„Konstantin von Tischendorf“ – Versionsunterschied

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Der Handschriftenfälscher [[Konstantinos Simonides]] bot dem Leipziger Privatgelehrten [[Wilhelm Dindorf]] im Januar 1856 eine angeblich von ihm angefertigte Kopie der frühchristlichen Schrift ''[[Der Hirte des Hermas|Hirte des Hermas]]'' sowie den gefälschten [[Uranios-Palimpsest]] zum Kauf an. Der griechische Student Alexandros Lykurgos,<ref>Lykurgos studierte in Leipzig mit einem Stipendium des griechischen Staates. Er wurde später Professor der Theologie an der Universität Athen und Metropolit von Syros.</ref> mit dem Simonides in Leipzig eine Wohnung teilte, vermutete einen Betrug und bat Tischendorf um ein Gutachten. Diesem war klar, dass eine Fälschung vorlag. Dindorf hatte den Uranios-Palimpsest aber bereits angekauft und bereitete die Publikation vor. Er hatte kein Interesse daran, dass Tischendorf seine Einschätzung bekannt machte. Als Tischendorf am 29. Januar erfuhr, dass Dindorf den Uranios-Palimpsest der Berliner Akademie zum Kauf angeboten hatte, veröffentlichte er sein Gutachten am 5. Februar im ''Dresdner Journal''.<ref>Konstantin Tischendorf: ''Das Palimpsest des Uranios''. In: ''Dresdner Journal'', 5. Februar 1856, S. 117 f. ([https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/468597/1 Digitalisat])</ref> Simonides wurde daraufhin verhaftet und war in Gefahr, eine Gefängnisstrafe antreten zu müssen; Dindorfs Reputation hatte erheblichen Schaden genommen.<ref>Friederike Berger: ''Konstantinos Simonides in Leipzig: Der Hirte des Hermas''. In: Andreas E. Müller et al. (Hrsg.): ''Die getäuschte Wissenschaft: Ein Genie betrügt Europa – Konstantinos Simonides''. V & R unipress, Göttingen 2017, S. 127–142, hier S. 132.</ref> Tischendorf zweifelte auch die Echtheit von Simonides’ griechischer Abschrift des ''Hirten des Hermas'' an, die ihm eine Rückübersetzung aus dem Lateinischen zu sein schien. Damit hatte er sich Simonides zum Feind gemacht.
 
Simonides lebte um 1860 in England. Dort erregte die Nachricht von der Entdeckung des Codex Sinaiticus durch Tischendorf großes Interesse, aber auch einiges Bedauern, da es eine russische, keine britische Expedition gewesen war, die diesen Erfolg zu vermelden hatte. Zunächst gerüchteweise und ab 1862 ganz offen behauptete Simonides, er habe den Codex Sinaiticus in jungen Jahren selbst gefälscht. Er lancierte diese Geschichte mit einer Methode in der Presse, mit der er öfter erfolgreich war. Er begann einen Briefwechsel mit einem orthodoxen alexandrinischen Priestermönch Kallinikos, der sich auf Nachfrage erinnerte, dass er um 1840 auf dem [[Athos]] beobachtete, wie Simonides einen antiken Codex kopierte, der dem Zaren geschenkt werden sollte. Der gelehrte Patriarch von Konstantinopel, Konstantius I., war 1834 wegen seiner prorussischen Ansichten von der osmanischen Regierung abgesetzt worden und hatte sich angeblich in seinem Exil auf der Insel [[Burgazada|Antigone]] mit Simonides getroffen. Der Ex-Patriarch habe den Wunsch gehabtveranlasst, diedass vonSimonides’ SimonidesBibelcodex angefertigtein Kopiedie demBibliothek Zarendes persönlichKatharinenklosters zu schenken; das Werk sei zwischenzeitlich im Katharinenkloster verwahrt wordengelangte, wo durcher Tischendorfs Intervention diese Planungenvon gestörtTischendorf wordenentdeckt seienwurde. Die englische Presse befasste sich über ein Jahr mit Simonides’ Behauptung, den Codex Sinaiticus eigenhändig von alten (und später unauffindbaren) Athos-Manuskripten kopiert zu haben.<ref>Anna Mykoniati: Biographische Bemerkungen zu Konstantinos Simonides. In: Andreas E. Müller et al. (Hrsg.): ''Die getäuschte Wissenschaft: Ein Genie betrügt Europa – Konstantinos Simonides''. V & R unipress, Göttingen 2017, S. 87–106, hier S. 101.</ref> Tischendorf veröffentlichte Gegendarstellungen.
 
==== Samuel P. Tregelles ====