[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Ergänzung der Liste der in Buchform veröffentlichten Seminare auf deutsch (Seminar XVIII)
(48 dazwischenliegende Versionen von 37 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
[[Datei:Jacques Lacan.jpg|mini|Jacques-Marie Émile Lacan [[Datei:LacanSignature.png|rahmenlos]]]]
'''Jacques-Marie Émile Lacan''', bekannt unter dem Namen '''Jacques Lacan''' (* [[13. April]] [[1901]] in [[Paris]]; † [[9. September]] [[1981]] ebenda), war ein [[Frankreich|französischer]] [[Psychiater]] und [[Psychoanalytiker]].<ref>{{Literatur |Autor=Jacques-Alain Miller |Titel=Vie de Lacan : écrite à l’intention de l’opinion éclairée |Verlag=Navarin éd |Ort=Paris |Datum=2011 |ISBN=978-2-916124-09-4}}</ref> Er ist für seine Beiträge zur [[Psychoanalyse]] und zu einer erneuten Lektüre der Werke [[Sigmund Freud]]s bekannt.<ref name=":10">{{Literatur |Autor=Jacques Lacan |Titel=The four fundamental concepts of psycho-analysis |Verlag=Karnac |Ort=London |Datum=2004 |ISBN=978-1-84940-443-3 |Seiten=XIV}}</ref>
 
Während seines [[Studium der Medizin|Medizinstudiums]] wandte sich Lacan der [[Psychiatrie]] zu und wurde 1932 promoviert. Nach seiner [[Lehranalyse]] bei [[Rudolph Loewenstein]] trat er 1934 der Psychoanalytischen Gesellschaft von Paris (SPP) bei und wurde 1938 zum ordentlichen Mitglied gewählt.<ref name=":11">{{Internetquelle |url=https://www.britannica.com/biography/Jacques-Lacan |titel=Jacques Lacan {{!}} French psychologist |abruf=2021-04-02 |sprache=en}}</ref>
 
Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gewann Lacans Lehre an Bedeutung. Seine theoretische Entwicklung bestand im Kern in der Rückkehr zu Freud, die eine Kritik bestimmter psychoanalytischer Strömungen wie der [[Ich-Psychologie]] einschloss.<ref>{{Literatur |Autor=Adrian Johnston |Titel=Jacques Lacan |Sammelwerk=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |Auflage=Fall 2018 |Verlag=Metaphysics Research Lab, Stanford University |Datum=2018 |Online=https://plato.stanford.edu/archives/fall2018/entries/lacan/ |Abruf=2021-04-02}}</ref> Dies führte in den 50er1950er und 60er1960er Jahren zu einer Kontroverse innerhalb der Pariser Psychoanalytischen Gesellschaft, die mit demim Ausschluss Lacans aus der [[Internationale Psychoanalytische Vereinigung|Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung]] (IPA) gipfelte, was er als seine [[Exkommunikation]] bezeichnete.<ref>{{Internetquelle |autor=AGNÈS AFLALO |url=https://www.lacanquotidien.fr/blog/wp-content/uploads/2011/11/LQ-921.pdf |titel=L’enseignement de Lacan |werk=Lacan Quotidien n°92 |datum=2011-11-17 |sprache=fr |abruf=2023-04-29 |zitat=Ce rejet, Lacan l’a interprété comme excommunication parce qu’il a jugé que la structure de l’IPA était celle d’une Eglise. Ça lui a permis de reformuler un certain nombre de concepts fondamentaux de la psychanalyse dégagés de l'emprise du Nom-du-Père.}}</ref> 1953 begann Lacan sein Seminar, welches er nacheinander bis 1979 an der [[École normale supérieure (Paris)|École normale supérieure]] und später an der [[Sorbonne]] hielt.<ref>{{Internetquelle |url=https://iep.utm.edu/lacweb/ |titel=Lacan, Jacques {{!}} Internet Encyclopedia of Philosophy |abruf=2021-04-02 |sprache=en-US}}</ref>
 
Jacques Lacan untersuchte die Freudschen Konzepte und diskutierte sie.<ref name=":11" /> Er begriff die Psychoanalyse als eine Praxis der Sprache und des Sprechens, wobei er sich insbesondere auf den [[Strukturalismus]], die [[Sprachwissenschaft|Linguistik]] und später auch auf die [[Topologie (Mathematik)|Topologie]] stützte. Jacques Lacan ist nach Freud einer der bekanntesten Psychoanalytiker.<ref name=":10" />
Zeile 10:
== Leben ==
=== Kindheit und Studienzeit ===
Jacques Lacan wurde am 13. April 1901 in eine Familie der gehobenen [[Bourgeoisie|Bourgeoise]] geboren, die während der Phase des großen technischen und wirtschaftlichen Fortschritts der [[Belle Époque]] wirtschaftlich florierte.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Histoire de la psychanalyse en France : Jacques Lacan : esquisse d’une vie, histoire d’un système de pensée |Verlag=Librairie générale française |Ort=Paris |Datum=2009 |ISBN=978-2-253-08851-6 |Seiten=152}}</ref> Seine Mutter Émilie Baudry (1876–1948), war streng katholisch, und sein Vater Alfred Lacan (1873–1960) war als Manager von Vinaigres Dessaux, einem Öl- und Seifenhersteller in Paris, tätig. Sein Großvater Émile Lacan war [[Handelsvertreter]]. Das DachDachgeschoss der Pariser Wohnung wirdwurde mit den Großeltern geteilt, was schließlich zu einem Bruch zwischen Vater und Großvater führtführte.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Jacques Lacan & Co. : a history of psychoanalysis in France, 1925–1985 |Verlag=University of Chicago Press |Ort=Chicago |Datum=1990 |ISBN=0-226-72997-4 |Seiten=104}}</ref> Von den vier Kindern der Familie war Lacan das älteste: das nächste Kind, Raymond, wurde 1902 geboren, starb jedoch zwei Jahre später an Hepatitis, kurz nach der Geburt der Schwester Madeleine Marie Emmanuelle, 1903, gefolgt von seinem Bruder Marc Marie, geboren 1908, bekannt unter dem Namen François. Letzterer zog später als Benediktinermönch in ein Kloster ein.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Histoire de la psychanalyse en France : Jacques Lacan : esquisse d’une vie, histoire d’un système de pensée |Verlag=Librairie générale française |Ort=Paris |Datum=2009 |ISBN=978-2-253-08851-6 |Seiten=153}}</ref>
[[Datei:Collège Stanislas Rue NDDC.jpg|mini|254x254px|[[Collège Stanislas de Paris|Collège Stanislas]], rue Notre-Dame-des-Champs.]]
Jacques Lacan wurde am [[Collège Stanislas de Paris]], einer katholischen Pariser Privatschule, unterrichtet, wo er trotz einer kränklichen StaturNatur und zahlreicher Abwesenheiten eine sehr erfolgreiche Schullaufbahn absolvierte. Außerdem las er neben der Schulzeit zahlreiche philosophische Werke. Besonders die Ethik von [[Baruch de Spinoza|Spinoza]] hatte einen großen Einfluss auf den 14-jährigen Lacan.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Histoire de la psychanalyse en France : Jacques Lacan : esquisse d’une vie, histoire d’un système de pensée |Verlag=Librairie générale française |Ort=Paris |Datum=2009 |ISBN=978-2-253-08851-6 |Seiten=156}}</ref> Gegen Ende des Ersten Weltkriegs brach Lacan mit dem Katholizismus und den Ideen seiner Familie. Dem Philosophieunterricht folgte er mit großem Interesse. Sein Lehrer, [[Jean Baruzi]], war Autor einer Dissertation über [[Johannes vom Kreuz]]. Lacan interessierte sich aber auch für [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]], [[Paulus von Tarsus]] und [[Angelus Silesius]]. [[Paulus von Tarsus|Paulus]] wurde später eine wichtige Referenz für Lacans Reflexion über das Verhältnis von Begehren und Gesetz.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Histoire de la psychanalyse en France : Jacques Lacan : esquisse d’une vie, histoire d’un système de pensée |Verlag=Librairie générale française |Ort=Paris |Datum=2009 |ISBN=978-2-253-08851-6 |Seiten=159}}</ref>
 
