[[Gloria]]'' in seinen Geschöpfen.<ref name=":6" />
 
Spätere [[Luthertum|lutherische]] wie [[Reformierte Kirchen|reformierte]] [[Dogmatik|Dogmatiken]]en verengen Gottes Heiligkeit auf seine sittliche Vollkommenheit als Reinheit, betonen also ihren moralischen Aspekt. Infolge dessenInfolgedessen verwirft [[Albrecht Ritschl (Theologe)|Ritschl]] den atl. Heiligkeitsbegriff für das Christentum. Die Heiligkeit des christlichen Gottes wird seiner Liebe untergeordnet („heilige Liebe“). [[Karl Barth|Barth]] nimmt die Heiligkeit Gottes unter Bezugnahme auf die „Vollkommenheit des göttlichen Liebens“ auf, kritisiert dabei jedoch Ritschl, indem er hervorhebt, dass Gott als „Heiliger Israles“ bereits im AT der sich zuwendende und erwählende Gott ist, nicht jedoch ein sich abwendender, abschreckender. Schlatter sieht die Heiligkeit Gottes als Bewegung der Selbstbereicherung. Sie schließe den ganzen Inhalt der Offenbarung ein. [[Paul Althaus|Althaus]] nimmt Ottos Heiligkeitsbegriff auf und sieht die Heiligkeit Gottes als Gottheit Gottes, die er auf seine Freiheit bezieht. Auch [[Paul Tillich|Tillich]] greift auf Otto zurück und behandelt die Heiligkeit im Zusammenhang mit Gott in Beziehung zu seiner Schöpfung. Obwohl die Heiligkeit „Gottes Gottheit in der ganzen Weite dessen, was sie ausmacht“ bedeutet, besitzt eine freie Bewegung vom Gott-an-sich weg über den Schöpfer und Gesetzgeber zum Offenbarer und Erlöser.<ref name=":6" />
 
Tillich sieht die Heilige Kirche als Geistgemeinschaft, die in einer dialektischen Beziehung zu den gesellschaftlich verfassten Kirchen steht, nicht jedoch mit ihnen identlischidentisch ist. Diese Geistgemeinschaft ist deshalb heilig, weil sie durch den Glauben – manifestiert in dienender Liebe, Einigkeit und universalem missionarischen Eifer – an der Heiligkeit des göttlichen Lebens teilhat. Als unsichtbare geistliche Essenz der religiösen Gemeinschaften gibt sie ihnen Heiligkeit. Darin sieht er ein fragmentarisches Sichtbarwerden der biblischen Vision der heiligen Stadt ohne Tempel, aber mit Gott in ihrer Mitte.<ref name=":6" />
{{Siehe auch|Heiligung (Protestantismus)}}<!-- === Ostkirche/orthodoxe Kirchen === -->
 
