„Anonim Şirket“ – Versionsunterschied

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Die '''{{lang|tr|Anonim Şirket}}''' (auch: ''{{lang|tr|Anonim Ortaklık}}'', abgekürzt: '''A.Ş.''', {{deS|‚anonyme Gesellschaft‘}}) ist die [[Rechtsform]] einer [[Aktiengesellschaft]] in der [[Türkei]].
Die '''{{lang|tr|Anonim Şirket}}''' (auch ''{{lang|tr|Anonim Ortaklık}}'', abgekürzt '''A.Ş.''') ist die [[Rechtsform]] einer türkischen [[Aktiengesellschaft]].


Die AG unterscheidet sich von der GmbH durch leichtere Anteilsübertragung, höhere Kapitalerfordernisse und mehr Möglichkeiten, am Kapitalmarkt zu agieren.
Die Rechtsform der A.Ş. ist zwingend für [[Bank]]en, [[Versicherer|Versicherungen]], [[Leasing]]unternehmen und [[Kapitalanlage]]unternehmen vorgeschrieben<ref>[http://www.inter-kultur.de/imap-analyse%20Gesellschaftsrecht.pdf imap analyse: Türkisches Gesellschaftsrecht]</ref> und wird insbesondere von den [[Liste der größten Unternehmen in der Türkei|größeren türkischen Unternehmen]] genutzt.
Die Gründung der Istanbuler Aktienbörse [[İMKB]] 1989 hat sich zeitweise für A.Ş. sehr positiv ausgewirkt.<ref>[http://www.isoplan.de/mi/tr/tr5.htm Existenzgründung Türkei. Checkliste: Unternehmensformen] isoplan.de</ref>


Die [[Rechtspersönlichkeit]] der Aktiengesellschaft entsteht mit der Eintragung ins [[Handelsregister]] (''Ticaret Sicili'').
Die Gründung aller Gesellschaften zum Zwecke der Gewinnerzielung ist im türkischen Handelsgesetzbuch (''{{lang|tr|[[Türk Ticaret Kanunu]]}}'' /TTK) in Art. 136 nach dem [[Numerus clausus]]-Prinzip geregelt.
Zur Gründung einer A.Ş. sind mindestens fünf Kapitalgeber ([[juristische Person|juristische]] oder [[natürliche Person]]en) erforderlich, die alle im [[Gesellschaftsvertrag]] (''{{lang|tr|şirket anasözleşmesi}}'') aufgeführt sind und diesen auch unterschreiben.<ref name="ihk">[http://www.ihk-koeln.de/IHK_Laenderschwerpunkt_Tuerkei_Rechtl_Rahmenbed.AxCMS Aktiengesellschaft („Anonim Sirket“, A.S.)] IHK-Länderschwerpunkt Türkei</ref>
Der als Satzung bezeichnete Gesellschaftsvertrag muss einen bestimmten Mindestinhalt, wie persönliche Angaben der Gesellschafter, Gegenstand des Unternehmens, [[Firma|Handelsfirma]] und Sitz der Gesellschaft sowie Art und Höhe der Kapitaleinlagen, aufweisen und durch das Handelsministerium genehmigt werden.
Das Grundkapital bei Unternehmensgründung (in Form von Geld oder Sachleistungen) muss seit dem Jahr 2002 mindestens 50.000 [[Türkische Lira#Neunte Serie (E9)|TRY]] betragen (Art. 272 TTK).
Die Aktiengesellschaft besitzt nach Art. 269, 300 TTK mit der Eintragung ins Handelsregister eine eigne [[Rechtspersönlichkeit]].
Für [[Verbindlichkeiten]] haftet dann die A.Ş. mit ihrem Geschäftsvermögen; die Haftung der Anteilseigner ist auf ihren [[Aktie]]nanteil beschränkt.<ref name="ihk" />