1920 begann Lacan ein Studium der [[Medizin|Humanmedizin]], nachdem er wegen seiner geringen Körpergröße für den Militärdienst ausgemustert worden war. Zwischen 1927 und 1931 spezialisierte er sich an der medizinischen Fakultät der [[Universität von Paris]] auf [[Psychiatrie]], unter der Leitung von [[Henri Claude]] am Sainte-Anne-Krankenhaus, und [[Gaëtan Gatian de Clérambault]] im Krankenhaus Henri-Rousselle auf [[Psychiatrie]].<ref>{{Literatur |Autor=David Macey |Titel=Lacan in contexts |Verlag=Verso |Ort=London |Datum=1988 |ISBN=0-86091-215-9 |Seiten=211}}</ref>
[[Datei:EDMA - La psychanalyse, Le Livre de Poche, 1975 (page 1 crop).jpg|links|mini|150x150px|1923: Lacan hört das erste Mal von Freud]]
Als Student im [[Quartier Latin]] der zwanziger Jahre nahm er an der ersten Lesung von [[Ulysses]] von [[James Joyce]] in der Buchhandlung [[Shakespeare and Company]] teil. 1923 hörte er zum ersten Mal Zeit mal von [[Sigmund Freud]] und begann sich schnell für die Psychoanalyse zu interessieren.<ref name=":1" />
 
=== 1930er Jahre ===
Lacan war an der surrealistischen Bewegung in Paris der 1930er Jahre beteiligt und war mit [[André Breton]], [[Georges Bataille]], [[Salvador Dalí]] und [[Pablo Picasso]] befreundet.<ref>{{Literatur |Autor=John Desmond |Titel=Psychoanalytic accounts of consuming desire : hearts of darkness |Ort=Houndmills, Basingstoke, Hampshire |Datum=2013 |ISBN=978-0-230-25219-6}}</ref> Eine Zeit lang war er Picassos persönlicher Therapeut.<ref>{{Literatur |Autor=David Macey |Titel=Lacan in contexts |Verlag=Verso |Ort=London |Datum=1988 |ISBN=0-86091-215-9 |Seiten=21}}</ref> Nach seinem zweiten Jahr im Sainte-Anne-Krankenhaus erhielt Lacan 1931 sein Diplôme de médecin légiste und wurde zugelassener forensischer Psychiater. Im folgenden Jahr stellt er seine Dissertation „Über''Über die paranoische Psychose in ihren Beziehungen zur Persönlichkeit“Persönlichkeit'' fertig.<ref name=":2">{{Literatur |Autor=David Macey |Titel=Lacan in contexts |Verlag=Verso |Ort=London |Datum=1988 |ISBN=0-86091-215-9 |Seiten=22}}</ref> Die Veröffentlichung hatte wenig unmittelbare Auswirkungen auf die französische [[Psychoanalyse]], stieß jedoch in Lacans Kreis surrealistischer Schriftsteller und Künstler auf große Anerkennung. In ihrem einzigen aufgezeichneten Fall direkter Kommunikation sandte Lacan eine Kopie seiner Dissertation an Sigmund Freud, welcher den Erhalt mit einer Postkarte bestätigte.<ref>{{Literatur |Autor=David Macey |Titel=Lacan in contexts |Verlag=Verso |Ort=London |Datum=1988 |ISBN=0-86091-215-9 |Seiten=212}}</ref>
[[Datei:P1110093 Paris XIII rue Cabanis entrée hôpital Sainte-Anne rwk.JPG|mini|Lacans Arbeitsstätte: Das Klinikum Saint-Anne]]
Lacans Dissertation basierte auf Beobachtungen mehrerer psychotischer Patienten, wobei der Schwerpunkt auf einer Patientin lag, die er Aimée nannte. Die umfassende Rekonstruktion ihrer Familiengeschichte und ihrer sozialen Beziehungen, auf die er seine Analyse ihres paranoiden Geisteszustands stützte, zeigte seine Unzufriedenheit mit der traditionellen Psychiatrie und den wachsenden Einfluss Freuds auf seine Gedanken. Ebenfalls 1932 veröffentlichte Lacan eine Übersetzung von Freuds Text von 1922 „Über''Über einige neurotische Kräfte bei Eifersucht, Paranoia und Homosexualität“Homosexualität'' in der ''Revue française de psychanalyse''. Im Herbst 1932 begann Lacan seine [[Lehranalyse]] bei [[Rudolph Loewenstein]], die bis 1938 dauern sollte.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.karnacbooks.com/product/hurly-burly-issue-3-the-international-lacanian-journal-of-psychoanalysis/34883/ |titel=Hurly-Burly: Issue 3: The International Lacanian Journal of Psychoanalysis by Sophie Marret-Maleval |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
1934 wurde Lacan Kandidat der Société psychanalytique de Paris (SPP). Er beganneröffnete seineeine private psychoanalytische Praxis 1936, während er noch Patienten im Sainte-Anne-Krankenhaus sahhatte. Er präsentierte im selben Jahr seinen ersten Analysebericht auf dem Kongress der [[Internationale Psychoanalytische Vereinigung|Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung]] (IPA) in [[Marienbad]] über das [[Spiegelstadium]]. Der Kongressvorsitzende [[Ernest Jones]] beendete den Vortrag vor dessen Abschluss, da er nicht bereit war, Lacans angegebene Präsentationszeit zu verlängern. Lacan verließ daraufhin den Kongress, um dendie [[Olympische Sommerspiele 1936|Olympischen SpielenSpiele]] in Berlin beizuwohnenzu besuchen. Es bleibt keineEine Kopie des ursprünglichen Vortrags übrigist nicht überliefert, da Lacan beschlossen hatte, seinen Text nicht zur Veröffentlichung im Konferenzbericht einzureichen.<ref>{{Literatur |Autor=Professor of English & Comparative Literature Jean-Michel Rabate |Titel=The Cambridge Companion to Lacan |Verlag=Cambridge University Press |Datum=2003 |ISBN=978-0-521-00203-5 |Seiten=12–25 |Online=https://books.google.co.uk/books?id=o2YKaZls_-kC |Abruf=2021-03-18}}</ref>
 
Lacan heiratete Marie-Louise Blondin im Januar 1934 und im Januar 1937 hatten sie das erste ihrer drei Kinder, eine Tochter namens Caroline. Ein Sohn, Thibaut, wurde im August 1939 geboren und eine Tochter, Sybille, im November 1940.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Jacques Lacan & Co. : a history of psychoanalysis in France, 1925–1985 |Verlag=University of Chicago Press |Ort=Chicago |Datum=1990 |ISBN=0-226-72997-4 |Seiten=124}}</ref>
 
Lacans Teilnahme an [[Alexandre Kojève]]s Vorlesungen über [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]], die zwischen 1933 und 1939 gehalten wurden und sich auf die ''[[Phänomenologie des Geistes]]'' und insbesondere die [[Dialektik]] von [[Herrschaft und Knechtschaft]] konzentrierten, war prägend für seine spätere Arbeit, zunächst in seiner Formulierung der Theorie des Spiegelstadiums und später seiner Theorie des Begehrens.<ref name=":2" />
 
