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{{Dieser Artikel|behandelt Jesus Christus, wie ihn die urchristlichen Schriften darstellen. Zur historischen Person siehe [[Jesus von Nazaret]]. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Jesus (Begriffsklärung)]] und [[Christus (Begriffsklärung)]].}}
[[Datei:Spas vsederzhitel sinay.jpg|mini|[[Christus Pantokrator (Sinai)|Christus Pantokrator, Ikone im Katharinenkloster auf dem Sinai]], 6. Jahrhundert]]
 
'''Jesus Christus''' (latinisiert aus {{grcS|Ἰησοῦς Χριστός|IēsûsIēsus ChristósChristos|IPA=iɛːˈsuːs kʰriːsˈtos|de=Jesus, der Gesalbte}}) ist nach [[Christentum|christlicher Lehre]] gemäß dem [[Neues Testament|Neuen Testament]] (NT) der von [[Gott (Christentum)der Vater|Gott, dem Vater]] zur [[Erlösung]] aller Menschen gesandte [[Messias]] und, [[Sohn Gottes]]. Mitsowie seinemdie Namen drückten bereits diezweite [[UrchristentumHypostase|UrchristenPerson]] ihren Glauben aus und bezogen die Heilsverheißungen des [[Altes TestamentTrinität|Alten Testamentsdreifaltigen]] (AT) auf die historische Person [[JesusGott von Nazaret(Christentum)|Gottes]].
 
Die [[Urchristentum|Urchristen]] identifizierten [[Jesus von Nazaret]] mit dem im [[Altes Testament|Alten Testament]] verheißenen Messias (griechisch latinisiert ''Christus''). Aus dem Glaubensbekenntnis „Jesus ist der Christus“ entstand früh der Name „Jesus Christus“. Auch viele weitere Titel für Jesus verdanken sich der urchristlichen Deutung von Leben, Tod und [[Auferstehung Jesu Christi|Auferweckung]] Jesu im Licht der [[Tanach|heiligen Schriften des Judentums]]. Nur die Bezeichnung [[Menschensohn]] geht vermutlich auf Jesus selbst zurück. Im Neuen Testament <!-- wo genau? -->wird Jesus auch bereits „Gott“ genannt.
 
Sein Tod am [[Kreuzigung|Kreuz]] wurde mit Hilfe unterschiedlicher, dem Alten Testament entlehnter Motive als ein Akt der Hingabe Gottes für die Menschen und konkret als [[Sühne#Christentum|stellvertretender Gerichtstod]] zur Rettung aus [[Sünde]] und Tod verstanden. Der Glaube an die Auferstehung Jesu basierte auf Erfahrungen [[Jesus von Nazaret#Anhänger|seiner Anhänger]], die diese als [[Erscheinung|Erscheinungen]] des aus den Toten auferstandenen Jesus von Nazaret erlebten. Daraus folgerten sie, dass Gott Jesus zum Sohn Gottes erhöht und zum [[Parusie|kommenden]] [[Jüngstes Gericht|Weltenrichter]] eingesetzt habe.
 
Für Christen ist Jesus Christus sowohl Repräsentant der Gottheit als auch die historische Person Jesus von Nazaret. Die [[Christologie#Die Zwei-Naturen-Lehre|Zwei-Naturen-Lehre]] der [[Alte Kirche|altkirchlichen]] [[Christologie]] verbindet beide Aspekte. Im Laufe der Zeit bildeten sich verschiedene Formen der [[Frömmigkeit|Christusfrömmigkeit]] heraus. Die weltweite christliche [[Mission (Christentum)|Mission]] führte zur [[Inkulturation]] Jesu Christi in verschiedene Kulturen und in jüngerer Zeit in den ehemaligen Missionsgebieten zu eigenen [[Postkolonialismus|postkolonialen]] Christologien. Kulturelle Einflüsse und die Stilmerkmale der jeweiligen [[Epoche (Kunst)|Epoche]] lassen auch die verschiedenen Christusdarstellungen in der [[Bildende Kunst|Bildenden Kunst]] erkennen. So erscheint Christus im 3. Jh. meist jugendlich, bartlos, mit Nackenlocken, gekleidet in [[Tunika]] und [[Pallium]]. Der heute noch geläufige Bildtyp des bärtigen, langhaarigen, ernst blickenden Christus kam im 4. Jh. auf und entsprach dem zeitgenössischen repräsentativen [[Herrscherbild|Herrscherbildnis]].
 
== Die urchristlichen Quellen ==
Das Neue Testament überliefert die Botschaft von Jesus Christus in verschiedenen Literaturformen für unterschiedliche Zwecke. Den historischen Jesus kannte wahrscheinlich keiner der Autoren des Neuen Testaments.<ref>[[Bernhard Lang (Theologe)|Bernhard Lang]]: ''Die Bibel'', Ferdinand Schöningh, Paderborn 1992, S. 87.</ref> Die [[Paulusbriefe]] (entstanden in den Jahren 50 bis 60) sind die ältesten urchristlichen Schriften. Ihr Autor stellt sich als Augenzeuge des [[Auferstehung Jesu Christi|auferstandenen Jesus]] dar, den er vorher nicht gekannt habe. Die Paulusbriefe enthalten einige Worte Jesu und [[Biografie|biografische]] Details, aber keine Berichte seines irdischen Wirkens. Wie Paulus mit biografischen Informationen umging, veranschaulicht {{B|Gal|4|4}}: Geburt und Herkunft des Christus lassen bereits das Motiv anklingen, dass er die „unter dem Gesetz“ stehenden Gläubigen befreien werde – und nur deshalb werden sie hier erwähnt.<ref>[[Christine Jacobi]]: ''Sonstige Schriften des Neuen Testaments'' In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 145–155, hier S. 147.</ref>
 
Die vier kanonischen Evangelien (entstanden zwischen 70 und 100) erzählen Jesu Wirken und Schicksal auf verschiedene, auf ihre Adressaten zugeschnittene Weise. Vor allem die drei [[Synoptische Evangelien|synoptischen]] Evangelien bieten gemeinsame Stoffe, die meist mit der [[Zwei-Quellen-Theorie]] erklärt werden.<ref>Bernhard Lang: ''Die Bibel.'' S. 86f.</ref> Ihre Reihenfolge, Auswahl und Darstellung unterscheiden sich durch verschiedene [[Redaktioneller Beitrag|redaktionelle]] Konzepte; ihre Glaubensaussagen stimmen jedoch in den Grundzügen überein und ergänzen einander.<ref>Vgl. aber John S. Kloppenborg: ''Die Synoptischen Evangelien, die Logienquelle (Q) und der historische Jesus''. In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S.&nbsp;130–137, hier S. 137: „Die synoptischen Evangelien und die Logienquelle bieten … vielgestaltige, mitunter widersprüchliche Zugänge, deren Unterschiede sich einer Vereinheitlichung zu einem Jesusbild oftmals widersetzen.“</ref> Ihre ältesten Bestandteile stammen von [[Nachfolge Jesu|Nachfolgern Jesu]] aus [[Galiläa]], die die [[Jerusalemer Urgemeinde]] gründeten und Jesu Worte zuerst mündlich, dann schriftlich weitergaben.
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[[Datei:3-Igreja da Imaculada Conceição Viqueque 2015-08-22.jpg|mini|Herz-Jesu-Statue in [[Osttimor]] als König mit timoresischen Herrscherinsignien [[Kaibauk]] und [[Belak (Schmuck)|Belak]]]]
 
''Jesus Christus'' ([[Latinisierung]] des [[Altgriechische Sprache|griechischen]] {{lang|grc|Ἰησοῦς Χριστός}})<ref>[https://www.duden.de/rechtschreibung/Jesus_Christus Duden:ist ''Jesuseine Christus,im der'']:Urchristentum Lateinischentstandene dekliniertund lautenbis derheute Genitiv:verbreitet ''Jesuübliche Christi'',Bezeichnung Dativfür und[[Jesus Ablativ:von ''Jesu Christo'', Akkusativ: ''Jesum Christum''Nazaret]]. ImSie Deutschensetzt istsich heuteaus nur noch der lateinische Genitiv gebräuchlich, in derdem [[LiturgiePersonenname]]n auch der ''[[Vokativ]]Jesus (AnrufName) |Jesus]]''Jesu Christe''und („O Jesus Christus!“).</ref> ist dasdem zum Namen konzentrierte [[GlaubensbekenntnisBeiname|Beinamen]] dergewordenen [[Urchristentum#Christologische Hoheitstitel|UrchristenTitel]] ''Christus'' zusammen. ''Jesus'' (griech. {{lang|grc|Ἰησοῦς|Iēsūs}}) ist die [[Gräzisierung|griechische Form]] des [[Hebräische Sprache|hebräisch]]-[[Aramäische Sprachen|aramäischen]] Vornamens ''Jeschua'' oder ''Jeschu'', beides Kurzformen von ''[[Jehoschua]]''. ''Christus'' ist die latinisierte Form des griechischen Wortes[[Verbalsubstantiv|Verbalsubstantivs]] {{lang|grc|Χριστός|Christós}}, das das hebräische Wort {{Hehe|משיח&lrm;|maschiach}} (griechische Übertragung {{lang|grc|Μεσσίας|de=Gesalbter}}, siehe [[Messias]]) übersetzt. In den Schriften des [[Tanach]] wird die Salbung mit Öl als göttliche Beauftragung für einen besonderen Dienst beschrieben, insbesondere wurden Jerusalemer Könige und die [[Jerusalemer Hohepriester|Hohepriester]] sowie [[Kohanim|Priester]] des Jerusalemer Tempels gesalbt.<ref name="ABDChrist">{{Literatur|Autor=Marinus De Jonge| Titel= Christ| Sammelwerk= The Anchor Bible Dictionary| Herausgeber=David Noel Freedman| Ort= New York, N.Y. etc.| Verlag= Doubleday | Jahr=1992 |Band=1| ISBN= 0-385-19351-3| Seiten=914f. |Sprache=en }}</ref> Als ''maschiach'' erwartete man einen Nachkommen König [[David]]s als künftigen Regenten.<ref>{{Literatur|Autor=Ben F. Meyer| Titel= Jesus Christ| Sammelwerk= The Anchor Bible Dictionary| Herausgeber=David Noel Freedman| Ort= New York, N.Y. etc.| Verlag= Doubleday | Jahr=1992 |Band=3| ISBN= 0-385-19361-0| Seiten=773 |Sprache=en }}</ref> Im Neuen Testament bezeichnet „der Gesalbte“ (griech. {{lang|grc|ὁ Χριστός|ho Christós}}) Jesus von Nazaret als den auferstandenen Messias der [[Endzeit]].
 
