„Tschechow-Kunsttheater Moskau“ – Versionsunterschied

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== Geschichte ==
Das Theater ging aus der zehn Jahre zuvor entstandenen ''Gesellschaft für Kunst und Literatur'' hervor. Auf deren Amateurbühne trat der Fabrikantensohn Konstantin Sergejewitsch Stanislawski erstmals als Schauspieler auf und übernahm auch Regie-Arbeiten. Im Spielplan überwogen die Klassiker: neben den Werken von [[Molière]], [[William Shakespeare|Shakespeare]] und [[Friedrich Schiller|Schiller]] wurden insbesondere die Dramen [[Alexander Nikolajewitsch Ostrowski|Ostrowskis]] aufgeführt. Den Anstoß zur Gründung eines professionellen Theaters gab die Begegnung Stanislawskis mit dem [[Dramaturg]]en Wladimir I. Nemirowitsch-Dantschenko. Das neu gegründete Künstlertheater (''Московский художественный театр'' – MCht) erlangte schnell Bekanntheit, als es die vier Hauptwerke von [[Alexei Konstantinowitsch Tolstoi|Alexei Tolstoi]], beginnend mit ''Zar Fjodor Joannowitsch'' aufführte. Seinen ersten durchschlagenden Erfolg hatte das Theater jedoch mit dem Stück ''[[Die Möwe]]'' des russischen [[Dramatiker]]s [[Anton Pawlowitsch Tschechow|Anton Tschechow]], das zuvor in St. Petersburg durchgefallen war.[[Datei:Stanislavski Seagull.jpg|mini|Stanislawski als Trigorin in ''Die Möwe'', mit Maria Roksanova]]
 
Das Künstlertheater spielte die internationale Dramatik des Realismus und Naturalismus. Neben den Stücken [[Henrik Ibsen]]s und [[Gerhart Hauptmann]]s stützte sich der Spielplan insbesondere auf die Stücke Tschechows, der dadurch als Autor von Theaterstücken erst bekannt wurde. ''[[Onkel Wanja]]'' wurde 1899 am Künstlertheater uraufgeführt, es folgten ''[[Drei Schwestern (Drama)|Drei Schwestern]]'' im Jahr 1901 und ''[[Der Kirschgarten]]'' 1904.<ref>''Theaterlexikon''. Hrsg. von C. Bernd Sucher. Deutscher Taschenbuchverlag, München 1996, S. 290–291</ref>
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Um 1905 war der psychologische Realismus Stanislawskis zur Perfektion gelangt, drohte jedoch zu erstarren. Neue Anregungen für die künstlerische Arbeit sollte die Einrichtung verschiedener Studios bringen. 1905 gründete der ehemalige Künstlertheater-Schauspieler [[Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold]], der inzwischen mit antirealistischen Inszenierungen Aufsehen erregt hatte, ein solches Studio. Es existierte jedoch wegen Differenzen mit Stanislawski nur ein Jahr lang. Meyerhold ging dann seinen eigenen Weg und wurde ein berühmter Regisseur. Andere Studios, zu denen beispielsweise der später bedeutende Regisseur [[Jewgeni Bagrationowitsch Wachtangow|Jewgeni B. Wachtangow]] zählte, hatten längere Zeit Bestand und belebten die Arbeit des Künstlertheaters. Insbesondere Wachtangows Inszenierung von [[Carlo Gozzi]]s ''Prinzessin Turandot'' wurde ein herausragender Erfolg.
Ein erneuter Versuch, das künstlerische Spektrum zu erweitern, waren Stanislawskis ab 1908 einsetzende Bemühungen, den englischen Theaterreformer [[Edward Gordon Craig]] zu gewinnen. Craigs ''Hamlet''-Inszenierung von 1912 wurde legendär, machte jedoch auch deutlich, wie weit seine künstlerischen Vorstellungen von denen Stanislawskis entfernt waren.
[[Datei:1947-12-24 Das Moskauer Künstlertheater von Arthur Luther.jpg|mini|Das Moskauer Künstlertheater (1947)]]
 
Auch Stanislawski selbst suchte als Regisseur nach neuen Wegen. 1908 inszenierte er [[Maurice Maeterlinck]]s [[Symbolismus|symbolistisches]] Märchen ''[[Der blaue Vogel]]''. Die Inszenierung wurde ein Welterfolg. Stanislawski suchte auch Kontakt zu avantgardistischen Malern und betraute [[Alexander Nikolajewitsch Benois|Alexandre Benois]], den führenden Bühnen- und Kostümbildner von [[Sergei Pawlowitsch Djagilew|Djagilews]] [[Ballets Russes]] mit der Leitung des Ausstattungswesens. 1916 trennten er sich jedoch von Benois, weil er fürchtete, die Theaterarbeit könne unter einer "Übermacht des Dekorativen" leiden.<ref>zitiert nach: Manfred Brauneck: ''Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters''. 4. Band. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart und Weimar 2003. ISBN 3-476-01616-1, S. 774</ref>
 
Unmittelbar nach der Oktoberrevolution begab sich das Ensemble auf eine ausgedehnte Auslands-Tournee. Nach der Rückkehr betätigte sich Stanislawski vorwiegend als Opernregisseur. Das Künstlertheater wurde zum akademischen Staatstheater (''Московский художественный академический театр'' – MChAT) erhoben und damit den ehemaligen kaiserlichen Theatern gleichgestellt. In den dreißiger Jahren wurde der [[Sozialistischer Realismus|Sozialistische Realismus]] zur verbindlichen und normativen Ästhetik in der Sowjetunion, und Stanislawskis Schauspieltheorie sowie seine Regiemethode zur Norm sowjetischer Theaterkunst. Auch das Künstlertheater konnte nicht gänzlich vor Erstarrung bewahrt werden. Die zum Teil jahrzehntelang konservierten Inszenierungen (wie Maeterlincks ''Der blaue Vogel'') waren kaum noch von dem Geist durchdrungen, der Stanislawskis Arbeit ursprünglich so aufregend gemacht hatte.
 