=== 1940er Jahre ===
Die SPP wurde aufgrund der Besetzung Frankreichs durch Nazideutschland im Jahr 1940 aufgelöst. Lacan wurde zum Militärdienst einberufen, den er in Dienstzeiten im Militärkrankenhaus Val-de-Grâce in Paris absolvierte, während er gleichzeitig seine private psychoanalytische Praxis fortsetzte.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Jacques Lacan & Co. : a history of psychoanalysis in France, 1925–1985 |Verlag=University of Chicago Press |Ort=Chicago |Datum=1990 |ISBN=0-226-72997-4 |Seiten=147}}</ref> 1942 bezog er eine Wohnung in der 5 Rue de Lille, die er bis zu seinem Tod bewohnte. Während des Krieges veröffentlichte er keine Werke und wandte sich stattdessen dem Chinesisch-Studium des Chinesischen zu, welchesdas er mit einem Abschluss an der [[Institut national des langues et civilisations orientales|École spéciale des langues orientales]] beendete.<ref>{{Literatur |Autor=Richard Serrano |Titel=Lacan’s Oriental Language of the Unconscious |Sammelwerk=SubStance |Band=26 |Nummer=3 |Datum=1997 |Seiten=90 |JSTOR=3685596 |DOI=10.2307/3685596}}</ref>
 
[[Sylvia Bataille]], die entfremdete FrauEhefrau seines Freundes [[Georges Bataille]], wurde Lacans Geliebte und 1953 seine zweite Frau. Während des Krieges wurde ihre Beziehung durch die drohende Deportation der jüdischen Sylvia erschwert, da sie in den unbesetzten Gebieten leben musste. Lacan intervenierte persönlich bei den Behörden, um Papiere über ihre familiäre Herkunft zu erhalten, die er dann eigenhändig zerstörte. 1941 hatten sie ein Kind, Judith. Sylvia behielt den Namen Bataille, weil Lacan die Ankündigung seiner geplanten Trennung und Scheidung bis nach dem Krieg verschieben wollte.<ref name=":3" />
 
Nach dem Krieg nahm die SPP ihre Treffen wieder auf. 1945 besuchte Lacan England für eine fünfwöchige Studienreise, wo er die britischen Analysten [[Ernest Jones]], [[Wilfred Bion]] und John Rickman traf. Bions analytische Arbeit mit Gruppen beeinflusste Lacan und trug zu seiner eigenen späteren Betonung von Studiengruppen als Struktur bei, innerhalb derer die theoretische Arbeit in der Psychoanalyse vorangetrieben werden konnte. Er veröffentlichte einen Bericht über seinen Besuch als ''Die britische Psychiatrie und der Krieg''.<ref>{{Literatur |Autor=Élisabeth Roudinesco, Michel Plon |Titel=L |Sammelwerk=Wörterbuch der Psychoanalyse: Namen, Länder, Werke, Begriffe |Verlag=Springer |Ort=Vienna |Datum=2004 |ISBN=978-3-7091-0640-2 |Seiten=585–636 |DOI=10.1007/978-3-7091-0640-2_12}}</ref>
 
1949 präsentierte Lacan auf dem sechzehnten IPA-Kongress in Zürich ein neues Paper über das Spiegelstadium: (''Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint'').<ref name=":5">{{Literatur |Autor=Josef Gruber |Titel=Das Spiegelstadium (‚Stade Du Miroir‘ nach J. Lacan) als richtungsweisende Entwicklungsstufe für die Identitätsfindung — ‚Normale‘, ‚Neurotische‘, ‚Psychotische‘ Entwicklung |Sammelwerk=Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychoanalyse |Band=25 |Nummer=4 |Datum=1979 |ISSN=0340-5613 |Seiten=342–353 | JSTOR=23996146}}</ref>
 
=== 1950er Jahre ===
[[Datei:Guitrancourt - Vue générale01.jpg|mini|1951: Lacan erwirbt ein Landhaus in [[Guitrancourt]]]]
Mit dem Kauf eines Landhauses in [[Guitrancourt]] 1951 schuflegte Lacan dieden BasisGrundstein für Wochenend-RetreatsWochenendaufenthalte, für seine Arbeit, Freizeit – einschließlich extravaganter gesellschaftlicher Anlässe – und für die Unterbringung seiner riesigen Bibliothek. Zu seiner Kunstsammlung gehörte [[Gustave Courbet|Courbets]] Gemälde ''[[Der Ursprung der Welt]]'', diedas er in seinem Arbeitszimmer durch eine abnehmbare Holzwand verborgen hatte, auf der eine abstrakte Darstellung von Courbet durch den Künstler [[André Masson]] dargestellt war.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Jacques Lacan & Co. : a history of psychoanalysis in France, 1925–1985 |Verlag=University of Chicago Press |Ort=Chicago |Datum=1990 |ISBN=0-226-72997-4 |Seiten=294}}</ref> Das Bild befindet sich seit 1995 im Eigentum des Staates Frankreich.
 
1951 begann Lacan in Paris ein privates wöchentliches Seminar abzuhalten, in dem er das eröffnete, was er als die „Rückkehr zu Freud“ bezeichnete, dessen Lehren durch eine Lektüre von [[Ferdinand de Saussure]]s Linguistik und [[Claude Lévi-Strauss|Claude Levi-Strauss]]' strukturalistischer Anthropologie neu artikuliert werden solltesollten. Lacans 27 Jahre währendes Seminar wurde erstmals 1953 öffentlich zugänglich und hatte großen Einfluss auf das Pariser Kulturleben sowie auf die psychoanalytische Theorie und klinische Praxis.<ref>{{Literatur |Autor=Elisabeth Roudinesco |Titel=Jacques Lacan & Co. : a history of psychoanalysis in France, 1925–1985 |Verlag=University of Chicago Press |Ort=Chicago |Datum=1990 |ISBN=0-226-72997-4 |Seiten=299}}</ref>
 
Im Januar 1953 wurde Lacan zum Präsidenten der SPP gewählt. Als auf einer Sitzung im folgenden Juni ein formeller Antrag gegen ihn gestellt wurde, in dem erkritisiert kritisiertewurde, dass er die standardmäßige analytische Sitzung für eine Klinik mit variabler Länge aufgegeben hattehabe, trat er sofort von seiner Präsidentschaft zurück. Er und eine Reihe von Kollegen traten daraufhin aus der SPP aus, um die Société Française de Psychanalyse (SFP) zu gründen. Eine Folge davon war, dass der neuen Gruppe die Mitgliedschaft in der IPA aberkannt wurde.<ref name=":4">{{Literatur |Autor=David Macey |Titel=Lacan in contexts |Verlag=Verso |Ort=London |Datum=1988 |ISBN=0-86091-215-9 |Seiten=227}}</ref>
 
Ermutigt durch die Rezeption von „Die''Die Rückkehr zu Freud“Freud'' und seines Aufsatzes "''Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der. Psychoanalyse "'' begann Lacan, Freuds Werke in Bezug auf zeitgenössische [[Philosophie]], [[Sprachwissenschaft|Linguistik]], [[Ethnologie]], [[Biologie]] und [[Topologie (Mathematik)|Topologie]] erneut zu lesen.<ref>{{Literatur |Autor=Manfred Klemann |Titel=Deuten aus der Perspektive der strukturalen Psychoanalyse Lacans |Sammelwerk=Forum der Psychoanalyse |Band=30 |Nummer=3 |Datum=2014-09-01 |ISSN=1437-0751 |Seiten=291–307 |DOI=10.1007/s00451-013-0159-7}}</ref> Von 1953 bis 1964 hielt er im Sainte-Anne-Krankenhaus seine Seminare ab und präsentierte Fallbeispiele von Patienten. Während dieser Zeit schrieb er die Texte, die in der 1966 erstmals veröffentlichten Sammlung ''Écrits'' versammelt sind.<ref name=":4" />
 