Der Name ''Jesus Christus'' entstand aus dem Bekenntnissatz ‚Jesus (ist) Christus‘. Die Urchristen identifizierten [[Jesus von Nazaret]] mit dem im [[Altes Testament|Alten Testament]] verheißenen [[Messias]] (griechisch latinisiert ''Christus'').<!-- BITTE BELEGEN: Somit stellt ''Jesus Christus'' das zum Namen konzentrierte [[Glaubensbekenntnis]] der [[Urchristentum|Urchristen]] dar. -->
 
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! Hebräisch !! Griechische<br />Übertragung !! Griechische<br />[[Übersetzung (Linguistik)|Übersetzung]] !! Lateinische<br />Übertragung !! Deutsche<br />Übersetzung
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| {{Hehe|יהושוע&lrm;}}<br />''[[Jehoschua]]<br /> (Jeschua, [[Jeschu]])'' || {{lang|grc|Ἰησοῦς}}<br />''IēsousIēsus'' || || Iesus,<br /> [[Jesus (Name)|Jesus]] || Gott rettet
|-
| {{Hehe|משיח&lrm;}}<br />''Maschiach'' || {{lang|grc|Μεσσίας}}<br />''Messias'' || {{lang|grc|Χριστός}}<br />''Christos'' || Christus<br /> || Gesalbter
|}
 
=== Deklination ===
Im Deutschen wurde ''Jesus Christus'' bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts<ref>{{Literatur |Hrsg=Lutherisches Kirchenamt Hannover |Titel=Lutherische Generalsynode 1957. Bericht über die dritte Tagung der zweiten Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 19. bis 23. Mai 1957 in Hamburg |Hrsg=Lutherisches Kirchenamt Hannover |Verlag=Lutherisches Verlagshaus Berlin und Hamburg |Datum=1966 |Seiten=185–186}}</ref> konsequent lateinisch [[Deklination (Grammatik)|dekliniert]]: „Jesus Christus, unser Heiland<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bach-digital.de/receive/BachDigitalWork_work_00000775 |titel=Bach digital - Jesus Christus, unser Heiland (18 Choräle) BWV 665 |abruf=2022-09-29}}</ref> “ ([[Nominativ]]) – „Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sei mit euch allen ([[2. Brief des Paulus an die Thessalonicher|2 Thess]] 3,18<ref>{{Internetquelle |autor=Martin Luther |url=https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU12/2TH.3.18 |titel=Lutherbibel 1912, 2. Thessalonicher 3 |werk=die-bibel.de |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |abruf=2022-09-29}}</ref>)“ ([[Genitiv]]) – „Darum kann ich mich rühmen in Jesu Christo, daß ich Gott diene“ ([[Brief des Paulus an die Römer|Röm]] 15,17<ref>{{Internetquelle |autor=Martin Luther |url=https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU12/ROM.15.17 |titel=Lutherbibel 1912, Römer 15 |werk=die-bibel.de |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |abruf=2022-09-29}}</ref>) ([[Dativ]]) – „O Mensch, schau Jesum Christum an<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bach-digital.de/receive/BachDigitalWork_work_00000473 |titel=Bach digital - O Mensch, schau Jesum Christum an BWV 403 |abruf=2022-09-29}}</ref> “ ([[Akkusativ]]) – „O Jesu Christe, wahres Licht<ref>{{Literatur |Autor=Johann Heermann |Titel=O Jesu Christe, wahres Licht |Sammelwerk=Devoti musica cordis, Haus- und Hertz-Musica |Verlag=Verlag David Müller |Ort=Leipzig |Datum=1636 |Seiten=117 |Online=https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN688462375&DMDID=&PHYSID=PHYS_0127}}</ref> “ ([[Vokativ]]).
 
Heute ist noch der einfache Genitiv ''Jesu Christi'' gebräuchlich;<ref>{{Digitales Wörterbuch der deutschen Sprachedwds.de |Stichwort=Jesus |Abruf=2022-09-26}}</ref> in Zusammensetzungen wird meist die Nominativform verwendet („Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen“, {{B|2 Thess|3|18|LUT}}). Dativ und Akkusativ werden stets durch den Nominativ ersetzt, so auch der Vokativ mit Ausnahmen in der lutherischen Liturgie (z.&nbsp;B.„[[Laus tibi, Christe|Ehre sei dir, Christe, der du littest Not]]“).
 
=== Komponenten ===
==== Der Personenname Jesus ====
{{Hauptartikel|Jesus (Name)}}
Der Name ''[[Jesus (Name)|Jesus]]'' geht auf den [[Hebräische Sprache|hebräischen]] männlichen Personennamen ''[[Jehoschua]]'' ({{he|יְהוֹשֻׁעַ&lrm;|jəhōšuaʿ}}) und dessen Kurzform ''Jeschua'' ({{he|יֵשׁוּעַ&lrm;|jēšūaʿ}}) zurück. ''Jesus'' ist die [[Latinisierung|latinisierte]] Form von [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|Ἰησοῦς|Iēsûs}}. Mit {{lang|grc|Ἰησοῦς}} übersetzte die [[Septuaginta]] sowohl den Namen ''Jehoschua'' ({{he|יְהוֹשֻׁעַ&lrm;|jəhōšuaʿ}}) als auch dessen Kurzform ''Jeschua'' {{he|יֵשׁוּעַ&lrm;|jēšūaʿ}} ins Griechische.<ref>[[Karl Heinrich Rengstorf]], [[Klaus Haacker]]: ''Jesus Christus.'' In: ''Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament.'' 3. Sonderauflage. R. Brockhaus, Wuppertal 2014, S. 1052.</ref> Ab ca. 500 v. Chr. ersetzte die Kurzform die Langform weitestgehend.<ref>Werner Foerster: ''Ἰησοῦς''. In: ''Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament.'' Band 3, Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1938 (Nachdruck 1990), ISBN 3-17-011204-X, S. 285.</ref> Die Hebräische Bibel verwendet beide Formen zum Teil für identische Personen. Daran erkennt man, dass es sich bei ''Jehoschua'' und ''Jeschua'' nur um verschiedene Formen ein- und desselben Namens handelte. Im Anschluss an [[Lutherbibel|Luther]] wurde es im Deutschen allerdings üblich, diesen Namen nur im Neuen Testament mit ‚Jesus‘, im Alten Testament hingegen mit ‚Josua‘ oder ‚Jeschua‘ zu übersetzen. Dadurch wurde verdunkelt, dass Jesus von Nazaret im Bewusstsein seiner Zeitgenossen denselben Namen trug wie z. B. [[Josua, der Sohn Nuns]].<ref>{{Internetquelle |autor=[[Christoph Rösel]] |url=https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/jeschua/ch/85d1ba787b65d9ffb7242930c7f584be/ |titel=Jeschua |werk=WiBiLex |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |datum=2012-03 |abruf=2024-04-22}}</ref>
 
Die Bedeutung des Namens lässt sich aus seinen ursprünglichen Komponenten ableiten: ''Jehoschua'' ({{he|יְהוֹשֻׁעַ&lrm;}}) setzt sich aus einer Kurzform des Gottesnamens ''[[JHWH]]'' ({{he|יהוה&lrm;}}) und einer Form der hebräischen [[Wurzel (Linguistik)|Wurzel]] ''jascha' '' {{he|ישע&lrm;|jšʿ}} (‚helfen‘, ‚retten‘) zusammen,<ref>[[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 47; [[Martin Noth]], ''Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung.'' Kohlhammer, Stuttgart 1928, 154.</ref> so dass sich als Bedeutung ergibt: „JHWH hilft/rettet“ oder: „JHWH ist Retter / Rettung / Hilfe“.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Christoph Rösel]] |url=https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/jeschua/ch/85d1ba787b65d9ffb7242930c7f584be/ |titel=Jeschua |werk=WiBiLex |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |datum=2012-03 |abruf=2024-04-22}}</ref> In der Kurzform ''Jeschua'' trat der Bezug zum Gottesnamen zurück. Daher brachte die antike [[Etymologie]] den Namen ''Jesus'' meist nur mit dem hebräischen Verb ''jascha''' {{he|ישע&lrm;|jšʿ}} (‚helfen‘, ‚retten‘) bzw. dem Substantiv {{he|יֵשׁוּעַה&lrm;|jəšuʿah}} (‚Rettung‘, ‚Heil‘) in Verbindung.<ref>Werner Foerster: ''Ἰησοῦς''. In: ''Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament.'' Band 3, Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1938 (Nachdruck 1990), ISBN 3-17-011204-X, S. 290; [[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 47; John Nolland: ''The Gospel of Matthew. A Commentary on the Greek Text.'' Eerdmans, Grand Rapids / Cambridge, S. 98. Vgl. die Deutung des Namens Josua/Jesus in {{B|Sir|46|1}}.</ref>
 