Die Rechtsform der A.Ş. ist zwingend für [[Bank]]en, [[Versicherer|Versicherungen]], [[Leasing]]&shy;unternehmen und [[Kapitalanlage]]&shy;unternehmen vorgeschrieben und wird insbesondere von den [[Liste der größten Unternehmen in der Türkei|größeren türkischen Unternehmen]] genutzt.
Das türkische Handelsgesetzbuch von 1957 (TTK) wurde von [[Ernst Eduard Hirsch]] entworfen und vom [[Obligationenrecht (Schweiz)|schweizerischen]] und [[Handelsgesetzbuch|deutschen Handelsgesetz]] beeinflusst. Im Jahre 1999 wurde ein neues HGB geplant<ref>[http://portal.wko.at/wk/dok_detail_file.wk?AngID=1&DocID=419940&StID=208930 Besonderheiten bei Handelsfinanzierungen in der Türkei] Bozkurt Oktober 2005</ref> und ein Entwurf liegt seit 2005 vor<ref>[http://www.iprax.de/NI_2006_01.htm Entwurf eines neuen türkischen Handelsgesetzbuches] Hilmar Krüger, Köln, Neueste Informationen IPrax Heft Januar 2006</ref><ref>[http://www.turkey-now.org/db/Docs/turkey-en_audit_NewChallengesforTCL_020108_EN.pdf New Challenges For Turkish Commercial Law: Draft of the New Turkish Code of Commerce] (PDF; 981&nbsp;kB) S. Anlam Altay, Serap Amasya. Deloitte Turkey, 2007</ref>, hat jedoch bisher nicht Gesetzeskraft.

== Das türkische Handels- und Gesellschaftsrecht ==
Das türkische Gesellschaftsrecht ist, abgesehen von der Einfachen Gesellschaft, den Vereinen und den Genossenschaften, in Art. 124 ff. des türkischen Handelsgesetzbuchs (''{{lang|tr|[[Türk Ticaret Kanunu]]}}'' /TTK) geregelt.

Das heutige Handelsgesetzbuch<ref>[https://www.mevzuat.gov.tr/MevzuatMetin/1.5.6102.pdf Gesetz Nr. 6102] vom 13. November 2011, Amtsblatt (Resmi Gazete) Nr. 27846 vom 14. Dezember 2011 (in jeweils aktueller Fassung).</ref> trat am 1. Juli 2012 in Kraft und ersetzt das 1957 in Kraft getretene, von [[Ernst Eduard Hirsch]] entworfene alte Handelsgesetzbuch.<ref>[https://www.mevzuat.gov.tr/MevzuatMetin/5.3.6762.pdf Gesetz Nr. 6762], auf mevzuat.gov.tr</ref> Das Gesellschaftsrecht beruht auf dem Vorbild des [[Obligationenrecht (Schweiz)#Dritte Abteilung: Die Handelsgesellschaften und die Genossenschaft|fünften Buches des Schweizer Obligationenrechts]].

== Gründung ==
Zur Gründung einer A.Ş. ist seit dem 1. Juli 2012 nur eine [[Juristische Person|juristische]] oder [[natürliche Person]] erforderlich. Der als Satzung (''tüzük'', ''ana sözleşme'') bezeichnete Gesellschaftsvertrag muss einen bestimmten Mindestinhalt wie persönliche Angaben der Gesellschafter, Gegenstand des Unternehmens, [[Firma|Handelsfirma]] und Sitz der Gesellschaft sowie Art und Höhe der Kapitaleinlagen aufweisen.
Das Grundkapital bei Unternehmensgründung (in Form von Geld oder Sachleistungen) muss mindestens 50.000 [[Türkische Lira#Neunte Serie (E9)|TL]] betragen. Sacheinlagen sind zulässig.

Der Notar spielt bei der Gründung keine wesentliche Rolle mehr, die Gründung erfolgt direkt über das Handelsregister bzw. das elektronische Handelsregistersystem Mersis.

Seit dem 1. Juli 2012 unterscheidet das Gesetz nicht mehr zwischen Einheits- und Stufengründung, sondern zwischen nicht registriertem und registriertem Kapitalsystem. Beim nicht registrierten Kapitalsystem entsteht eine „gewöhnliche“ Aktiengesellschaft, sie benötigt als Grundkapital mindestens 50.000 TL. Im „registrierten System“ muss das Stammkapital mindestens 100.000 TL betragen. Hier kann die AG bei der Kapitalmarktaufsicht (''Sermaye Piyasası Kurulu'')<ref>[https://www.cmb.gov.tr/ Capital Markets Board of Turkey], auf cmb.gov.tr</ref> eine Kapitalobergrenze eintragen lassen, bis zu welcher der Vorstand die Kapitalerhöhung selbst vornehmen, also jederzeit auch Aktien ausgeben kann. Damit wird dem Bedürfnis entgegengekommen, auch bei fehlender Börsennotierung sich schnelles Kapital am Markt verschaffen zu können.