In seinem siebten Seminar ''Die Ethik der Psychoanalyse (1959–1960)'', definierte Lacan die ethischen Grundlagen der Psychoanalyse und stellte seine „Ethik für unsere Zeit“ vor- eine, die sich nach Freuds Worten als gleichbedeutend mit der Tragödie des modernen Menschen und dem „Unbehagen der Zivilisation“ erweisen würde. Die Wurzel der Ethik ist das Begehren. Das Versprechen der Analyse ist schlicht: Es ist der Eintritt des Subjekts in das Begehren. „Ich muss an den Ort kommen, an dem Es war“, wobei der Analysand in seiner absoluten Nacktheit die Wahrheit seines Begehrens entdeckt.<ref>{{Literatur |Autor=Lewis A. Kirshner |Titel=Toward an Ethics of Psychoanalysis: A Critical Reading of Lacan’s Ethics |Sammelwerk=Journal of the American Psychoanalytic Association |Band=60 |Nummer=6 |Datum=2012-12 |ISSN=0003-0651 |Seiten=1223–1242 |DOI=10.1177/0003065112457876}}</ref> Das Ende der Psychoanalyse beinhaltet somit die Klarstellung des eigenen Begehrens. Dieser Text bildete die Grundlage für Lacans Arbeit der folgenden Jahre. Er stellt dabei 3drei Forderungen heraus:<ref>{{Literatur |Autor=Jacques-Alain Miller |Titel=Le séminaire de Jacques Lacan |Ort=Paris |Datum=1973 |ISBN=978-2-02-006027-1 |Seiten=10–20}}</ref>
 
# Die Psychoanalyse muss einen wissenschaftlichen Status entwickeln.
# Die freudschenFreudschen Ideen haben die Begriffe des Subjekts, des Wissens und des Begehrens radikal verändert.
# Das analytische Feld ist der einzige Ort, von dem aus es möglich ist, die Unzulänglichkeiten von Wissenschaft und Philosophie in Frage zu stellen.
 
=== 1960er Jahre ===
Ab 1962 fanden komplexe Verhandlungen statt, um den Status des SFP innerhalb der IPA zu bestimmen. Lacans Praxis mit ihren kontroversen Sitzungen mit variabler Länge und seine kritische Haltung gegenüber der psychoanalytischen Orthodoxie führten im August 1963 dazu, dass die IPA die Aufnahmebedingung festlegte, dass Lacan von der Liste der SFP-Lehrananytiker zu streichen sei.<ref>{{Literatur |Autor=Joan Copjec |Titel=Television |Verlag=Norton |Ort=New York |Datum=1990 |ISBN=0-393-02496-2}}</ref> Mit der Entscheidung der SFP, dieser Bedingung im November 1963 nachzukommen, wurde Lacan effektiv das Recht entzogen, Lehranalysen durchzuführen. Er war daher gezwungen, eine eigene Institution zu gründen, um den vielen Kandidaten gerecht zu werden, die ihre Analysen mit ihm fortsetzen wollten. Dies tat er am 21. Juni 1964 mit der Gründung der École Freudienne de Paris (EFP), wobei er viele Analytiker der SFP gewinnen konnte: darunter [[Maud Mannoni|Maud]] und [[Octave Mannoni]], [[Serge Leclaire]] und Jean Clavreul.<ref>{{Internetquelle |autor=Erik Porge |url=https://www.cairn.info/les-noms-du-pere-chez-jacques-lacan--9782865864737-page-57.htm |titel=La crise de 1963 et la fondation de l’EFP |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
Mit der Unterstützung von [[Claude Lévi-Strauss]] und [[Louis Althusser]] wurde Lacan zum Dozenten an der [[École pratique des hautes études|École Pratique des Hautes Études]] ernannt. Er begann mit einem Seminar über ''Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse'' im Januar 1964 im Dussane-Raum der [[École normale supérieure|École Normale Supérieure]]. Lacan begann, einem Publikum von Kollegen, die sich ihm von der SFP angeschlossen hatten, seinen eigenen Ansatz zur Psychoanalyse vorzustellen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cairn.info/dans-le-midi-de-lacan--9782749249148-page-256.htm |titel=De l’École freudienne de Paris à l’École de la cause freudienne |sprache=fr |abruf=2021-03-18}}</ref> Seine Vorlesungen zogen auch viele Studenten der École Normale an. Er teilte die École Freudienne de Paris in drei Abschnitte ein: die Sektion der reinen Psychoanalyse (Ausbildung und Ausarbeitung der Theorie, an der Mitglieder teilnehmen können, die analysiert wurden, aber keine Analytiker wurden); die Sektion für angewandte Psychoanalyse; und die Sektion zur Bestandsaufnahme des Freudschen Feldes, d.&nbsp;h. in Bezug auf die Kritik der psychoanalytischen Literatur und die Analyse der theoretischen Beziehungen zu verwandten oder angegliederten Wissenschaften. 1967 erfand er das Verfahren des Pass, zur Aufnahme von neuen Analytikern, das nach der Abstimmung durch die Mitglieder des EFP im folgenden Jahr in die Satzung aufgenommen wurde.<ref>{{Internetquelle |autor=Playing Dead, As He Put It, or make himself into the son As always, Lacan left me the greatest freedom of interpretation, as always I. would have taken it even if he had not left it to me |url=https://www.lacanonline.com/2017/10/amuse-bouches-ii-testimony-and-the-pass/ |titel=Amuse-Bouches II – Testimony and the Pass |werk=LACANONLINE.COM |sprache=en-US |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
1966 wurden Lacans gesammelte Schriften, die ''Écrits'', veröffentlicht, die mit einem Begriffsverzeichnis von [[Jacques-Alain Miller]] zusammengestellt wurden. Die Écrits wurden vonvom Verlag [[Éditions du Seuil]] verlegt und trugen viel dazu bei, Lacans Ruf einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der Erfolg der Veröffentlichung führte 1969 zu einer anschließenden zweibändigen Ausgabe.
 
In den 1960er Jahren wurde Lacan zumindest in der Öffentlichkeit mit der radikalen Linken in Frankreich in Verbindung gebracht. Ein Institut für Psychoanalyse wurde nach den Revolten der [[68er-Bewegung|68er]] an der [[Universität Paris VIII]] eingerichtet. Lacans eindeutige Kommentare von 1971 zu revolutionären Idealen in der Politik ziehen jedoch eine scharfe Grenze zwischen den Handlungen der 68er und seiner eigenen Position. Lacan sah in ihnen Hysteriker, die sich nach einem neuen Herrn sehnten- und den würden sie auch bekommen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.causefreudienne.net/lever-limpasse-de-lhysterie/ |titel=Lever l’impasse de l’hystérie {{!}} ECF |sprache=fr-FR |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
1969 verlegte Lacan sein öffentliches Seminar an die Rechtsfakultät der [[Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne]], wo er bis zur Auflösung seiner Schule 1980 weiter über analytische Theorie und Praxis sprach.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.lexpress.fr/education/1969-l-affaire-lacan_2082281.html |titel=1969 – L’affaire Lacan |datum=2019-07-15 |sprache=fr |abruf=2021-03-18}}</ref>
Zeile 69:
Während des letzten Jahrzehnts seines Lebens setzte Lacan sein Seminar fort. In dieser Zeit entwickelte er seine Konzepte des männlichen und weiblichen Genießens und betonte verstärkt das Konzept des [[Das Reale|Realen]] als einem Punkt des Unmöglichen in der [[Das Symbolische|Symbolischen Ordnung]]. Lacan stützte sich weiterhin stark auf unterschiedliche Disziplinen wie [[Topologie (Mathematik)|Topologie]] und [[Sprachwissenschaft|Linguistik]] und arbeitete eng mit [[François Cheng]] zur klassischen chinesischen Literatur sowie mit Jacques Aubert zum Leben und Werk von [[James Joyce]].<ref>{{Literatur |Autor=Jacques-Alain Miller |Titel=Le séminaire de Jacques Lacan |Ort=Paris |Datum=1973 |ISBN=978-2-02-006027-1}}</ref> Der wachsende Erfolg der Écrits, die ins Deutsche und Englische übersetzt wurden, führten zu Vorträgen in [[Italien]], [[Japan]] und den [[Vereinigte Staaten|USA]]. Er hielt 1975 Vorträge in [[Yale University|Yale]], [[Columbia University|Columbia]] und am [[Massachusetts Institute of Technology|MIT]].<ref>{{Internetquelle |autor=Pierre-Guilles Guéguen |url=https://www.cairn.info/revue-la-cause-freudienne-2011-3-page-179.htm |titel=Lacan américain |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
Lacans schlechte Gesundheit machte es ihm schwer, die Anforderungen der einjährigen Seminare zu erfüllen, die er seit den fünfziger Jahren abgehalten hatte, aber sein Unterricht dauerte bis ins erste Jahr der achtziger Jahre. Nach der Auflösung seiner Schule, der EFP, reiste Lacan im Januar 1980 nach Caracas, um am 12. Juli das InstitutsInstitut des Freudschen Felds zu gründen.<ref>{{Internetquelle |autor=Lro Team |url=https://www.thelacanianreviews.com/lacan-in-caracas-forty-years-and-of-an-instant-of-seeing/ |titel=Lacan in Caracas: Forty years and (of) an instant (of seeing) |werk=The Lacanian Review |datum=2021-01-09 |sprache=en-US |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
Die Eröffnung des Kongress in [[Caracas]] sollte Lacans letzte öffentliche Ansprache sein. Seine letzten Texte aus dem Frühjahr 1981 sind kurze institutionelle Dokumente zum neu gegründeten InstitutsInstitut des Freudschen Felds.<ref>{{Internetquelle |autor=Marie-Hélène Brousse |url=https://www.cairn.info/revue-la-cause-freudienne-2011-3-page-106.htm |titel=Lacan voyageur |sprache=fr |abruf=2021-03-18}}</ref>
 