Den Evangelisten [[Evangelium nach Matthäus|Matthäus]] und [[Evangelium nach Lukas|Lukas]] zufolge erhielt Jesus von Nazaret seinen Personennamen aufgrund eines durch [[Engel]] übermittelten, göttlichen Auftrags ({{B|Mt|1|21}}; {{B|Lk|1|31}}). In {{B|Mt|1|21}} lautet die Begründung für die Namenswahl: „denn er wird sein Volk von seinen Sünden retten.“ Dies spielt erkennbar auf die Bedeutung des Namens an.<ref>[[Karl Heinrich Rengstorf]], [[Klaus Haacker]]: ''Jesus Christus.'' In: ''Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament.'' 3. Sonderauflage. R. Brockhaus, Wuppertal 2014, S. 1053.</ref> Auch viele weitere Stellen im Neuen Testament bringen Jesus mit Rettung in Verbindung. [[Martin Karrer]] folgert daraus: „Das Neue Testament kennt und nutzt die etymologische Bedeutung [des Namens Jesus].“<ref>[[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 47. Als Belegstellen verweist Karrer u. a. auf {{B|1 Thess|1|10}}, {{B|Mk|15|31}}, {{B|Apg|13|23}}, {{B|1 Tim|1|15}} sowie auf den Ruf ''[[Hosanna]]'' (‚hilf/rette doch‘) beim [[Einzug in Jerusalem]] ({{B|Mk|11|9}} u.ö.), welcher ebenfalls auf die hebräische Wurzel jascha' {{he|ישע&lrm;|jšʿ}} zurückgeht.</ref>
 
==== Der Beiname Christus ====
 
''Zu ‚Christus‘ als Hoheitstitel siehe auch: [[Messias]] sowie [[Christologische Hoheitstitel]]''
 
''Christus'' ist ein jüdischer Hoheitstitel, der im Urchristentum zum Beinamen für Jesus von Nazaret wurde. In seiner Funktion ähnelt er [[Ehrentitel|Ehrennamen]], wie sie in der griechisch-römischen [[Antike]] Herrschern verliehen wurden (vgl. ''[[Augustus]]'' oder ''[[Antiochus IV.|Epiphanes]]'').<ref>[[Stefan Schreiber (Theologe)|Stefan Schreiber]]: ''Die Anfänge der Christologie''. Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2015, S. 67 mit Verweis auf Matthew V. Novenson: ''Christ among the Messiahs: Christ Language in Paul and Messiah Language in Ancient Judaism.'' Oxford University Press, Oxford 2012, S. 87–97.</ref>
 
Das griechische [[Verbalsubstantiv]] {{lang|grc|Χριστός|Christós}} (latinisiert ''Christus'') stammt vom Verb {{lang|grc|χρίειν|chríein}} ‚bestreichen‘ ab und bedeutet somit wortwörtlich ‚Bestrichener‘.<ref>[[Karl Heinrich Rengstorf]], [[Klaus Haacker]]: ''Jesus Christus.'' In: ''Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament.'' 3. Sonderauflage. R. Brockhaus, Wuppertal 2014, S.1090: „Das Verbaladj. {{lang|grc|χριστός|[christọs]}} kennzeichnet einen Gegenstand oder eine Person als ''bestrichen'', ''getüncht'', ''geschminkt'', ''gefärbt'', ''angestrichen'', ggf. auch als ''gesalbt'' und enthält ebenfalls keine Würdeaussage, tendiert vielmehr, auf Menschen bezogen, mehr zum Despektierlichen.“</ref> Im biblischen Kontext übersetzt {{lang|grc|Χριστός|Christós}} hebräisch {{he|משיח&lrm;|maschiach}} bzw. aramäisch {{he|משיחא&lrm;|meschicha}} ‚Gesalbter‘, womit im [[Hellenistisches Judentum|Judentum]] zur Zeit Jesu neben großen [[Prophet|Propheten]] der Vergangenheit auch [[Endzeit|endzeitliche]] Heilsgestalten bezeichnet wurden.<ref>[[David du Toit]]: ''Christologische Hoheitstitel''. In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 515–526, hier S. 518.</ref> Zu hebräisch {{he|משיח&lrm;|maschiach}} entstand auch die griechische [[Transkription (Schreibung)|Transkription]] {{lang|grc|Μεσσίας|de=Messias}}. ''Christus'' ist im Kontext des Urchristentums somit ein Synonym für ''Gesalbter'' (= ‚Messias‘).<ref>[[Stefan Schreiber (Theologe)|Stefan Schreiber]]: ''Die Anfänge der Christologie''. Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2015, S. 67. Vgl. {{B|Joh|1|41}}: „… Messias, was übersetzt bedeutet: Christus.“</ref>
 
Im [[Neues Testament|Neuen Testament]] erscheint neben ''Jesus Christus'' (ca. 135 Belege) häufig auch die Variante ''Christus Jesus'' (ca. 95 Belege). Dies spricht dafür, dass ''Christus'' nicht direkt zu einem bloßen Namen ohne Inhalt verblasste, sondern die titulare Bedeutung ‚Messias‘ zunächst erhalten blieb.<ref>Stefan Schreiber, ebd.; [[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 140; [[Gerhard Schneider (Theologe, 1926)|Gerhard Schneider]]: ''{{lang|grc|Ἰησοῦς}}''. In: ''Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament.'' 3. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2011, Sp. 445f; [[Ferdinand Hahn (Theologe)|Ferdinand Hahn]]: ''{{lang|grc|Χριστός}}''. In: ''Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament.'' 3. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2011, Sp.1149.1165.</ref> An anderen Stellen ersetzt ''(der) Christus'' den Personennamen wie z. B. in {{B|Mt|1|17}}, nachdem es unmittelbar zuvor hieß: „Jesus, der Christus genannt wird“ ({{B|Mt|1|16}}).<ref>Vgl. Ferdinand Hahn, ''{{lang|grc|Χριστός}}'', Stuttgart 2011, Sp. 1159.</ref> Dass die Urchristen Jesus als ''Christus'' bezeichneten und verehrten, war für sie so typisch, dass seine Anhänger schon bald ''Christianer'' (und bis heute ''Christen'') genannt wurden ({{B|Apg|11|26}}, vgl. [[Tacitus]], Annalen 15,44,13).<ref>[[Petr Pokorný]]: ''Jesus Christus. I. Name und Titel. 2. Jesus als Christus.'' In: ''[[Religion in Geschichte und Gegenwart]]'' (RGG). 4. Auflage. Band 4, Mohr-Siebeck, Tübingen 2001, Sp. 467. Tacitus sprach von „Chrestianern“. Dabei verwechselte er wohl - wie schon [[Sueton]] vor ihm – „Christus“ mit dem geläufigen Sklavennamen „Chrestus“. Vgl. [[Jürgen Roloff]]: ''Jesus Christus. I. Name und Titel. 1. Jesus von Nazareth.'' In: ''[[Religion in Geschichte und Gegenwart]]'' (RGG). 4. Auflage. Band 4, Mohr-Siebeck, Tübingen 2001, ebd. (RGG), Sp. 464.</ref>
Heute ist noch der einfache Genitiv ''Jesu Christi'' gebräuchlich;<ref>{{Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache |Stichwort=Jesus |Abruf=2022-09-26}}</ref> in Zusammensetzungen wird meist die Nominativform verwendet („Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen“, {{B|2 Thess|3|18|LUT}}). Dativ und Akkusativ werden stets durch den Nominativ ersetzt, so auch der Vokativ mit Ausnahmen in der lutherischen Liturgie (z.&nbsp;B.„[[Laus tibi, Christe|Ehre sei dir, Christe, der du littest Not]]“).
 