== Ethnische Religionen ==
Auch in den [[Ethnische Religionen|ethnischen „Naturreligionen“]] ist die Vorstellung von etwas Heiligem weit verbreitet: In den meisten Fällen ist die Trennung vom Alltäglichen wesentlich unschärfer als in den [[Hochreligion]]en,<ref>Thomas Schweer: ''Stichwort Naturreligionen.'' Heyne, München 1995, ISBN 3-453-08181-1, S. 37.</ref><ref>Josef Franz Thiel: ''Religionsethnologie,'' erschienen in: Horst Balz et al. (Hrsg.): ''Theologische Realenzyklopädie, Band 28: „Pürstinger – Religionsphilosophie“.'' Walter de Gruyter, Berlin / New York 1997, ISBN 978-3-11-019098-4. S. 560–565.</ref> jegliche Handlungen können irgendeinen spirituellen Bezug haben – und damit heilig sein.<ref>Karl Heinrich Wörner: ''Geschichte der Musik: ein Studien- und Nachschlagebuch.'' 8. Auflage – neu bearbeitet von Wolfgang Gratzer, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-27811-X. S. 3–4.</ref><ref> Hendrik Neubauer (Hrsg.): ''The Survivors – Vom Ureinwohner zum Weltbürger.'' Tandem, Potsdam 2008, ISBN 978-3-8331-4627-5. S. 300–301.</ref> Vielfach ''ist'' das ganze Leben Religion und durchdrungen von heiligen Handlungen, Objekten und Vorstellungen.<ref>Karl R. Wernhart: ''Ethnische Religionen,'' erschienen in: Johann Figl (Hrsg.): ''Handbuch Religionswissenschaft: Religionen und ihre zentralen Themen.'' Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck 2003, ISBN 3-7022-2508-0. S. 260.</ref> Jeder Angehörige einer solchen Glaubensgemeinschaft kennt die zahlreichen [[Tabu]]s, die mit heiligen Dingen verbunden sind, welche [[Rituale]] zur Aufrechterhaltung der kosmischen [[Harmonie]] notwendig sind und welche Folgen Verstöße gegen diese [[Soziale Norm|Normen]] auslösen sollen.<ref>Klaus E. Müller: ''Schamanismus. Heiler, Geister, Rituale.'' 4. Auflage, C. H. Beck, München 2010 (Originalausgabe 1997), ISBN 978-3-406-41872-3. S. 11–14, 16–17, 111, 114.</ref><ref>Ina Wunn in: Peter Antes (Hrsg.): ''Daran glauben wir – Vielfalt der Religionen'', S. 276–277.</ref> Da praktisch alle ethnischen Religionen einen sehr engen Bezug zur Erde haben ''([[Chthonismus]])'', geht die Heiligung von Naturerscheinungen (Berge, Felsen, Wasserfälle, Quellen, Haine; Regen, Wind, Sonne, Mond; bestimmte Tiere oder Pflanzen) weltweit fast immer auf solche traditionellen Vorstellungen zurück.<ref>Lexikon-Einträge: [http://www.wissen.de/lexikon/ethnische-religionen ''Ethnische Religionen''] und [http://www.wissen.de/lexikon/stammesreligionen ''Stammesreligionen'']. Wissen.de, Konradin Medien GmbH, Leinfelden-Echterdingen 2014, abgerufen am 21. September 2015.</ref> Alles Heilige war personifiziert oder beseelt, indem ihm eine menschenähnliche Seele, einen innewohnenden Geist, eine übernatürliche Lebenskraft u.&nbsp;Ä. zugeschrieben wurde.
 
Im [[Ethnische Religionen#Schamanischer Religionstyp|schamanischen Religionstyp]] ''(u.a. [[Jäger und Sammler]], [[Egalitäre Gesellschaft]]en) '' herrscht häufig ein [[Animismus (Religion)|Animismus]] vor, der praktisch alle Naturerscheinungen als [[Seele|beseelt]] bzw. von [[Geistwesen|Geistern]] bewohnt ansieht. Daraus folgt oftmals eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zu Tieren (u.&nbsp;a.) – den sogenannten [[Totem]]s – denen als heilige Symbole eine wichtige Bedeutung für die Identitätsfindung zukommt.<ref>Mark Münzel: ''Wildbeuter'' In: Bernhard Streck (Hrsg.): ''Wörterbuch der Ethnologie.'' 2. und erweiterte Auflage, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2000, ISBN 3-87294-857-1. S. 295–299.</ref>
 
Im [[Ethnische Religionen#Kommunaler Religionstyp|kommunalen Religionstyp]] ''(u.a. [[Hirtenvolk|Hirtenvölker]], [[Häuptlingstum|Häuptlingstümer]])'' spielen vor allem heilige [[Kult]]e und [[Ritual]]e eine Rolle.<ref>Anke Wellner-Kempf (Hrsg.), Philip Wilkinson (Autor): ''Religionen der Welt'' in der Reihe ''Kompakt & Visuell.'' Dorling Kindersley, London (GB) 2009, ISBN 978-3-8310-1474-3. Kapitel „Stammesreligionen“, S. 46–47 (zu „Ritualisierte Kreisläufe“)</ref><ref>[[Jan Assmann]]: ''Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen.'' Beck, München 2013.</ref>
 