Bei der Bargründung müssen 25 % des Kapitals vor der Gründung eingezahlt werden, der Rest innerhalb von 24 Monaten. Eine [[Kapitalerhöhung]] setzt vollständige Einzahlung des Gründungskapitals voraus.

Rücklagenerfordernisse sind gesetzlich geregelt (20 %). Ein Anteil hat einen Wert von mindestens 1 KR (= 0,01 TL).

In der Satzung sind Gesellschaftszweck, Sitz, Kapital, Anteilsinhaber und Anteilsverhältnis, Regeln über die Einzahlung des Kapitals, Vorstand und Vertretungsverhältnisse, Revisionsstelle (nicht vergleichbar mit dem deutschen [[Aufsichtsrat]]!) und Gewinnverteilung zu regeln. Derzeit benötigen nur große Aktiengesellschaften eine Revisionsstelle. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den zwingenden Voraussetzungen ihrer Einrichtung, bestimmt der Präsident der Republik. Zuletzt hat er 2018 verfügt, dass Aktiengesellschaften mit bilanziellen Aktiva von mindestens 35 Millionen TL eine Revisionsstelle benötigen.<ref>{{Internetquelle |autor=Beschluss des Präsidenten 2018/11597 |url=https://www.resmigazete.gov.tr/eskiler/2018/05/20180526-2.pdf |titel=Amtsblatt Nr. 30432 vom 26.5.2018 |abruf=2021-06-24}}</ref> Die Revisionsstelle muss aus einem geeigneten Berufsträger bestehen (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater). Sie wird durch die Generalversammlung gewählt und überwacht die Tätigkeit des Vorstandes in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie hat indirekte Eingriffsmöglichkeiten (Antragsrechte bei Gericht). Die Revisionsstelle darf keinerlei Abhängigkeitsverhältnis und keine organschaftliche Beziehung zur AG haben.

Die Satzung kann, mit bestimmten Ausnahmen (wie Sitzverlegung ins Ausland, vollständige Änderung des Gesellschaftszwecks u.&nbsp;a.), mit einfacher Mehrheit geändert werden.

Die AG endet durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss, Gerichtsbeschluss oder [[Insolvenz|Konkurs]] (''iflâs''). Eine befristete Dauer der Aktiengesellschaft ist durch das Gesetz nicht vorgesehen.

Die Minderheitsrechte sind insoweit gestärkt worden, als eine qualifizierte Minderheit die Auflösung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erzwingen kann. Auch die Kontrollmöglichkeiten durch Minderheit sind mit dem neuen HGB gestärkt worden.

Die Übertragung von Aktien ist einfachschriftlich möglich, bedarf also weder eines Notars noch der Eintragung in das Handelsregister. Es ist ein Aktienbuch zu führen.

== Leitung ==
Die Leitung obliegt dem Vorstand (''yönetim kurulu''), der dem Schweizer [[Verwaltungsrat]] entspricht. Der Vorstand kann auch aus einer juristischen Person bestehen, welche dann einen Vertreter (''temsilci'') zu ernennen hat, der die Aufgaben des Vorstandes durchführt. Der Vorstand gibt sich eine eigene Geschäftsordnung, er kann Aufgaben auf Geschäftsführer (''müdür'') delegieren. Es können auch ein oder mehrere Prokuristen (''ticari temsilci'') bestellt werden.

== Beendigung ==
Wird die AG beendet, schließt das Liquidationsverfahren an. Der Ausschluss oder auch nur eigene Ausstieg eines Gesellschafters ist auf Antrag durch Gerichtsbeschluss möglich. Schließlich kann die Gesellschaft auch nach Durchführung eines Konkursverfahrens, das auch durch Gläubiger in die Wege geleitet werden kann, durch Liquidation beendet werden. Im Gesellschaftervertrag können auch bestimmte Verfahren der Auseinandersetzung vereinbart werden.