Von 1970 bis 2000 wurde das Theater von [[Oleg Nikolajewitsch Jefremow|Oleg Jefremow]] geleitet. Als eine der ersten Bühnen setzte sich das Künstlertheater mit Problemen der [[Perestroika]] in der UdSSR auseinander. 1987 teilte sich das Ensemble und gründete eine ''Vereinigung Künstlertheater''; Oleg Jefremow leitete das Ensemble, das im historischen Gebäude spielte. Ein zweites Ensemble arbeitete unter der künstlerischen Leitung von [[Tatjana Wassiljewna Doronina|Tatjana Doronina]] an der [[Twerskaja-Straße]]<ref>http://universal_lexikon.deacademic.com/275033/Moskauer_K%C3%BCnstlertheater, abgerufen am 4. Januar 2015</ref>, nur ein paar [[Baublock|Blöcke]] nordwestlich vom [[Roter Platz|Roten Platz]] entfernt.
 
Seit 2000 bis zu seinem Tod 2018 leitete [[Oleg Pawlowitsch Tabakow|Oleg Tabakow]] das Künstlertheater, dessen [[Signet]] eine [[Möwen|Möwe]] (nach Tschechows gleichnamigem Drama) ist. Seit 2004 trägt das Theater seinen heutigen Namen.
 
== Das künstlerische Programm Stanislawskis ==
[[Datei:StanislavskiBundesarchiv Bild 183-18073-0003, Konstantin Sergejewitsch Stanislawski.jpg|mini|Konstantin S. Stanislawski]]
Das Künstlertheater wurde durch eine grundlegende Theaterreform Stanislawskis europaweit bekannt und für die Entwicklung der Schauspielkunst über die Grenzen Russlands hinaus relevant. Stanislawski bekämpfte das bis dahin übliche [[Deklamation|Deklamations-Theater]] und Virtuosentum und verlangte ein realistisch-psychologisches Spiel, das auf Wahrhaftigkeit des Ausdrucks abzielte. Dieser sollte durch vollkommene Einfühlung des Schauspielers in die Rolle erreicht werden. Statt schludrig geprobter Aufführungen gab es im Künstlertheater sorgfältig erarbeitete Inszenierungen und statt reisender Stars ein ausgewogenes Ensemblespiel. Diese Grundlagen der Theaterarbeit gehen auf die Prinzipien der [[Meininger]] zurück, deren reformerische Ansätze durch Gastspiele auch in Russland bekannt geworden waren. Parallel zur Entwicklung der Theater-[[Regie]] in Deutschland – etwa mit [[Otto Brahm]] und [[Max Reinhardt]] – entstand so im Moskauer Künstlertheater ein modernes Verständnis von Regiearbeit und Ensembletheater. Stanislawski wandte sich auch in theoretischen Überlegungen der Führung und Schulung von Schauspielern zu, die später in ein groß angelegtes, wenngleich nicht zu Ende geführtes "System" der Schauspielkunst mündeten und noch heute – besonders im angelsächsischen Raum – grundlegend für die Ausbildung von Schauspielern sind. In New Yorks berühmtem Actors-Studio trainierte [[Lee Strasberg]] Hollywood-Schauspieler nach Stanislawskis Methode; in Prag inszenierte der Regisseur Otomar Krejca im Stanislawski-Stil, und auch die berühmte ''Drei Schwestern''-Inszenierung von [[Peter Stein]], die er 1984 an der [[Schaubühne am Lehniner Platz]] herausbrachte, stand ganz in der Tradition des großen russischen Theatermannes und lebte von der Identifikation der Schauspieler mit ihrer Figur.
 
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* [[Oleg Nikolajewitsch Jefremow|Oleg Jefremow]] (1927–2000)
* [[Jewgeni Alexandrowitsch Jewstignejew|Jewgeni Jewstignejew]] (1926–1992)
* [[Wassili Iwanowitsch Katschalow|Wassili Katschalow]] (1875–1948)
* [[Olga Leonardowna Knipper|Olga Knipper]] (1868–1959)
* [[Marija Petrowna Lilina|Marija Lilina]] (1866–1943)
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* [[Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold|Wsewolod Meyerhold]] (1874–1940)
* [[Jewgeni Witaljewitsch Mironow|Jewgeni Mironow]] (* 1966)
* [[Andrei Wassiljewitsch Mjagkow|Andrei Mjagkow]] (* 19381938–2021)
* [[Iwan Michailowitsch Moskwin|Iwan Moskwin]] (1874–1946)
* [[Maria Ouspenskaya]] (1876–1949)
* [[Innokenti Michailowitsch Smoktunowski|Innokenti Smoktunowski]] (1925–1994)
* [[Serafim Nikolajewitsch Sudbinin|Serafim Sudbinin]] (1867–1944)
* [[Oleg Pawlowitsch Tabakow|Oleg Tabakow]] (1935–2018)
 
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== Weblinks ==
{{Commonscat|Moscow Art Theatre}}
* [http://www.mxat.ru/ Offizielle Website] (russisch/englisch)
* [http://art.theatre.ru/ Webpräsenz] (russisch)