=== InterpretationenEntstehung ===
Ursprünglich war die Wendung ''Jesus Christus'' verbindetkein Name, undsondern Titel:ein Indem[[Christliche derGlaubensbekenntnisse|Glaubensbekenntnis]]. männlicheBei Artikel''Jesus desChristus'' Titelshandelte entfällt,es wirdsich dieserwohl anstellezunächst einesum Verbseinen zuaus einerdem [[AppositionHebräische Sprache|Hebräischen]] desoder Vornamens[[Aramäische undSprachen|Aramäischen]] damitins zum[[Altgriechische EigennamenSprache|Griechische]] des Trägers. Somit ist ''Jesus Christus'' ein griechischerübersetzten [[Nominalsatz]], der aussagt: ‚Jesus (ist) derChristus Gesalbte‘(= [[Messias]])‘.<ref>Die [[Copula (Linguistik)|Copula]] („ist“) kann im Griechischen wie auch im Hebräischen und Aramäischen entfallen,. vglVgl. [[Franz Mußner]]: ''Der „historische“ Jesus''. In: Ders., ''Jesus von Nazareth im Umfeld Israels und der Urkirche'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament''. Band 111). Mohr Siebeck, Tübingen 1999, S. 43–61, hier S. 44; [[Gerhard Schneider (Theologe, 1926)|Gerhard Schneider]]: ''{{lang|grc|Ἰησοῦς}}''. In: ''Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament.'' 3. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2011, Sp.446.</ref> Damit identifizierten seinedie AnhängerUrchristen dender [[Jerusalemer Urgemeinde]] Jesus von Nazaret mit dem erwarteten jüdischen Heilsbringer. Schon sehr bald, vermutlich im [[Hellenisten|historischenfrühesten Jesusgriechischsprachigen Judenchristentum]], ausmuss ''Christus'' dann von einer [[NazarethPrädikation]] mitzu demeiner erwarteten[[Apposition]] jüdischenund Heilsbringer.von Daseinem warTitel fürzu sieeinem sotitularen typischBeinamen geworden sein.<ref>[[Karl Heinrich Rengstorf]], dass[[Klaus manHaacker]]: die''Jesus GruppeChristus.'' selbstIn: als''Theologisches „Christianer“Begriffslexikon bezeichnetezum Neuen Testament.'' 3. Sonderauflage. R. Brockhaus, Wuppertal 2014, S. 1096; [[Ferdinand Hahn (Theologe)|Ferdinand Hahn]]: ''{{Blang|Apggrc|11|26Χριστός}}''. In: ''Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament.'' 3. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2011, vglSp.1165.</ref> TacitusDies zeigt, Annalenwelch 15hohen Stellenwert der Christustitel in der [[Christologie]] der ersten Christen innehatte.<ref>[[Karl Heinrich Rengstorf]],44 [[Klaus Haacker]]: ''Jesus Christus.'' In: ''Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament.'' 3. Sonderauflage. R. Brockhaus,13) Wuppertal 2014, S. 1099.</ref>
 
Ermöglicht wurde die Verdichtung des Prädikats ''Christus'' zu einem Beinamen durch die damalige Doppelnamenpraxis. Beachtlich ist, dass dem Namen ''Jesus'' in der Begegnung mit der [[hellenistisch]]-[[Römisches Reich|römischen]] Umwelt kein – wie bei Namen [[Semitische Sprachen|semitischen]] Ursprungs üblich - zweiter griechischer oder lateinischer Personenname beigefügt wurde.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 46.</ref> Sowohl ‚Jesus‘ als auch ‚Christus‘ verwiesen damalige Hörer auf die Herkunft des Namensträgers aus dem antiken [[Judentum]].<ref>Vgl. Martin Karrer, Göttingen 1998; [[David du Toit]]: ''Christologische Hoheitstitel''. In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 515–526, hier S. 519.</ref> Dass sich ''Jesus Christus'' auch über das [[Judenchristentum]] hinaus als Name für Jesus von Nazaret durchsetzen konnte, erklärt [[Martin Karrer]] mit der Anschlussfähigkeit des ''Christus''-Begriffs an damalige [[Religion|religiöse]] Vorstellungen: Aufgrund der im [[Mittelmeerraum]] verbreiteten Praxis sakraler [[Salbung|Salbungen]] hätten auch Nichtjuden bei ''Christos'' (= ‚Gesalbter‘) an eine Person gedacht, die „singulär der Gottheit verbunden sei und heilvolles Geschehen ausstrahle“.<ref>[[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 141.</ref>
Obwohl Je(ho)schua/Jesus ein damals häufiger, üblicher Name war,<ref>[[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament''. Göttingen 1998, S. 47.</ref> interpretiert ihn der Evangelist Matthäus in {{B|Mt|1|21}} als Hinweis auf eine besondere Würde des Namensträgers: Ein Engel gibt Josef im Traum den Auftrag, das Kind, mit dem seine Verlobte Maria schwanger sei, Jesus zu nennen, „denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ Die Formulierung ist von {{B|Ps|130|8}} beeinflusst,<ref>Und zwar in der griechischen Fassung des [[Septuaginta-Psalter]]s: „er selbst wird Israel erlösen von allen seinen gesetzlosen Taten.“ Übersetzung nach: Wolfgang Kraus, Martin Karrer (Hrsg.): ''Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung''. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2009, S. 883.</ref> trifft die hebräische Bedeutung des Namens allerdings nicht genau. Er enthält mit der Vorsilbe ''Je-'' eine Kurzform des Gottesnamens [[JHWH]] und eine Verbform von ''jaša'' („helfen“, „retten“). Er verweist also auf Gottes Handeln („Gott hilft“, „Gott rettet“), etwa in {{B|Sir|46|1}}, oder appelliert daran („Gott helfe“).<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' S. 47 und Fn. 76. Vgl. auch [[Karl Heinrich Rengstorf]]: Artikel ''Jesus Christus.'' In: ''Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament.'' Brockhaus, 9. Auflage, 1993, S. 757. und [[Martin Noth]]: ''Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung.'' 1928, S. 154.</ref> [[Ulrich Luz]] schlussfolgert: „Vermutlich wußte man in einem griechischsprachigen Milieu, daß der Name Jesus irgend etwas mit Gottes Hilfe zu tun hatte.“<ref>Ulrich Luz: ''Das Evangelium nach Matthäus'' (= ''Evangelisch-Katholischer Kommentar''. Band 1/1). Benziger, Zürich / Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 4. Auflage 1997, S. 101. Vgl. auch die Deutung des Namens Je(ho)schua/Jesus durch den zeitgenössischen jüdischen Philosophen [[Philon von Alexandria]] ([http://www.earlyjewishwritings.com/text/philo/book20.html De mutatione nominum] 121f.): „Heil des Herrn“.</ref> Sündenvergebung ist im Matthäusevangelium ein wesentliches Element der irdischen Wirksamkeit Jesu und deutet im Kelchwort {{B|Mt|26|28}} auch seinen Tod.<ref>[[Matthias Konradt]]: ''Das Evangelium nach Matthäus'' (= ''Das Neue Testament Deutsch''. Band 1 der Neubearbeitung), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, S. 37.</ref>
 
=== Der Name Jesus Christus in den Paulusbriefen ===
[[Paulus von Tarsus]] schrieb den [[Brief des Paulus an die Philipper|Brief an die Philipper]] in römischer Haft (um 60 n. Chr.)<ref>Udo Schnelle: ''Paulus: Leben und Denken'' (Reihe: De Gruyter Studium). De Gruyter, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage Berlin/Boston 2014, S. 393–398.</ref> oder etwas früher. Dieses Schreiben enthält in {{B|Phil|2|9–116–11}} den sogenannten [[Philipperhymnus]], der die Selbsterniedrigung des Christus Jesus beschreibt, der gottgleich gewesen sei, aber wie ein Mensch, ja wie ein Sklave gelebt habe und am Kreuz gestorben sei. Darauf folgte seine Erhöhung durch Gott, der ihm einen Namen verliehen habe, der größer sei als alle Namen und dem alle Wesen im Himmel, auf Erden und unter der Erde huldigten „und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Nach der Analyse von Ralph Brucker handelt es sich bei diesem Text nicht um einen von Paulus übernommenen älteren urchristlichen Hymnus, sondern um Text in gehobenem Stil („Pathosgehalt und ästhetisch-rhetorische Gestaltung“), den Paulus wie den Rest des Briefes selbst verfasst habe.<ref>Ralph Brucker: ''„Christushymnen“ oder „epideiktische Passagen“?: Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, S. 307. ([https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00040115_00314.html Online]) Dass der Text den Kriterien eines antiken Hymnus nicht entspricht, ist Konsens. [[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]] schlug deshalb die Bezeichnung „Christus-Enkomion“ vor; da der Text nur die Haltung Christi rühmt, nicht seine einzelnen tatenTaten, bevorzugt Brucker (ebd., S. 319) die Charakterisierung als Epainos.</ref> Samuel Vollenweider verweist darauf, dass der Briefkontext starken Bezug auf die zeitgenössische politische Rhetorik nimmt. Seine eigenen Interessen zurückzustellen, um den Gemeinwesen zu dienen, war darin positiv konnotiert. Das Christuslob in Phil 2,9–11 liest die neuere Exegese vor dem Hintergrund des [[Kaiserkult]]s im [[Prinzipat]] (Titel Kyrios, [[Akklamation]] und [[Proskynese]]). Aber die Selbstzurücknahme des Herrschers, wie sie auch in hellenistisch-römischen Fürstenspiegeln empfohlen werden konnte, wird durch die Kreuzigung des Christus radikal überboten. So verkehrt der Autor zeitgenössische Konzepte von Ehre und Schande ins Gegenteil.<ref>Samuel Vollenweider: ''Politische Theologie im Philipperbrief?'' In: Dieter Sänger, Ulrich Mell (Hrsg.): ''Paulus und Johannes: exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Literatur''. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 457–469, hier S. 463–465. ([https://www.academia.edu/5245210/Vollenweider_Politische_Theologie_im_Philipperbrief Online])</ref>
 