Die ordentliche [[Liquidation]] einer türkischen Kapitalgesellschaft dauert mindestens sechs Monate (Anmeldefrist für Forderungen). Sie endet, wenn der Schlussbericht keinerlei Außenstände und die Beendigung aller möglicherweise laufenden Gerichtsverfahren aufweist, aufgrund eines beim Handelsregister zu stellenden Löschungsantrags. Durchgeführt wird die Liquidation durch einen oder mehrere Liquidatoren, die durch die Gesellschafterversammlung bestellt werden.

== Haftung ==
Für [[Verbindlichkeit]]en haftet die A.Ş. mit ihrem Geschäftsvermögen; die Haftung der Anteilseigner ist auf ihren nominalen [[Aktie]]nanteil beschränkt.

Eine Besonderheit des türkischen Rechts besteht in der Haftung von Vorstand/Geschäftsführer für öffentliche Forderungen wie Steuern und Sozialabgaben. Die Haftung ist nicht beschränkt. Die Haftung für öffentliche Forderungen trifft, anders als bei der GmbH, aber nicht die Aktionäre.

Die Haftung wird in der Regel in der Insolvenz relevant. Allerdings kann das Finanzamt bei beharrlicher Nichtzahlung von Steuern schon während der noch laufenden Gesellschaft mbH Pfändungen ausbringen. Hierfür kann dann wiederum durch die betroffenen Gesellschafter der Geschäftsführer haftbar gemacht werden. Die Haftungsregelungen gegen Gesellschafter gelten nicht für die Aktiengesellschaft.
Vorstand und Geschäftsführer haften für ihre Verfehlungen gegenüber der Gesellschaft. Darüber hinaus haften sie u.&nbsp;U. Dritten gegenüber wegen unerlaubter Handlungen. Ist die unerlaubte Handlung auch der Gesellschaft zuzurechnen, haften Vorstand/Geschäftsführer gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft.

== Umwandlung, Fusion und Spaltung ==

=== Umwandlung ===
Bei der ''[[Umwandlung (Gesellschaftsrecht)|Umwandlung]]'' (''tür değiştirme'') geht es um einen Formwechsel.<ref>{{Webarchiv|url=https://www.atso.org.tr/icerik/7/256/tur-degisikligi.html |wayback=20210625181233 |text=Tür Değişikliği |archiv-bot=2023-06-10 08:00:58 InternetArchiveBot }}, auf atso.org.tr</ref> Die Umwandlung wird ähnlich wie die Gründung eines Unternehmens in der neuen Form behandelt. Die Geschäftsleitung hat eine Zwischenbilanz, einen Umwandlungsplan und einen Umwandlungsbericht zu erstellen. Stimmrechte und Rechte am Ertrag sollen erhalten bleiben; ist dies nicht möglich – etwa wenn Vorzugsaktien in normale Geschäftsanteile übergehen –, ist eine Abfindung zu bezahlen.

=== Fusion ===
Es gibt zwei grundlegende Formen der ''[[Fusion (Wirtschaft)|Fusion]] (birleşme)'':

* Verschmelzung: zwei oder mehr Unternehmen gehen in einem neuen Unternehmen auf.
* Übernahme: ein Unternehmen übernimmt das andere mit sämtlichen Aktiva und Passiva. Das übernommene Unternehmen wird im Handelsregister gelöscht.

In beiden Fällen entsteht eine neue Vermögensgesamtheit, die für alle Verbindlichkeiten der früheren Gesellschaften haftet und in deren Forderungen eintritt. Übernahme und Verschmelzung können auch mit einem Formwandel verbunden werden, die GmbH also in die AG oder umgekehrt umgewandelt werden. Auch Personengesellschaften und Genossenschaften können mit Kapitalgesellschaften verschmolzen oder in solche umgewandelt werden. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen können Gesellschafter ausscheiden, ggf. können auch Abfindungen für ausscheidende Gesellschafter vorgesehen werden. Es ist darauf zu achten, dass ein unterkapitalisiertes Unternehmen nur dann übernommen werden kann, wenn die übernehmende Gesellschaft für die Kapitalisierung Sorge trägt.