Lacan starb am 9. September 1981 an Nierenversagen.<ref name="roudinesco">[[Elisabeth Roudinesco]]: ''Histoire de la psychanalyse en France'', Band 2. Fayard, 1994, ISBN 2-213-59359-0, S.&nbsp;118&nbsp;ff.</ref>
Zeile 79:
Lacan setzte sich in seinem Werk für eine Rückkehr zu Freud ein.<ref>{{Literatur |Autor=Philippe Julien, Devra Beck Simiu |Titel=Jacques Lacan's Return to Freud: The Real, the Symbolic, and the Imaginary |Verlag=NYU Press |Datum=1994 |ISBN=978-0-8147-4226-6 |JSTOR=j.ctt9qg04q }}</ref> Damit ist eine vertiefte Beschäftigung mit den Texten und Denken von [[Sigmund Freud]] gemeint. Besonders die gängigen psychoanalytischen Theorien seiner Zeit kritisierte Lacan scharf, etwa die [[Ich-Psychologie]], die [[Objektbeziehungstheorie]] und die Schule von [[Melanie Klein]]. Lacan warf ihnen vor, das Freudsche Erbe verraten zu haben und daher den eigentlichen Status des psychoanalytischen Diskurses zu verkennen.<ref>{{Literatur |Autor=Anna Kornbluh |Titel=Freud’s Return to Lacan |Sammelwerk=After Lacan: Literature, Theory and Psychoanalysis in the Twenty-First Century |Reihe=After Series |Verlag=Cambridge University Press |Ort=Cambridge |Datum=2018 |ISBN=978-1-316-51218-0 |Seiten=41–57 |DOI=10.1017/9781108650311.003}}</ref>
 
In seinen D''eutschenDeutschen Notizen zur Vorbereitung auf die Vorlesung über die Freudsche Sache'' (1955) argumentiert Lacan, dass die Rückkehr „darin besteht, das Lesen von Freud wieder aufzunehmen und alles zu überarbeiten, was eine sehr kurzsichtige Interpretation bisher nicht erfasst, beiseite gelegt oder vergessen hathat“. Außerdem spricht er von der „Notwendigkeit einer Rückkehr zur ursprünglichen Praxis der Psychoanalyse, aber in dem Sinne, dass die Rückkehr gleichzeitig eine Erneuerung ausgehend von der Grundlage bedeutet.“ Er schlägt vor, dass die ursprüngliche psychoanalytische Praxis „mit ihrer eigenen Tiefe eine gewisse Naivität“ kombiniert, aber die heutige Technik sich dem Gegenteil davon zugewendet hätte. Aus diesem Grund besteht Lacan darauf, psychoanalytische Technik „als eine Technik wieder aufzunehmen, die besonders in ihrem Wesen und ihrer Grundlage erfasst und erfahren wurde“.<ref>{{Internetquelle |autor=Jacques Marblé |url=https://www.cairn.info/revue-psychanalyse-2013-3-page-49.htm |titel=Accent tu es |sprache=fr |abruf=2021-03-20}}</ref>
 
=== Drei Register (plus eins) ===
{{Siehe auch|Borromäischer Knoten}}
[[Datei:BorromeanRings.svg|mini|135px|Borromäischer Knoten]][[Datei:Schéma RSI.svg|mini|140px|Schéma RSI]]Die drei Register sind Lacans Versuch, die Struktur der Subjektivität zu ordnen. Dabei unterscheidet er die Trias des Imaginären, Symbolischen und Realen (RSI). Lacan beschäftigte sich dabei auch mit mathematischer Topologie und versuchte, die Register im Rahmen von [[Borromäische Ringe|Borromäischen Knoten]] zu beschreiben.
 
==== Das Imaginäre ====
Zeile 91:
In seinem ''Seminar XI - Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse'' (1963–1964) argumentiert Lacan, dass die symbolische Ordnung das Gesichtsfeld des Imaginären strukturiert, was bedeutet, dass es sich um eine sprachliche Dimension handelt.<ref>{{Literatur |Autor=Jacques Lacan |Titel=Das Werk […] Das Seminar Buch 11 = (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse / Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übers. von Norbert Haas |Auflage=4. Aufl |Ort=Weinheim |Datum=1996 |ISBN=978-3-88679-906-0}}</ref> Wenn der [[Signifikant]] das Fundament des Symbolischen ist, sind das [[Signifikat]] und die Signifikanz Teil der imaginären Ordnung. Sprache hat symbolische und imaginäre Konnotationen – in ihrem imaginären Aspekt ist Sprache die „Wand der Sprache“, die den Diskurs des Anderen umkehrt und verzerrt. Andererseits wurzelt das Imaginäre in der Beziehung des Subjekts zu seinem eigenen Körper (dem Bild des Körpers). Im Fetischismus: dem Symbolischen, dem Imaginären und dem Realen argumentiert Lacan, dass das Imaginäre auf der sexuellen Ebene als sexuelle Darstellung und Balzliebe erscheint.
 
Soweit die Identifikation mit dem Analytiker das Ziel der Analyse ist, beschuldigte Lacan große psychoanalytische Schulen, die Praxis der Psychoanalyse auf die imaginäre Ordnung zu reduzieren. Stattdessen schlägt Lacan die Verwendung des Symbolischen vor, um die Fixierungen des Imaginären zu beseitigen – der Analytiker wandelt die Bilder in Worte um. „Die Verwendung des Symbolischen“, argumentierte er, „ist der einzige Weg für den analytischen Prozess, die Ebene der Identifizierung zu überschreiten.“<ref>{{Literatur |Autor=Alain Vanier |Titel=Pour introduire «&nbsp;la direction de la cure&nbsp;» |Sammelwerk=Figures de la psychanalyse |Band=21 |Nummer=1 |Datum=2011 |ISSN=1623-3883 |Seiten=13 |DOI=10.3917/fp.021.0013}}</ref>
 