Unabhängig davon, ob der Philipperhymnus ein liturgischer Text war, geht die Exegese weithin davon aus, dass die [[Paulusbriefe]] bei der gottesdienstlichen Versammlung der Adressatengemeinde verlesen wurden und deshalb am Anfang und am Schluss liturgische Christus-Formeln aufweisen. Jesus Christus wird in diesen Formeln „als die Quelle der Gnade betrachtet, die performativ der Gemeinde zugesprochen wird.“<ref>{{RGG|4|472|475|Jesus Christus II. Jesus Christus in der Geschichte des Christentums 2. Liturgiegeschichte|Gordon W. Lathrop}}</ref>
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Im Neuen Testament bezieht sich der Kyrios-Titel auf die Heiligkeit, Machtfülle und Weltherrschaft Jesu Christi. Besonders {{B|Ps|110|1}} wurde zur Übertragung des Titels von Gott auf Jesus herangezogen (vgl. {{B|Mt|22|44}}):<ref>K. Woschitz: ''Art. „Herr“ (NT)'', NBL, Bd. 2, Spalte 129.</ref>
{{Zitat
{{Zitat |Text=So spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter deine Füße.}}
}}
 
Im zeitgenössischen griechischsprachigen Judentum, zum Beispiel bei [[Flavius Josephus]], wurde der eine Gott Israels oft als {{grcS|δεσπότης &lrm; |despótēs}} „Gebieter“ bezeichnet; auch dieser Titel wird im Neuen Testament auf Jesus übertragen ({{B|2 Petr|2|1}}). Hier bereitet sich eine Allherrscher-Christologie vor (Christus als [[Pantokrator]]).<ref name=":0" />
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=== Sohn Gottes ===
In der [[Hebräische Bibel|Hebräischen Bibel]] wurden himmlische Wesen ({{B|Ps|89|7}}) sowie Jerusalemer Könige ({{B|2 Sam|7|14}}; {{B|Ps|2|7}}) manchmal als „Söhne Gottes“ bezeichnet. Diese Bezeichnung für Herrscher war in der nichtjüdischen Umwelt weiter verbreitet. In jüdischen Texten aus hellenistischer Zeit konnten auch einzelne Gerechte „Söhne Gottes“ genannt werden;<ref name=":1">{{RGG|7|1416|1418|Sohn Gottes II. Als christologischer Titel im Neuen Testament|[[Martin Karrer]]}}</ref> ein Beispiel ist die Rede der Frevler im [[Buch der Weisheit]] ({{B|Weish|2|16–18}}):<ref>Übersetzung: [[Wolfgang Kraus (Theologe)|Wolfgang Kraus]], Martin Karrer (Hrsg.): ''Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung''. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2009, S. 1060.</ref>
<poem style="margin-left: 2em">
{{"|[Der arme Gerechte] prahlt, Gott sei sein Vater.
Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind,
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=== Gott ===
Den neutestamentlichen Schriften zufolge nannte sich Jesus nie selbst „Gott“. Im Johannesevangelium spricht [[Thomas (Apostel)|Thomas]] den Auferstandenen mit „Mein Herr und mein Gott!“ an ({{B|Joh|20|28}}). Sein Glaubensbekenntnis ist, so [[Johannes Beutler]], für die Komposition des vierten Evangeliums von besonderer Bedeutung. Denn Thomas stehe als Identifikationsfigur für die Christen, die Jesus zu Lebzeiten nicht kannten, durch die Osterbotschaft anderer Christen missioniert wurden und dann zu einem eigenen Osterglauben vorstießen. Das Thomasbekenntnis in Joh 20,28 weist zurück auf den [[Evangelium nach Johannes|Johannesprolog]] ({{B|Joh|1|1}}; {{B|Joh|1|18}}), so dass das Thema der Gottheit Christi dieses Evangelium rahmt.<ref>Johannes Beutler: ''Das Johannesevangelium''. Herder, 2. Aufl. Freiburg/Basel/Wien 2016, S. 530f530 f. und 535.</ref>
 
Auch in mehreren Briefen wird Jesus ausdrücklich als Gott bezeichnet:
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=== Sohn Davids ===
Als „Sohn Davids“ wird ein Nachfahre von König [[David]] bezeichnet. Auf David bezogen sich in der Hebräischen Bibel verschiedene Traditionen.<ref name="NBLMessias">{{Literatur |Autor=Bernhard Lang, Dieter Zeller |Titel=Messias/Christus |HerausgeberHrsg=Manfred Görg, Bernhard Lang |Titel=Messias/Christus |Sammelwerk=Neues Bibel-Lexikon |Band=Band 2 |Verlag=Benziger |Ort=Zürich |JahrDatum=1995 |ISBN=3-545-23075-9 |Seiten=782–785}}</ref> Das [[Buch Samuel]] stellte ihn als Eroberer und Begründer eines großen Reiches dar ([[Davidisch-salomonisches Großreich]]); er erhielt {{B|2 Sam|7|13f}} zufolge die Zusage ewiger Thronfolge, nachdem er den Wunsch geäußert hatte, [[JHWH]] in Jerusalem einen Tempel zu erbauen.<ref>Thilo Alexander Rudnig: ''König ohne Tempel. 2 Samuel 7 in Tradition und Redaktion''. In: ''Vetus Testamentum'' 61/3 (2011), S. 426–446.</ref> Dies habe dann sein Sohn Salomo verwirklicht. Das später verfasste [[Buch der Chronik]] steigert die Bedeutung Davids als Vorbereiter des Tempelbaus und Organisator des Tempelkults, so dass Salomo hauptsächlich die Pläne seines königlichen Vaters ausführt.<ref>[[Georg Steins]]: ''Die Bücher der Chronik''. In: [[Christian Frevel]] (Hrsg.): ''Einleitung in das Alte Testament''. 9., aktualisierte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2016, S. 312–330.</ref> Daran knüpfte die Exilsprophetie nach dem Untergang des Königtums an: Der Messias wurde als später „Spross“ der Davidsdynastie erhofft ({{B|Jes|11|1}}). In {{B|Mt|1|6–17}} werden die Vorfahren Jesu aus dem Geschlecht Davids genau aufgelistet und in einen historischen Bezug gesetzt.
 
Unter den Schriftrollen vom Toten Meer gibt es einen Text, die dieses Messiasbild mit der vom Volk erhofften gerechten Rechtsprechung für die Armen und Heilung der Kranken verbindet:<ref name="NBLMessias" /> Die sogenannte messianische Apokalypse 4Q521 zählt aus den Psalmen und dem Buch Jesaja Wohltaten auf, die der Messias für die notleidende Bevölkerung vollbringt, und verbindet sie mit der Hoffnung auf Auferstehung. Hier besteht eine Parallele zu {{B|Lk|7|22}}/{{B|Mt|11|5}}. [[Daniel Stökl Ben Ezra]] vermutet eine gemeinsame schriftliche Vorlage. Allerdings kann sich der fragmentarisch erhaltene Text 4Q521 statt auf einen auch auf mehrere Messiasse beziehen.<ref>Daniel Stökl Ben Ezra: ''Qumran. Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum''. Mohr Siebeck, Tübingen 2016, S. 325f.</ref> Wo Jesus im Neuen Testament Sohn Davids genannt wird, stehen derartige Erwartungen im Vordergrund. Dem hat Jesus nicht widersprochen ({{B|Mk|10|46–52}}).
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==== Zweiter oder letzter Adam ====
Paulus nennt Jesus den „zweiten“ oder „letzten [[Adam und Eva|Adam]]“ und bezieht ihn damit auf den ersten Menschen in der biblischen [[Genesis (Bibel)#Schöpfungsgeschichte|Schöpfungsgeschichte]]. Er beschreibt ihn nicht als seinen Nachkommen, sondern als heilenden Gegensatz: Gegenüber dem aus Erde geschaffenen, durch seine Sünde den Tod für die Menschen auslösenden Adam ({{B|Röm|5|12}}) komme Jesus „vom Himmel“ ({{B|1 Kor|15|47}}) und habe den Tod für die Menschen überwunden ({{B|Röm|5|17f}}). Im Gegensatz zur irdischen ({{B|1 Kor|15|45}}) verkörpere Jesus die [[pneuma]]tische Existenzform, die er selbst wirkend erschaffe ({{B|1 Kor|15|47}}). Wie Adam zum Stammvater der sündigen Menschheit geworden sei, so gehe aus Jesus die himmlische Gemeinde als [[Leib Christi]] hervor ({{B|1 Kor|15|48}}; vgl. {{B|Kol|1|18}}).[[Datei:Icon with Christ the Vine (16th c.) (8384468942).jpg|mini|Ikone ''Christus, der Weinstock'' (Angelos Akotantos, Kreta, 16. Jahrhundert). Museum für Byzantinische und Christliche Kunst, Athen]]
 