Im [[Ethnische Religionen#Olympischer Religionstyp|olympischen Religionstyp]] ''(u.a. [[Traditioneller Ackerbau|traditionelle Ackerbauern]], [[Segmentäre Gesellschaft]]en)'' sind [[Tempel]], [[Schrein]]e, [[Idol]]e usw. heilig, die Göttern oder Geistern geweiht sind.<ref>Julia Haslinger: ''Die Evolution der Religionen und der Religiosität.'' In: SocioloReligiosität in Switzerland: Sociology of Religion, [http://socio.ch/relsoc/t_haslinger.pdf Online-Publikation], Zürich 2012. S. 13–16.</ref><ref>Marvin Harris: ''Kulturanthropologie – Ein Lehrbuch.'' Aus dem Amerikanischen von Sylvia M. Schomburg-Scherff, Campus, Frankfurt/New York 1989, ISBN 3-593-33976-5. S. insbes. 285–286, zudem 287–302.</ref>
 
== Politik ==
Einzelne historische deutsche Verfassungen des [[Vormärz]] greifen auf den Begriff ''heilig'' zurück, um die Stellung des Monarchen im Staatsgefüge zu beschreiben, der einerseits durch die Verfassungen selbst als Staatsorgan definiert wird, andererseits überpolitischer Inbegriff des Staates selbst ist. So heißt es in der [[Verfassung des Königreichs Bayern von 1818 |Bayerischen Verfassung von 1818]] in Titel II, § 1 sowie in der [[Verfassung des Großherzogtums Hessen]] von 1820 in § 4 über den Monarchen in übereinstimmendem Wortlaut: „''Seine Person ist heilig und unverletzlich''.“
 
== Sonstiges ==
Auch das [[Bahaitum]] verwendet die adjektiven Begriffe „heilig“ und „heiligst“ in der Bezeichnung [[Heiligstes Buch]]. Im [[Traditionelle Religion Timors|traditionellen Glauben der Timoresen]] steht der Begriff „[[lulik]]“ für „heilig“ oder „verboten“ und beinhaltet eine ganze eigene Philosophie.
 
Ein Vergehen gegen etwas „Heiliges“, speziell gegen ein „[[Heiligtum]]“, wird im christlichen Umfeld als „[[Sakrileg]]“ bezeichnet.
 
== Siehe auch ==
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* Wolfgang Gantke: ''Der umstrittene Begriff des Heiligen. Eine problemorientierte religionswissenschaftliche Untersuchung.'' Diagonal, Marburg 1998.
* Burkhard Gladigow: ''Mögliche Gegenstände und notwendige Quellen einer Religionsgeschichte.'' In: ''Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme'' (= ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]].'' Ergänzungsband 5). Berlin 1992, S. 3–26.
* [[Karl Georg Kuhn]], [[Otto Procksch]]: {{lang|grc|ἅγιος}} – {{lang|grc|ἁγιάζω}} – {{lang|grc|ἁγιασμός}} – {{lang|grc|ἁγιότης}} – {{lang|grc|ἁγιωσύνη}}. In: Gerhard Kittel und Gerhard Friedrich (Hrsg.): Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Band I. Kohlhammer Verlag GmbH, Darmstadt 2019, S. 87–116.
* [[Günter Lanczkowski]] u.&nbsp;a.: Artikel ''Heiligkeit – I. Religionsgeschichtlich, II. Altes Testament, III. Neues Testament, IV. Systematisch-theologisch.'' In: ''[[Theologische Realenzyklopädie]]'', Band 14 (1985), S. 695–712.
* Angelika C. Messner: ''Annäherungen an das „Heilige“ in kulturwissenschaftlicher Perspektive.'' In: Angelika C. Messner und Konrad Hirschler (Hrsg.): ''Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung.'' Reihe Asien und Afrika, Bd. 11. EB-Verlag, Schenefeld/Hamburg 2006, ISBN 3-936912-19-X, S. 1–17.