==== Das Symbolische ====
Zeile 103:
==== Das Reale ====
{{Hauptartikel|Das Reale}}
Lacans Konzept des Realen geht auf das Jahr 1936 und seine Doktorarbeit über Psychose zurück.<ref name=":7">{{Literatur |Autor=Gregory Bistoen |Titel=The Lacanian Concept of the Real and the Psychoanalytical Take on Trauma |Sammelwerk=Trauma, Ethics and the Political beyond PTSD: The Dislocations of the Real |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2016 |ISBN=978-1-137-50085-4 |Seiten=53–82 |DOI=10.1057/9781137500854_4}}</ref> Es war ein Begriff, der zu dieser Zeit beliebt war, insbesondere bei [[Émile Meyerson]], die ihn als „ein ontologisches Absolut, ein wahres [[Ding an sich]]“ bezeichnete. Lacan kehrte 1953 zum Thema des Realen zurück und entwickelte es bis zu seinem Tod weiter. Das Reale ist für Lacan nicht gleichbedeutend mit der Realität. Das Reale ist nicht nur dem Imaginären entgegengesetzt, sondern auch außerhalb des Symbolischen. Im Gegensatz zu letzterem, das sich aus Gegensätzen (dhd.&nbsp;h. Anwesenheit / Abwesenheit) zusammensetzt, „gibt es keine Abwesenheit im Realen“.<ref>{{Literatur |Autor=Badredine Arfi |Titel=Reconfiguring the (Lacanian) Real: Saying the Real (as Khôra — χώρα) qua the impossible–possible event |Sammelwerk=Philosophy & Social Criticism |Band=38 |Nummer=8 |Datum=2012-10-01 |ISSN=0191-4537 |Seiten=793–819|DOI=10.1177/0191453712461097}}</ref>
 
Während die symbolische Opposition „Anwesenheit / Abwesenheit“ die Möglichkeit impliziert, dass etwas in der Realität fehlt, ist das Reale ist immer an seinem Platz.<!-- [69] --> Wenn das Symbolische eine Menge differenzierter Elemente (Signifikanten) ist, ist das Reale an sich undifferenziert – es trägt keinen Spalt. Das Symbolische führt „einen Schnitt in das Reale“ in den Bedeutungsprozess ein: „Es ist die Welt der Wörter, die die Welt der Dinge erschafft – Dinge, die ursprünglich im“ Hier und Jetzt „des Alls im Entstehungsprozess verwirrt waren.“<!-- [71] --> Das Reale ist das, was außerhalb der Sprache liegt und der Symbolisierung absolut widersteht. In ''Seminar XI - Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse'' (1963–1964) definiert Lacan das Reale als „das Unmögliche“, weil es unmöglich vorstellbar, unmöglich in das Symbolische zu integrieren und unmöglich zu erreichen ist. Es ist dieser Widerstand gegen die Symbolisierung, der dem Real seine traumatische Qualität verleiht. Schließlich ist das Reale das Objekt der Angst, sofern es keine mögliche Vermittlung gibt und das wesentliche Objekt, das kein Objekt mehr ist, sondern dieses Etwas, mit dem alle Wörter aufhören und alle Kategorien versagen, das Objekt der Angst par Exzellenz.<ref name=":7" />
 
==== Sinthom ====
{{Hauptartikel|Sinthom}}
Der Begriff ''Sinthom'' wurde von Jacques Lacan in seinem ''Seminar XXIII - Das Sinthom'' (1975–1976) eingeführt.<ref>{{Literatur |Autor=Jacques Lacan |Titel=Das Sinthom |Ort=Wien |Datum=2017 |ISBN=978-3-85132-877-6}}</ref> Nach Lacan ist ''sinthome'' die lateinische Art, den griechischen Ursprung des französischen Wortes ''symptôme'' zu buchstabieren, was ''Symptom'' bedeutet. Das Seminar ist eine fortlaufende Ausarbeitung seiner Topologie, die den Fokus des vorherigen Seminars (RSI) von der Trias Imaginäres-Symbolisches und Reales und die Erforschung des Sinthoms erweitert. Das Sinthom bezeichnet dabei ein viertes Register, welches den anderen drei Registern Struktur und Halt verleiht und damit die Konsistenz des Subjekts garantiert. Lacan untersuchte dies an den Schriften von [[James Joyce]].<ref>{{Literatur |Autor=Pascal Bataillard |Titel=James Joyce et les couleurs du sinthome |Sammelwerk=Polysèmes. Revue d’études intertextuelles et intermédiales |Nummer=14 |Datum=2015-11-18 |ISSN=0999-4203 |DOI=10.4000/polysemes.522}}</ref>
 
=== Grundbegriffe ===
==== Spiegelstadium ====
{{Hauptartikel|Spiegelstadium}}
[[Datei:Mirror baby.jpg|mini|hochkant|Ein Kleinkind betrachtet sich im Spiegel]]
Lacans erster offizieller Beitrag zur Psychoanalyse war das Spiegelstadium, das er als Bildner der Ich-Funktion beschrieb.<ref name=":8">{{Literatur |Autor=Patrick Bühler |Titel=Jacques Lacan (1901–1981), Das Spiegelstadium (1949) |Sammelwerk=KulturPoetik |Band=9 |Nummer=2 |Datum=2009 |ISSN=1616-1203 |Seiten=252–260 | JSTOR=26422504}}</ref> In den frühen 1950er Jahren betrachtete er das Spiegelstadium sowohl als einen historischen Moment im Leben des Kindes und ebenso einen Teil der permanenten Struktur der Subjektivität des Menschen. In „der imaginären Ordnung“ fängt das eigene Bild des Körpers das Subjekt dauerhaft ein und fesselt es. Lacan erklärt: „Das Spiegelstadium ist ein Phänomen, dem ich einen doppelten Wert zuordne. Erstens hat sie einen historischen Wert, da sie einen entscheidenden Wendepunkt in der geistigen Entwicklung des Kindes darstellt. Zweitens ist sie typisch eine wesentliche libidinöse Beziehung zum Körperbild.“<ref name=":5" />
 
Als Lacan diesen Begriff weiterentwickelte, fiel die Betonung weniger auf seinen historischen, als vielmehr auf seinen strukturellen Wert. In seinem ''Seminar IV - Die Objektbeziehung'' (1956–1957) stellt Lacan fest, dass „das Spiegelstadium weit entfernt von einem bloßen Phänomen ist, das bei der Entwicklung des Kindes auftritt. Sie veranschaulicht die Konfliktnatur der doppelten Beziehung zwischen Mutter und Kind.“<ref>{{Literatur |Autor=Hans-Dieter Gondek, Jacques-Alain Miller |Titel=Die Objektbeziehung 1956–1957 |Auflage=2.&nbsp;Aufl. (text- und seitengleich mit der 1.&nbsp;Aufl. von 2003) |Verlag=Turia + Kant |Ort=Wien |Datum=2007 |ISBN=978-3-85132-472-3}}</ref>[[Datei:Michelangelo Caravaggio 065.jpg|mini|hochkant|Blick in den Spiegel: [[Michelangelo Merisi da Caravaggio|Caravaggios]] „Narziss“|links]]Das Spiegelstadium beschreibt die Bildung des Ichs über den Prozess der Objektivierung, wobei das Ich das Ergebnis eines Konflikts zwischen der wahrgenommenen visuellen Erscheinung und der emotionalen Erfahrung ist. Diese Identifikation nannte Lacan Entfremdung und ist konstitutiv für das imaginäre Register.<ref name=":6" /> Mit sechs Monaten fehlt dem Baby immer noch die körperliche Koordination. Das Kind kann sich im Spiegel erkennen, bevor es die Kontrolle über seine Körperbewegungen erlangt. Das Kind sieht sein Bild als Ganzes und die Synthese dieses Bildes erzeugt einen Kontrast zu der mangelnden Koordination des Körpers, der als fragmentierter Körper wahrgenommen wird. Das Kind erlebt diesen Kontrast zunächst als Rivalität mit seinem Bild, weil die Ganzheit des Bildes das Kind mit Fragmentierung bedroht – so führt das Spiegelstadium zu einer aggressiven Spannung zwischen Subjekt und Bild. Um diese aggressive Spannung zu lösen, identifiziert sich das Kind mit dem Bild: Diese primäre Identifikation mit ihrem Gegenstück bildet das Ich.<ref name=":5" /> Lacan versteht diesen Moment der Identifikation als einen Moment des Jubels, da er zu einem imaginären Gefühl der Meisterschaft führt. Wenn das Kind jedoch sein eigenes prekäres Gefühl der Meisterschaft mit der Allmacht der Mutter vergleicht, kann eine depressive Reaktion mit dem Jubel einhergehen.<ref name=":8" />
 
Lacan nennt das Spiegelbild „orthopädisch“, da es das Kind dazu bringt, die Überwindung seiner „wirklich spezifischen Frühgeburt“ vorwegzunehmen. Die Vision des Körpers als integriert und enthalten, im Gegensatz zu der tatsächlichen Erfahrung des Kindes mit motorischer Unfähigkeit und dem Gefühl seines Körpers als fragmentiert, induziert eine Bewegung von „Unzulänglichkeit zu Antizipation“.<ref>{{Literatur |Autor=Jacques Lacan |Titel=Écrits : a selection |Ort=London |Datum=2020 |ISBN=978-1-00-010716-6}}</ref> Mit anderen Worten, das Bild im Spiegel unterstützt wie eine Krücke den Prozess der Bildung eines integrierten Selbstgefühls.
Zeile 139:
Die Analyse besteht für Lacan darin, das Subjekt mit der Wahrheit seines Begehrens zu konfrontieren.
 