=== Spaltung ===
Bei der ''vollständigen Auf[[Spaltung (Recht)|spaltung]]'' (''bölünme'') wird das gesamte Vermögen der Gesellschaft aufgeteilt und auf mindestens zwei andere Gesellschaften übertragen. Die aufgespaltene Gesellschaft wird liquidiert.

Bei der ''teilweisen Aufspaltung'' beschränkt sich der beschriebene Vorgang auf einzelne Teile der Gesellschaft, die in einer anderen Gesellschaft aufgenommen werden. Die aufgespaltene Gesellschaft überlebt. Bei der aufgespaltenen Gesellschaft verringert sich entsprechend das Kapital, während es sich bei der übernehmenden Gesellschaft entsprechend erhöht. Es müssen Zwischen- bzw. Gründungsbilanzen errichtet werden. Es wird ein Aufspaltungsplan errichtet. Die übernehmende und die aufspaltende Gesellschaft haben einen Übernahmevertrag abzuschließen. Ferner ist ein Aufspaltungsbericht zu erstellen.

== Steuern ==
Gesellschafter und Geschäftsführer müssen in der Türkei eine Steuernummer beantragen. Des Weiteren überprüfen die Finanzbehörden im Zuge der Gründung, ob ein funktionstüchtiges Geschäftslokal zur Verfügung steht. Damit ist die Gründung von Briefkastenfirmen ausgeschlossen.

Die [[Körperschaftsteuer]] beträgt von Gesetzes wegen 20 % des Gewinns, kann erhöht werden (derzeit 22 %). Hinzu kommen schwankende Sonderabgaben – meist als Fondsabgaben –, die den Steueraufwand geringfügig erhöhen. Weitere Steuerarten, die Gesellschaften betreffen können, sind die Grund- und Immobiliensteuer, Stempelsteuer, Umsatz- und Mehrwertsteuer, Sonderverbrauchssteuer, Anzeige- und Reklamesteuer, Abgaben auf Gesellschafterdarlehen und Umweltabgaben. Zu achten ist auf Vorauszahlungsverpflichtungen bei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer. Eine „Gewerbesteuer“ gibt es in der Türkei nicht. In der Summe ist die Steuerbelastung für türkische Kapitalgesellschaften geringer als in Deutschland (max. 25 %, in Deutschland mehr als 30 %).

Der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn wird nach Abzug aller dem Gesellschaftszweck entsprechenden Ausgaben ermittelt. Verzugszinsen sind nicht abzugsfähig.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Christian Rumpf]]: ''Einführung in das türkische Recht''. C. H. Beck, München 2004, ISBN 978-3-406-51293-3, S.&nbsp;349–355.
* [[Christian Rumpf (Rechtswissenschaftler)|Christian Rumpf]]: ''Einführung in das türkische Recht''. C. H. Beck, 2. Aufl., München 2016, ISBN 978-3-406-65766-5, S.&nbsp;253 ff.
* Ali Cem Budak/Mustafa Okan Yağcı, ''Introduction to Turkish Business Law'', Adalet, Ankara 2020, ISBN 978-625-708-895-4
* Tuğrul Ansay/Don WALLACE Jr/Işık ÖNAY, ''Introduction to Turkish Law'', WolterKluwers/Seçkin, 7. Aufl., Ankara 2020, ISBN 978-975-02-6361-3.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://www.tuerkei-recht.de/aktuell/texte-rechtsvorschriften/index.php Übersicht über das türkische Handels- und Gesellschaftsrecht] (Portal Recht und Wirtschaft der Türkei)
*[http://www.tuerkei-recht.de/T%FCrk_Ticaret_Kanunu.pdf Türk Ticaret Kanunu (TTK, türk.)] türkisches Handelsgesetzbuch ([http://www.tuerkei-recht.de/HGB_tr_Entwurf.pdf neuer Entwurf]; 1,52&nbsp;MB)
* [https://www.izto.org.tr/tr/tg/anonim-sirketler Überblick bei der Handelskammer İzmir] (türkisch)
*[http://www.hermesprojekt.de/de/lebensgemeinschaft/tuerkei/selbstaendigkeit/aktiengesellschaft_tuerkei.htm Türkische Aktiengesellschaft] Mehmet Köksal und Monika Tuğutlu, Istanbul Post


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 24. März 2024, 11:14 Uhr

Die Anonim Şirket (auch Anonim Ortaklık, abgekürzt A.Ş.) ist die Rechtsform einer türkischen Aktiengesellschaft.

