„Konstantin von Tischendorf“ – Versionsunterschied

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=== Entzifferung des Codex Ephraemi Rescriptus (1840–1842) ===
[[Datei:Codex Ephraemi f205.jpg|mini|Eine Seite des Codex Ephraemi Rescriptus, Blaufärbung durch Giobertsche Tinktur]]
In der [[Bibliothèque nationale de France]] wird ein kostbares, aber schwer lesbares [[Palimpsest]] verwahrt: der [[Codex Ephraemi|Codex Ephraemi Rescriptus]], eine Vollbibel des 5. Jahrhunderts, die im 12. Jahrhundert abgewaschen und mit Traktaten [[Ephräm der Syrer|Ephraems des Syrers]] überschrieben worden war. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert wurde der Codex mehrfach konsultiert, doch die Erfolge bei der Entzifferung des unteren Textes (''scriptio inferior'') blieben gering. Der Leipziger Neutestamentler [[Ferdinand Florens Fleck]] wandte 1834/35 mit Zustimmung des Bibliothekars [[Karl Benedikt Hase]] erstmals chemische Mittel an. Er benutzte die Giobertsche Tinktur<ref>Sie wurde von dem Turiner Chemiker und Mineralogen [[Giovanni Antonio Giobert]] entwickelt und von [[Amedeo Peyron]] 1824 erstmals mit Erfolg bei einem Palimpsest angewandt. Das Rezept Gioberts findet sich bei [[Victor Gardthausen]]: ''Griechische Palaeographie'', Band 1. Zweite Auflage. Veit, Leipzig 1911, S. 108: „6 Teile Wasser, 1 Teil ''acidum muriaticum'', 1/8 ''prussiat de potasse'' (''kali zooticum'').“</ref>, eine salzsaure wässrige Lösung von [[Kaliumhexacyanidoferrat(II)]], auch gelbes Blutlaugensalz genannt. Wenn der Text verblasst ist, weil das Eisen(II) aus der [[Eisengallustinte|Tinte]] zu Eisen(III) oxidiert ist, so bildet sich durch Reaktion von Kaliumhexacyanidoferrat(II) mit den Eisen(III)-Ionen ein tiefblauer Niederschlag ([[Berliner Blau]]). Fleck berichtete später, dass durch Anwendung der Tinktur in der kostbaren Pariser Handschrift „Manches an das Tageslicht trat, was bisher auch dem scharfsichtigsten Falkenauge der Gelehrten entgangen war.“<ref>Ferdinand Florens Fleck: ''Ueber die Handschrift des neuen Testamentes, gewöhnlich Codex Ephraemi Syri rescriptus genannt, in der königlichen Bibliothek zu Paris, mit allgemeineren Bemerkungen über biblische Kritik und biblisch-kritische Reisen in unserem Zeitalter''. In: Theologische Studien und Kritiken 14 (1841), S. 126–152, hier S. 127. ([https://opendigi.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/thstkr_1841#p=129 Digitalisat])</ref> Dabei zeigte sich ein weiteres Problem: Der spätantike Bibelcodex war bei seiner mittelalterlichen Wiederverwertung auseinandergenommen und die Blätter neu geordnet worden, wodurch sich der Bibeltext wie ein Puzzlespiel präsentierte.
 
Tischendorfs Ziel war es nun, da weiterzumachen, wo Fleck angefangen hatte, und den ganzen Codex für die Forschung zu erschließen. Am 31. Oktober 1840 reiste er per Postkutsche von Leipzig Richtung Paris ab. Seine Reisekasse war schmal. Die sächsische Regierung bewilligte nur 100 Taler. Sein Bruder Julius unterstützte ihn, und etwas Geld brachte ihm der Abschluss einer Lebensversicherung, die er wieder verpfändete. In Paris bestritt er seinen Lebensunterhalt durch Auftragsarbeiten für Leipziger Professoren.<ref>Christfried Böttrich: ''Der Jahrhundertfund. Entdeckung und Geschichte des Codex Sinaiticus'', Leipzig 2011, S. 46 f.</ref>