Lacan unterscheidet das Begehren vom ''Bedürfnis'' und von der ''demande''. Bedürfnis ist ein biologischer Instinkt, bei dem das Subjekt vom Anderen abhängig ist, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen: Um die Hilfe des Anderen zu erhalten, muss „Bedürfnis“ in „demande“ artikuliert werden. Aber die Gegenwart des Anderen stellt nicht nur die Befriedigung des „Bedürfnisses“ sicher, sondern repräsentiert auch die Liebe des Anderen. Folglich erhält die „demande“ eine doppelte Funktion: Sie artikuliert einerseits „Bedürfnis“ und wirkt andererseits als „demande nach Liebe“. Selbst nachdem das in der Nachfrage artikulierte „Bedürfnis“ befriedigt wurde, bleibt die „demande nach Liebe“ unbefriedigt, da der Andere nicht die bedingungslose Liebe liefern kann, die das Subjekt sucht. Das Verlangen ist weder der Appetit auf Befriedigung noch das Verlangen nach Liebe, sondern der Unterschied, der sich aus der Subtraktion des ersten vom zweiten ergibt. Das Begehren ist ein Überschuss, ein Überbleibsel, das durch die Artikulation des Bedürfnisses in der demande erzeugt wird : „Das Begehren nimmt an dem Rand Gestalt an, an dem die Nachfrage vom Bedürfnis getrennt wird.“ Im Gegensatz zum Bedürfnis, das befriedigt werden kann, kann das Begehren niemals befriedigt werden: Es ist konstant in seinem Druck und ewig. Das Erreichen des Begehrens besteht nicht darin, erfüllt zu werden, sondern darin, es als solches zu reproduzieren. Wie [[Slavoj Žižek]] es ausdrückt, „besteht die Existenzberechtigung des Begehrens nicht darin, sein Ziel zu verwirklichen, volle Befriedigung zu finden, sondern sich als Begehren zu reproduzieren.“
 
Lacan unterscheidet dabei zwischen dem Begehren und den Trieben: Begehren ist eins und Triebe sind viele. Die Triebe sind die partiellen Manifestationen einer einzelnen Kraft, die als Begehrens bezeichnet wird. Lacans Konzept [[Objekt klein a|Objekt klein&nbsp;a]] ist das Objekt des Begehrens, obwohl dieses Objekt nicht das ist, worauf das Begehren zielt, sondern die Ursache des Begehrens ist. Das Begehren ist keine Beziehung zu einem Objekt, sondern eine Beziehung zu einem Mangel.
 
==== Subjekt ====
Das Subjekt ist der Träger eines irreduziblen Mangels. Dieser Mangel beginnt mit der Geburt, die das Kind aus der Vollkommenheit seines embryonalenintrauterinen Daseins herauswirft, und verstärkt sich durch seine zweite große Trennung, die Trennung der [[Symbiose (Psychologie)|Symbiose]] mit der Mutter(brust). Auch von seinem Spiegelbild, dem es sich im Spiegelstadium gegenübersieht, ist es getrennt und entfremdet. Das Subjekt ist seitdem unvollständig, weshalb es stets danach begehrt, vollständig zu werden und seinen Mangel, seine Lücke im Subjekt durch Objekte aufzufüllen. Ein solches Objekt, genannt ''Objekt klein&nbsp;a'', fungiert als Antrieb und Auslöser der Handlungen des Subjekts und insofern als äußerer „Grund des Begehrens“. Aber der Mangel ist letztlich nicht aufhebbar, das Objekt bleibt unerreichbar und ist ein „immer schon verlorengegangenes“ Objekt, ein unerreichbares „Ding“.
 
Um diese Theorie des Mangels und des Begehrens herum errichtet Lacan den Teil seiner psychoanalytischen Theorie, der die klassischen psychoanalytischen Persönlichkeitsstrukturen integriert und aufnimmt, etwa die [[Neurose|neurotischen]] oder [[Psychose|psychotischen]] Persönlichkeitsstrukturen, die er als spezifische Weisen versteht, mit dem fundamentalen Mangel und dem Begehren umzugehen. Eine Form, den Mangel imaginär aufzufüllen, ist das [[Phantasma]]; es ist der Rahmen, das Szenario, in dem die Objekte klein&nbsp;a in Erscheinung treten.
Zeile 157:
 
==== Kur ====
Der Begriff der Kur hat in der psychoanalytischen Theorie von Lacan eine andere Bedeutung als er traditionell auf dem Gebiet der Medizin zugeschrieben wird. Laut Lacan ist das Ziel der Analyse nicht die Heilung im Sinne eines Heilungsideals, da klinische Strukturen (Neurose, Psychose und Perversion) im Wesentlichen „unheilbar“ sind. Der Vorschlag der analytischen Behandlung besteht darin, den Analysanden dazu zu bringen, seine Wahrheit zu artikulieren. In Folge kommt es zwar zu einer Reduktion der Symptome, dies ist aber nicht das eigentliche Ziel der Analyse. Die Kur ist ein logischer Prozess, der ein Ende hat, obwohl nicht alle Analysen vollständig durchgeführt werden. Diese letzte Instanz wird von Lacan mit dem Ausdruck Ende der Analyse bezeichnet, der darin besteht, dass die Kur ihren logischen Endpunkt erreicht hat.<ref>{{Literatur |Autor=Moustapha Safouan |Titel=La direction de la cure depuis Lacan |Sammelwerk=Figures de la psychanalyse |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2004 |ISSN=1623-3883 |Seiten=153 |DOI=10.3917/fp.009.0153}}</ref>
 
Im Laufe seiner psychoanalytischen Praxis verstand Lacan unter dem Ende der Analyse verschiedene Punkte:<ref name=":9">{{Literatur |Autor=Alain Vanier |Titel=La fin de la cure |Sammelwerk=Figures de la psychanalyse |Band=20 |Nummer=2 |Datum=2010 |ISSN=1623-3883 |Seiten=81 |DOI=10.3917/fp.020.0081}}</ref>
Zeile 164:
* Um 1960 versteht er das Ende der Analyse als die Erfahrung eines Zustandes der absoluten Hilflosigkeit und vergleicht es mit dem Alleinsein des Kindes.
* 1964 beschreibt er das Ende als den Moment, in dem der Analysand sein fundamentales Fantasma durchquert hat.
* In den 1970er Jahren begriff Lacan das Ende der Analyse als die „Identifikation mit dem Sinthome“ vor, bei dem sich der Analysand mit einem symptomatischen Rest identifiziert und weiß, was er damit anfangen kann.
 