Zudem finden sich im NT weitere Titel und Attribute für Jesus Christus:
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* Bruder ({{B|Hebr|2|11}})
* Ebenbild Gottes ({{B|Kol|1|15}})
* [[Eckstein#ÜbertrageneSymbolische Bedeutung|Eckstein]] ({{B|Eph|2|20}})
* [[Eingeborener Sohn]] ({{B|Joh|1|14.18|Lut}}; {{BB|Joh|3|16.18|Lut}} und {{BB|1 Joh|4|9|Lut}})
* [[Erstgeborener]] (der Schöpfung: {{B|Kol|1|15}}; von den Toten: {{B|Offb|1|5}})
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Der Bericht beginnt mit Jesu Ankunft in Jerusalem, gefolgt vom letzten Mahl im Rahmen eines [[Pessach]], Festnahme, Prozess, Übergabe, [[Kreuztragung Christi|Kreuztragung]], Kreuzigung und Grablegung. Eine Mehrheit der Exegeten nimmt an, dass dieser festgefügte Ablauf nicht erst vom Evangelisten Markus geschaffen wurde, sondern auf eine Quelle zurückgeht. Trotz vieler Versuche, diese aus historischen wie theologischen Gründen sehr interessante vormarkinische Quelle zu bestimmen, wurde in der Exegese hierzu kein Konsens erreicht.<ref>{{RGG|6|974|976|Passion/Passionsüberlieferung/Passionsgeschichte|[[Wolfgang Reinbold]]}}</ref>
 
Nach der Darstellung des Markusevangeliums nahm Jesus beim Pessachfest mit dem versammelten Zwölferkreis, der für ganz Israel stand und [[Judas Iskariot]] einschloss, ein festliches Mahl ein. Er nahm ein Trinkgefäß mit Wein und sagte {{Bibel|Mk|14|24}}: {{" |Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.}} Ob mit dem Ausdruck „für die Vielen“ als [[Aramäische Sprache|Aramaismus]] eine inklusive Vielzahl gemeint ist, also ein „für alle“, und eine Anspielung auf {{B|Jes|52|13 –53,12}} vorliegt, wird im Anschluss an [[Joachim Jeremias]] diskutiert.<ref>Joachim Jeremias: ''Das Lösegeld für Viele.'' In: ''Judaica'' 3 (1947), S. 249–264.</ref> Falls {{B|Jes|52|13 –53,12}} zum Verständnis herangezogen werden kann, macht dies eine universale Aussage wahrscheinlich, „die die Völkerwelt miteinschließt.“<ref>[[Eckhard J. Schnabel|Eckhard Schnabel]], Heinz-Werner Neudorfer: ''Das Studium des NT.'' R. Brockhaus, 2011, ISBN 978-3-417-29430-9, [https://books.google.de/books?id=3WTKRqHWkW0C&pg=PA139 S. 139.]</ref>
 
Das Stundenschema ({{B|Mk|15|33}}) stellt die Kreuzigung Jesu in einen [[Apokalyptik|apokalyptischen]] Verstehenshorizont; eine nahe Parallele ist [[4. Buch Esra]] 6,23f. „Daraus ergibt sich, daß die Stundenangabe … im Zusammenhang mit den Endereignissen zu betrachten ist. In ihr offenbart sich Gottes endgültiges Gericht und Heil.“<ref>[[Joachim Gnilka]]: ''Das Evangelium nach Markus'' ([[Evangelisch-Katholischer Kommentar]] zum Neuen Testament, Band 2/2). Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, S. 317.</ref> Auch die [[Finsternis bei der Kreuzigung Jesu]] steht in prophetisch-apokalyptischer Tradition (u.&nbsp;a. {{B|Am|8|9}}). Solche Einzelzüge der Erzählung betonen: Hier vollzieht Gott seinen vorherbestimmten Plan.<ref>Joachim Gnilka: ''Das Evangelium nach Markus'' ([[Evangelisch-Katholischer Kommentar]] zum Neuen Testament, Band 2/2). Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, S. 321.</ref> Hier läuft die Frist ab, die aller Gewaltherrschaft gesetzt ist ({{B|Dan|7|12}}). Der Text verkündet also: Das Endgericht über Israel und die Völkerwelt fand schon statt. Gott selbst habe seinen Sohn hingegeben, um Israel und alle Menschen aus diesem Gericht zu erretten.
 
Jesus betet am Kreuz mit Worten des [[Psalm 22|22. Psalms]] ({{B|Mk|15|34}}): {{" |Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?}}<ref>Ob mit dem Zitat von Ps 22,2 angedeutet werden soll, dass Jesus den ganzen Psalm am Kreuz gebetet habe (der im zweiten Teil eine Hoffnungsperspektive hat), ist in der neutestamentlichen Exegese umstritten. Vgl. als Vertreter dieser Deutung [[Hartmut Gese]]: ''Psalm 22 und das Neue Testament: Der älteste Bericht vom Tode Jesu und die Entstehung des Herrenmahles''. In: ''[[Zeitschrift für Theologie und Kirche]]'' 65/1 (1968), S. 1–22.</ref>
 
Dieser Psalm wurde seit dem Exil auf das ungerechte Leiden ganz Israels bezogen. Zu Unrecht zum Tod verurteilte Juden beteten so in [[Babylon]]ien, [[Römisches Reich|Rom]], [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz]], [[KZ Bergen-Belsen|Bergen-Belsen]] und anderswo. Jesu Gottverlassenheit hat eine exklusive und eine inklusive Seite. Als der für die Menschheit Gerichtete erleidet er das Gericht stellvertretend für die Menschheit: Nur er kann das, nur er tut das. Niemand anderes kann und soll das noch tun. Als der mit und für alle ungerecht Leidenden schreit er nach Gottes Gerechtigkeit.
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Beide Seiten sind nicht von der Geschichte des jüdischen Volkes zu trennen. Denn der Beter von Psalm 22 appelliert an den Gott des [[Auszug aus Ägypten|Exodus]] und stellt sein Leiden in Israels Gesamtgeschichte hinein. Er betet und leidet mit seinem und für sein Volk ([[Claus Westermann]]).
 
Markus überliefert einen Abschiedsschwur Jesu beim Passahmahl ({{B|Mk|14|25}}): {{" |Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes.}} Demgemäß lehnt er am Kreuz den Betäubungstrank seiner Henker ab ({{B|Mk|15|23}}), nimmt aber nach seiner Gerichtsklage ({{B|Mk|15|34}}) den Weinessig aus der Hand von Juden an, die hofften, der Prophet [[Elija]] werde ihn retten.
 
Das Gericht Gottes ist also für Markus nicht vom Eingehen ([[Kenosis]]) Jesu in die Leidens- und Hoffnungsgeschichte Israels zu trennen. Gerade im Sterben Jesu liege Hoffnung. Gott selbst sei darin präsent, leide und sterbe mit seinem Sohn. Gottes Reich werde kommen und alle Gewaltherrschaft überwinden. Jesus selber habe diese Zusage Gottes für alle hoffnungslos Versklavten und Gefolterten ultimativ bekräftigt, indem er sein Leben am Fest der Befreiung Israels für alle Völker hingab. So begründet die älteste narrative Deutung des Kreuzestodes Jesu eine unkündbare Solidarität von Christen mit Juden und allen zu Unrecht Verfolgten.
 
=== Deutungsmotive im NT ===
Die Urchristen deuteten Jesu Leiden und Tod großenteils mit biblischen Kategorien und Motiven, die ihnen vom Alten Testament, der Hebräischen Bibel, her zugänglich und bekannt waren. Die folgende Tabelle stellt diesdiese Motive vereinfacht dar, da zum Beispiel die Rezeption des Motivs vom leidenden Gottesknecht (Jes 53) differenziert verlief:<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' S. 173.</ref><ref>Christoph Böttigheimer: ''Glaubensnöte'', Herder Freiburg 2011, S. 73</ref>
 
{| class="wikitable"
Zeile 254 ⟶ 282:
| Dahingabe || Synoptische Evangelien, Paulus, Epheser- und Kolosserbrief, 1. Petrusbrief
|-
| Erfüllung der Schrift, Heilsgeschichte („muss“) || Synoptische Evangelien, Johannes
|-
| Fluch || Paulus (im Galaterbrief)
Zeile 269 ⟶ 297:
|-
| Loskauf<br /> Lösegeld<br /> Erlösung || Matthäus, Markus, Paulus, Epheser- und Kolosserbrief, Pastoralbriefe, 1. Petrusbrief, Offenbarung
|-
| Opfer || Paulus, Epheserbrief
|-
| Pascha(lamm) || Synoptische Evangelien, Johannes, Paulus, Offenbarung
Zeile 293 ⟶ 323:
[[Paulus von Tarsus|Paulus]] ist der früheste Autor einer neutestamentlichen Schrift und erklärte, den Auferweckten selbst gesehen zu haben.<ref>Paulus selbst beschrieb die äußeren Umstände nicht näher, vgl. zum sogenannten [[Damaskuserlebnis]] {{B|Apg|9|1–9}}.</ref> Er übernahm ein frühes [[Credo]],<ref>[[Friedrich Lang (Theologe)|Friedrich Lang]]: ''Die Briefe an die Korinther''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, S. 209. ([https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00050156_00212.html?prox=true&phone=true&subjectSWD=%7BPaulus+%3CApostel%3E%7D&ngram=true&context=Brief+an+die+r%C3%B6mer&hl=scan&fulltext=Brief+an+die+r%C3%B6mer&mode=simple Online])</ref> verbunden mit einer Zeugenliste ({{B|1 Kor|15|3–8}}):
 