Die zentrale Frage in allen von Lacan formulierten Heilungskonzepten ist, dass sie eine Änderung der subjektiven Position des Analysanden implizieren: eine „subjektive Armut“. Dies beinhaltet auch den Sturz des Analytikers von der Position des „Subjekts, das wissen soll“. Das Ende der Analyse setzt voraus, dass der Analytiker aufgrund des Wunsches des Analysanden auf einen Rest, ein ObjetObjekt klein a, reduziert wird. Darüber hinaus sagt er, dass „das wahre Ende der Analyse,“ dasjenige ist, welches „darauf vorbereitet, Analytiker zu werden“, da das Ende der Analyse die notwendige Bedingung für den Übergang vom Zustand des Analysanden zum Zustand des Analytikers ist.<ref name=":9" />
 
== Einfluss und Kritik ==
Zeile 190:
 
Der Psychoanalytiker, Mathematiker und Arzt [[Antonello Sciacchitano]] hat in seinen Werken gezeigt, dass Lacan nur über beschränkte mathematische Kenntnisse verfügte und sie eher in einem metaphorisch-illustrativen als in einem wissenschaftlich-präzisen Sinn verwendete, um seine Theorien zu stützen.<ref>Antonello Sciacchitano: ''Unendliche Subversion. Die wissenschaftlichen Ursprünge der Psychoanalyse und die psychoanalytischen Widerstände gegen die Wissenschaft.'' Wien 2008, S. 93 ff.</ref> Sciacchitano regt demgegenüber an, sich gewissenhaft mit der modernen Mathematik zu befassen, und führt aus, dass die unterschiedlichen Formen des Begehrens als mathematische Theoreme gefasst werden könnten.<ref>Antonello Sciacchitano: ''Das Unendliche und das Subjekt. Warum man etwas von Mathematik verstehen sollte, wenn man über Psychoanalyse spricht.'' Zürich 2004.</ref>
 
Der Filmwissenschaftler Todd McGowan hat gezeigt wie Lacans Begriff der Phantasie zur Analyse des [[Rassismus]] genutzt werden kann.<ref>Todd McGowan: ''The Racist Fantasy. Unconscious Roots of Hatred'', Bloomsbury Academic, New York etc. 2022.</ref>
 
== Werke ==
Zeile 207 ⟶ 209:
** Buch IV (1956–1957): ''Die Objektbeziehung.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2003, ISBN 978-3-85132-472-3.
** Buch V (1957–1958): ''Die Bildungen des Unbewussten.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2006, ISBN 978-3-85132-470-9.
** Buch VI (1958–1959): ''Das Begehren und seine Deutung.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2020, ISBN 978-3-85132-964-3.
** Buch VII (1959–1960): ''Die Ethik der Psychoanalyse.'' Übersetzt von Norbert Haas. Turia + Kant, Wien/Berlin 2016, ISBN 978-3-85132-806-6.
** Buch VIII (1960–1961): ''Die Übertragung''. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant / Passagen Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-85165-817-0.
** Buch X (1962–1963):'' Die Angst.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2010, ISBN 978-3-85132-632-1.
** Buch XI (1964): ''Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse.'' Übersetzt von Norbert Haas. Turia + Kant, Wien/Berlin 2017, ISBN 978-3-85132-802-8.
** Buch XVI (1968–1969): ''Von einem Anderen zum anderen.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2022, ISBN 978-3-98514-001-5.
** Buch XVII (1969–1970): ''Die Kehrseite der Psychoanalyse.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2023, ISBN 978-3-98514-073-2.
** Buch XVIII (1971): ''Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre.'' Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin 2023, ISBN 978-3-98514-091-6.
** Buch XX (1972–1973): ''Encore.'' Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger. Turia + Kant, Wien/Berlin 2017, ISBN 978-3-85132-807-3.
** Buch XXIII (1975–1978): ''Das Sinthom.'' Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia + Kant, Wien/Berlin 2017, ISBN 978-3-85132-877-6.
Zeile 253 ⟶ 259:
* Ivo Gurschler, Sándor Ivády, Andrea Wald (Hrsg.): ''Lacan 4D. Zu den vier Diskursen in Lacans Seminar XVII.'' Turia + Kant, Wien/Berlin 2013, ISBN 978-3-85132-714-4,
* [[Iris Hanika]], Edith Seifert: ''Die Wette auf das Unbewußte oder Was Sie schon immer über Psychoanalyse wissen wollten.'' Suhrkamp, Frankfurt 2006.
* [[Kai Hammermeister]]: ''Jacques Lacan.'' C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57374-3,.
* Philippe Julien: ''Jacques Lacan lesen. Zurück zu Freud.'' Turia + Kant, Wien/Berlin 2020, ISBN 978-3-85132-954-4. (Original: ''Pour lire Jacques Lacan.'' Éditions du Seuil, Paris 2018)
* Franz Kaltenbeck: ''Lesen mit Lacan. Aufsätze zur Psychoanalyse.'' Turia + Kant, Wien 1998, ISBN 978-3-85132-114-2.
Zeile 260 ⟶ 266:
* Hermann Lang: ''Die Sprache und das Unbewusste: Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse.'' Suhrkamp, Frankfurt 1986, ISBN 3-518-28226-3 (Dissertation, Universität Heidelberg, 1972).
* Nicolas Langlitz: ''Die Zeit der Psychoanalyse: Lacan und das Problem der Sitzungsdauer.'' Suhrkamp, Frankfurt 2005, ISBN 3-518-29357-5 (Dissertation, FU Berlin, 2004; [http://www.diss.fu-berlin.de/2004/167/index.html online]).
* Éric Laurent: ''Die Kehrseite der Biopolitik. Eine Schrift für das Genießen.'' Aus dem Französischen von Mathias Althaler. Turia + Kant, Wien/Berlin 2019, ISBN 978-3-85132-959-9.
* Thanos Lipowatz: ''Politik der Psyche. Eine Einführung in die Psychopathologie des Politischen.'' Turia + Kant, Wien 1998, ISBN 3-85132-156-1.
* André Michels, Susanne Gottlob, Bernhard Schwaiger (Hrsg.): ''Norm, Normalität, Gesetz'' (= ''Klinik der Psychoanalyse'', 1). Turia + Kant, Wien 2012, ISBN 978-3-85132-654-3.
* Jacques-Alain Miller u.&nbsp;a.: ''Von einem anderen Lacan.'' Turia + Kant, Wien 1993, ISBN 3-85132-063-8.
* Jacques-Alain Miller: ''Vie de Lacan. Écrite à l’intention de l’opinion éclairée''. Navarin, Paris 2011.
* Jacques-Alain Miller: ''Die Erotik der Zeit – und andere Texte über das Genießen.'' Aus dem Französischen von Mathias Althaler. Turia + Kant, Wien/Berlin 2021, ISBN 978-3-98514-006-0.
* Catherine Millot: ''Mein Leben mit Lacan.'' Übers. Richard Steurer-Boulard. Passagen, Wien 2017, ISBN 978-3-7092-0262-3 ([[André-Gide-Preis]] 2016).
* Nina Ort: ''Objektkonstitution als Zeichenprozeß: Jacques Lacans Psychosemiologie und Systemtheorie.'' DUV, Wiesbaden 1998, ISBN 3-8244-4276-0.
Zeile 288 ⟶ 295:
* Slavoj Žižek: ''Mehr-Genießen. Lacan in der Populärkultur.'' Turia + Kant, Wien 1992, ISBN 3-85132-037-9.
* Slavoj Žižek: ''Lacan in Hollywood.'' Turia + Kant, Wien 2000, ISBN 3-85132-276-2.
* Slavoj Žižek: ''Die Tücke des Subjekts.'' Suhrkamp, Frankfurt, 2004, ISBN 3-518-58304-2.
* Slavoj Žižek: ''Lacan. Eine Einführung.'' Fischer, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-596-17626-7.
 
Zeile 318 ⟶ 325:
{{Lesenswert|20. Oktober 2006|22823959}}
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118568507|LCCN=n/80/22983n80022983|NDL=00446613|VIAF=36920510}}
 
{{SORTIERUNG:Lacan, Jacques}}