{{Zitat
{{Zitat |Text=Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln.}}
 
Paulus zitierte hier einen traditionellen Text aus einer griechischsprachigen christlichen Gemeinde mit jüdischem Hintergrund, vielleicht in [[Antiochia am Orontes]]. Es ist möglich, dass hinter diesem alten Text ein aramäischsprachiges Glaubensbekenntnis der Jerusalemer Urgemeinde steht.<ref>Friedrich Lang: ''Die Briefe an die Korinther''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, S. 210.</ref> Paulus stellte dazu fest, dass viele Augenzeugen noch lebten und befragt werden konnten. Dann fügte er seine eigene Jesusvision hinzu:
 
{{Zitat
|Text=Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt.}}
}}
 
Mit dieser als Berufung erfahrenen Jesusvision ({{B|Gal|1|15}}) begründete er wie der [[Prophet]] [[Jeremia]] seinen gleichberechtigten Auftrag zur [[Mission (Christentum)|Völkermission]]. In {{B|2 Kor|3|18}} betonte er, dass Christen die Herrlichkeit bzw. den Lichtglanz des Herrn wie in einem Spiegel schauten und dadurch selbst verändert, nämlich in das Bild Christi verwandelt würden.<ref>Friedrich Lang: ''Die Briefe an die Korinther''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, S. 275f.</ref>
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Der älteste Passionsbericht, den Markus übernahm, führt das urchristliche Credo erzählend aus und endet daher mit der Entdeckung des leeren Grabes Jesu am „dritten Tag“ von Jesu Tod an ({{B|Mk|16|1–8}}). Der Passionsbericht liefert folgende Darstellung: Nur noch Frauen von Jesu Anhängern waren dabei ({{B|Mk|15|40f}}). Einige sahen, wo er begraben wurde ({{B|Mk|15|47}}). Nach dem Sabbat wollten sie den Toten gemäß jüdischer Sitte einbalsamieren und so ehren (Mk 16,1). Dabei fanden sie sein Grab leer. Die Erklärung dafür gab ihnen ein [[Engel]] in der Gestalt eines jungen Mannes in weißem Gewand (v. 6–7):
 
{{Zitat
{{Zitat |Text=Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wohin man ihn gelegt hat. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.}}
}}
 
Das verweist auf die frühe Zeugenliste. Ihr „Sehen“ wird demnach als Erkenntnis gedeutet: Gott hat diesen zuvor getöteten Galiläer auferweckt. Darum war sein Grab leer. Alle, die ihn nicht sahen, wurden auf einen Weg gesandt, auf dem er sich zu erkennen gab: Das rief sie erneut in die [[Nachfolge Jesu|Nachfolge]]. Der betonte Hinweis auf „den Gekreuzigten“ stellt Gottes endgültiges Lebenschaffen gegen das unrechtmäßige Töten der Menschen und verweist auf die urchristliche Predigt in [[Jerusalem]] ({{B|Apg|4|10}}): „Ihr habt ihn gekreuzigt, Gott aber hat ihn auferweckt!“
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Danach kann nur Jesu eigenes Erscheinen Entsetzen, Angst und Trauer überwinden, in Freude verwandeln ({{B|Mt|28|8}}) und Glauben an ihn schaffen ({{B|Joh|20|20}}). Damit legt der Text nahe, dass die Jesusvisionen schon bekannt waren und in oder unterwegs nach Galiläa (Emmaus, {{B|Lk|24|13}}) erfolgten: also einige wenige Tage nach der Jüngerflucht und Jesu Tod.
 
Der historische Gehalt der Grabüberlieferung ist stark umstritten. Forschungsgeschichtlich prägend war, dass Rationalisten das leere Grab als historisches Faktum voraussetzten und dafür verschiedene, mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild der Aufklärung kompatible Deutungen vorschlugen (Missverständnis über den Ort der Beisetzung, Entnahme des Leichnams, Scheintod). Die traditionsgeschichtliche Forschung fragt demgegenüber, welche Parallelen es in der Umwelt des Urchristentums gibt. Hier lassen sich jüdische und pagane Entrückungserzählungen anführen, die jedoch durchweg voraussetzen, dass die betreffende Person in den Himmel entrückt wird, ''ohne'' gestorben zu sein.<ref>Christine Jacobi: ''Auferstehung, Erscheinungen, Weisungen des Auferstandenen.'' In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 490–504, hier S. 490 und 496.</ref> Eine andere Traditionslinie stellt die frühjüdische Märtyrerverehrung dar, auf die [[Rudolf Pesch]] hinwies. Demnach hielt man es in der Umwelt des Urchristentums für möglich, dass Märtyrer nach ihrem Tod von Gott wieder zum Leben erweckt wurden (vgl. {{B|Mk|6|14–16}}). Die körperliche Auferweckung ist auch eine die Rehabilitierung der unter Folter Ermordeten (vgl. {{B|2 Makk|7|11}}).<ref>Christine Jacobi: ''Auferstehung, Erscheinungen, Weisungen des Auferstandenen.'' In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 490–504, hier S. 492 und 497.</ref> Diese Parallele erklärt aber nicht, warum die Urgemeinde überzeugt war, dass die Auferweckung des gekreuzigten Nazareners die endzeitliche Totenauferweckung vorwegnahm und so die eigene Auferstehungshoffnung begründete; dieser Transfer ist ein Alleinstellungsmerkmal des Christentums.<ref>Christine Jacobi: ''Auferstehung, Erscheinungen, Weisungen des Auferstandenen.'' In: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): ''Jesus Handbuch''. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 490–504, hier S. 500f500 f.</ref>
 
Einige Neutestamentler (z.&nbsp;B. [[Rudolf Bultmann]], [[Willi Marxsen]], [[Gerd Lüdemann]]) halten die Überlieferung vom leeren Grab für eine späte [[Apologetik|apologetische]] Legende, die Jesu Auferstehung nachträglich „beweisen“ sollte. Auch [[Georg Strecker]] sieht in dieser Erzählung „Merkmale sekundären legendarischen Ursprungs“.<ref>[[Detlef Häußer]]: ''Christusbekenntnis und Jesusüberlieferung bei Paulus'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament''. Reihe II, Band 210). Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 114–117.</ref> Andere ([[Ulrich Wilckens]], [[Peter Stuhlmacher]]<ref>Peter Stuhlmacher: ''Grundlegung. Von Jesus zu Paulus'' (= ''Biblische Theologie des Neuen Testaments''. Band 1). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, S. 177f. ([https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00049180_00187.html Online])</ref>) gehen davon aus, dass die Auffindung des leeren Grabes „am dritten Tag“ historisch gewesen sei und erst Markus den Bericht davon mit der Engelsbotschaft und Jesu Erscheinungen verbunden habe.
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=== Spätere Erscheinungstexte ===
* {{B|Mk|9|1–13|EU}} erinnert mit Jesu Verklärung auf einem Berg in Galiläa an eine nachösterliche Jesusvision (v. 9) für Petrus, Jakobus und Johannes. Diese Namen nennt {{B|Gal|2|9|EU}} als „Säulen“ der Urgemeinde: Man kann also annehmen, dass sie ihr Führungsamt aufgrund einer solchen Jesusvision erhielten. Markus deutet diese als vorösterliche Offenbarung des erwählten Sohnes Gottes in Gegenwart des [[Mose]] und des [[Elija]], des Gesetzes und der [[Prophetie im Tanach|Propheten]].
 
* {{B|Joh|20|1–18|EU}} formt die überlieferte Grabgeschichte zu einer Selbstoffenbarung des Auferweckten um. Der Text widerspricht offenbar bewusst der synoptischen Tradition: [[Maria Magdalena]], nicht Petrus sah Jesus zuerst. Dafür betrat Petrus als Erster das leere Grab. Die johannäische Endredaktion widersprach dem nochmals und fügte den „Jünger, den Jesus liebte“ ein: Sie lässt ihn mit Petrus um die Wette laufen und das leere Grab zuerst betreten, um seine Autorität zu untermauern. Das bestätigt: Ohne Jesu eigenes Erscheinen konnte das leere Grab nur Furcht und Entsetzen, aber keinen Glauben an Jesu Auferstehung bewirken. Es bestätigt auch: Frauen waren – ob sie ihn selbst sahen oder nur sein Grab leer fanden – die ersten Osterzeugen.
* In {{B|Joh|21|1–14|EU}} erscheint Jesus sieben seiner ersten Jünger am Ufer des [[See Genezareth|Sees Genezareth]], wo er sie anfangs berief. Er hilft ihnen, einen großen Fischfang zu machen. Der Jünger, den Jesus liebte, erkennt als Erster: „Es ist der Herr!“ Dieser lädt sie zum gemeinsamen Mahl ein, bereitet es vor und isst mit ihnen. Auch dieser Text wurde an einen früheren Schluss des Evangeliums angehängt ({{B|Joh|20|31|EU}}) und gehört zu seiner Endredaktion (v.&nbsp;24). Er setzt die Episode vom wunderbaren Fischzug ({{B|Mt|4|8–22|EU}}/{{B|Lk|5|1–11|EU}}) voraus, erinnert an die ersten Jüngerberufungen Jesu ({{B|Mk|1|16–20|EU}}), will die Adressaten so zur Mission ermutigen und neu Getaufte zum Abendmahl einladen. – Der Fisch wurde für verfolgte Christen in Rom zum geheimen Erkennungszeichen: griechisch ''[[Fisch (Christentum)|Ichthys]]'' (Ιχθυς) ist das Akrostichon ''Iesus Christus Theu ´Yios Soter'' (Ιήσους Χριστος Θεου Ύιος Σωτηρ, „Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser“).
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Die [[Inkarnation]] begründete theologisch die [[Inkulturation]] Jesu Christi in verschiedene Kulturen im Zuge der weltweiten [[Mission (Christentum)|christlichen Mission]]. Sowohl für die Missionare als auch die Missionierten diente Jesus Christus als Identifikationsfigur: für die Missionare als siegreicher Christus (''Christus victor'') mit universalem Anspruch, für die Missionierten als in ihrem ärmlichen Alltag anwesender, mit ihnen leidender Christus (''Christus praesens'', ''Christus patiens''). Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die [[Dekolonisation]] ein, mit der Folge, dass in den ehemaligen Missionsgebieten eigene kontextuelle Theologien formuliert wurden. Dabei zeigte sich zunächst, dass die Vorstellung eines leidenden Gottes in verschiedenen afrikanischen und asiatischen Kulturen fremd war. Jesus Christus wurde von afrikanischen Theologen in Analogie zu einem [[Ahnenverehrung in Afrika|verehrten Ahn]], Herrscher oder Initiationsmeister verstanden. Asiatische Christen interpretierten Christus vor dem Hintergrund von Hinduismus und Buddhismus. Das Leiden der armen Bevölkerung war dann wiederum Anlass zu einem neuen Verständnis des Leidens Christi (Beispiele: [[Minjung]]-Theologie in Südkorea; [[Kazoh Kitamori]], ''Theologie des Schmerzes Gottes''). Theologinnen wie die Ghanaerin [[Mercy Oduyoye]] sehen den Rückgriff auf traditionelle Kulturen kritisch, insofern diese Kulturen die Unterdrückung von Frauen kulturell und religiös legitimierten.<ref>{{RGG|4|479|481|Jesus Christus II. Jesus Christus in der Geschichte des Christentums 5. Jesus Christus in der christlichen Mission|Volker Küster}}</ref>
 
Im 21. Jahrhundert beschäftigt sich ein Diskurs mit der Repräsentanz der Gestalt Jesu. In der hierbei erörterten Frage nach seiner Hautfarbe geht es darum, ob mit der tradierten Darstellung Jesu mit weißer Hautfarbe eine eurozentrische Prägung seines Images verbunden ist.<ref>Sarah Vecera: ''Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus''. [[Ostfildern]]: [[Verlagsgruppe Patmos in der Schwabenverlag AG|Patmos-Verlag]] 2022. ISBN 9783843613521978-3-8436-1352-1. Rezension: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/puzzle/puzzle-sarah-vecera-31-mai-2022-100.html</ref>
 
== Jesus Christus in der Kunst ==
[[Datei:Good shepherd 02.jpg|hochkant|mini|links|''Jesus, der gute Hirte'' (3. Jahrhundert, Katakombe S. Callisto, Rom)|links]]
Ab dem 2. Jahrhundert sind Überlegungen, wie Jesus Christus aussah, in christlichen Quellen belegt. Apokryphe Apostelakten beschrieben ihn als jungen Mann, der dem antiken Schönheitsideal entsprach. Andere frühchristliche Autoren, darunter [[Justin der Märtyrer]] und [[Clemens Alexandrinus]], beriefen sich auf {{B|Jes|53|2–3}}: der leidende Gottesknecht sei unansehnlich. Die spätere theologische Auffassung, Christus sei von großer Schönheit gewesen, gründete sich auf {{B|Ps|45|3}}. Erst die Passion habe sein Äußeres entstellt. [[Thomas von Aquin]] vertrat diese Auslegung; sie ist bei den Christusbildern der Renaissance vorausgesetzt.<ref name=":2">{{EncBibleReception|14|56|71|Jesus VIII. Visual Arts A. Christian and Muslim Art|Richard R. Viladesau}}</ref>
 
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Die Wende zur Gotik brachte neue Typen des Christusbildes hervor, angeregt durch Elemente höfischer Minne und [[Franziskanische Orden#Spiritualität|franziskanischer Leben-Jesu-Mystik]]. Andachtsbilder wie der [[Schmerzensmann]], [[Christus in der Rast]], das [[Schweißtuch der Veronika]] oder die [[Pietà]] (der tote Christus im Schoß seiner Mutter) zielten auf die emotionale Reaktion des Betrachters. Bilderzyklen des Lebens Jesu reicherten die neutestamentlichen Darstellungen mit Details aus außerkanonischen Texten an ([[Legenda aurea]]). Als neue Informationsquellen zum Leben Jesu kamen nun Visionsberichte christlicher Mystiker wie [[Birgitta von Schweden]] hinzu.<ref>{{RGG|2|326|339|Christusbilder|[[Alex Stock]]}}, hier Sp. 329–332.</ref>
[[Datei:Michelangelo Buonarroti 004.jpg|hochkant|mini|links|Christus als Weltenrichter, Ausschnitt aus Michelangelos Jüngstem Gericht in der Sixtinischen Kapelle|links]]
Drei Hauptwerke der [[Hochrenaissance]] veranschaulichen, wie das erneuerte Interesse am menschlichen Körper, seiner Anatomie und Physiognomie sowie am perspektivisch erfassten Raum das Christusbild veränderte:
 
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[[Datei:Jesus by Mark Antokolski (1876, GTG) by shakko 04.jpg|mini|Antokolski: ''Ecce Homo'' ([[Tretjakow-Galerie]])]]
[[Marc Chagall]] setzte sich in seinem Werk mehrfach mit dem Thema der Kreuzigung auseinander. Auf seinem Gemälde ''Weiße Kreuzigung'' (1938, ''Art Institute of Chicago'') trägt Jesus einen jüdischen [[Tallit|Gebetsschal]] als Lendentuch und ist umgeben von Szenen russischer Judenpogrome. Chagall war aber nicht der erste Künstler mit jüdischem Hintergrund, der Jesus als Opfer von Pogromen darstellte. Bereits in den 1870er-Jahren schuf [[Mark Antokolski]] [[Ecce homo|Ecce-homo]]-Skulpturen, die den gefesselten Jesus mit [[Jarmulke]] und [[Schläfenlocken]] als osteuropäischen Juden charakterisierten. Die Darstellung eines jüdischen Jesus war im späten 19. Jahrhundert umstritten, wie die Auseinandersetzung um [[Max Liebermann]]s Gemälde ''[[Der zwölfjährige Jesus im Tempel (Max Liebermann)|Der zwölfjährige Jesus im Tempel]]'' veranschaulicht (1879, [[Kunsthalle Hamburg]]).<ref>{{EncBibleReception|14|71|73|Jesus VIII. Visual Arts B. Jewish Art|Aaron Rosen}}</ref>
{{Siehe auch|Ostentatio genitalium}}
 
== Literatur ==
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* Larry W. Hurtado: ''Lord Jesus Christ: Devotion to Jesus in Earliest Christianity.'' 2. Auflage 2005, William B Eerdman, ISBN 0-8028-3167-2.
* [[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament'' (= ''Grundrisse zum Neuen Testament. Das Neue Testament Deutsch, Ergänzungsreihe''. Band 11). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-51380-1.
 
* [[Ulrich Wilckens]]: ''Theologie des Neuen Testaments'', Band 1/2: ''Geschichte der urchristlichen Theologie: Jesu Tod und Auferstehung und die Entstehung der Kirche aus Juden und Heiden.'' Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 2003, ISBN 3-7887-1895-1.
* [[Nicholas Thomas Wright]]: ''Jesus. Wer er war, was er wollte und warum er für uns wichtig ist.'' Francke, Marburg 2013, ISBN 978-3-86827-384-7.
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=== Sonstige Literatur ===
* [[John Ortberg]]: ''Weltbeweger. Jesus – wer ist dieser Mensch?'' [[Gerth Medien|Gerth]], Asslar 2013, ISBN 978-3-86591-877-2.
* [[Florian Russi]]: ''Jesus – Meister des Wortes.'' Mitteldeutscher Verlag, Halle 2021, ISBN 978-3-96311-457-1.
* [[Peter Seewald]]: ''[[Jesus Christus – die Biografie|Jesus Christus. Die Biografie]].'' Knaur 2011, ISBN 978-3-426-78494-5.
* [[Philip Yancey]]: ''Der unbekannte Jesus. Entdeckungen eines Christen'' (Originaltitel: ''The Jesus I Never Knew''), [[SCM R. Brockhaus]], Wuppertal 2010, ISBN 978-3-417-26319-0.
 
== Weblinks ==
{{Commonscat|Jesus Christ|Jesus Christus|audio=1|video=1}}
{{Wikiquote|Jesus von Nazareth}}
* {{WiBiLex |51866 |Abruf=2023-10-02 |Titel=Jesus Christus |Autoren=[[Detlev Dormeyer]]}}
* {{DNB-Portal|118557513}}
* {{DDB|Person|118557513}}
 
== Einzelnachweise ==
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<ref name="ABDChrist">
{{Literatur
|Autor=Marinus De Jonge
|Hrsg=David Noel Freedman
|Titel=Christ
|Sammelwerk=The Anchor Bible Dictionary
|Band=1
|Verlag=Doubleday
|Ort=New York, N.Y. etc.
|Datum=1992
|ISBN=0-385-19351-3
|Seiten=914f.
|Sprache=en}}
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[[Kategorie:Jesus| ]]