Die AG unterscheidet sich von der GmbH durch leichtere Anteilsübertragung, höhere Kapitalerfordernisse und mehr Möglichkeiten, am Kapitalmarkt zu agieren.

Die Rechtspersönlichkeit der Aktiengesellschaft entsteht mit der Eintragung ins Handelsregister (Ticaret Sicili).

Die Rechtsform der A.Ş. ist zwingend für Banken, Versicherungen, Leasing­unternehmen und Kapitalanlage­unternehmen vorgeschrieben und wird insbesondere von den größeren türkischen Unternehmen genutzt.

Das türkische Handels- und Gesellschaftsrecht

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Das türkische Gesellschaftsrecht ist, abgesehen von der Einfachen Gesellschaft, den Vereinen und den Genossenschaften, in Art. 124 ff. des türkischen Handelsgesetzbuchs (Türk Ticaret Kanunu /TTK) geregelt.

Das heutige Handelsgesetzbuch[1] trat am 1. Juli 2012 in Kraft und ersetzt das 1957 in Kraft getretene, von Ernst Eduard Hirsch entworfene alte Handelsgesetzbuch.[2] Das Gesellschaftsrecht beruht auf dem Vorbild des fünften Buches des Schweizer Obligationenrechts.

Zur Gründung einer A.Ş. ist seit dem 1. Juli 2012 nur eine juristische oder natürliche Person erforderlich. Der als Satzung (tüzük, ana sözleşme) bezeichnete Gesellschaftsvertrag muss einen bestimmten Mindestinhalt wie persönliche Angaben der Gesellschafter, Gegenstand des Unternehmens, Handelsfirma und Sitz der Gesellschaft sowie Art und Höhe der Kapitaleinlagen aufweisen. Das Grundkapital bei Unternehmensgründung (in Form von Geld oder Sachleistungen) muss mindestens 50.000 TL betragen. Sacheinlagen sind zulässig.

Der Notar spielt bei der Gründung keine wesentliche Rolle mehr, die Gründung erfolgt direkt über das Handelsregister bzw. das elektronische Handelsregistersystem Mersis.

Seit dem 1. Juli 2012 unterscheidet das Gesetz nicht mehr zwischen Einheits- und Stufengründung, sondern zwischen nicht registriertem und registriertem Kapitalsystem. Beim nicht registrierten Kapitalsystem entsteht eine „gewöhnliche“ Aktiengesellschaft, sie benötigt als Grundkapital mindestens 50.000 TL. Im „registrierten System“ muss das Stammkapital mindestens 100.000 TL betragen. Hier kann die AG bei der Kapitalmarktaufsicht (Sermaye Piyasası Kurulu)[3] eine Kapitalobergrenze eintragen lassen, bis zu welcher der Vorstand die Kapitalerhöhung selbst vornehmen, also jederzeit auch Aktien ausgeben kann. Damit wird dem Bedürfnis entgegengekommen, auch bei fehlender Börsennotierung sich schnelles Kapital am Markt verschaffen zu können.

Bei der Bargründung müssen 25 % des Kapitals vor der Gründung eingezahlt werden, der Rest innerhalb von 24 Monaten. Eine Kapitalerhöhung setzt vollständige Einzahlung des Gründungskapitals voraus.

Rücklagenerfordernisse sind gesetzlich geregelt (20 %). Ein Anteil hat einen Wert von mindestens 1 KR (= 0,01 TL).

In der Satzung sind Gesellschaftszweck, Sitz, Kapital, Anteilsinhaber und Anteilsverhältnis, Regeln über die Einzahlung des Kapitals, Vorstand und Vertretungsverhältnisse, Revisionsstelle (nicht vergleichbar mit dem deutschen Aufsichtsrat!) und Gewinnverteilung zu regeln. Derzeit benötigen nur große Aktiengesellschaften eine Revisionsstelle. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den zwingenden Voraussetzungen ihrer Einrichtung, bestimmt der Präsident der Republik. Zuletzt hat er 2018 verfügt, dass Aktiengesellschaften mit bilanziellen Aktiva von mindestens 35 Millionen TL eine Revisionsstelle benötigen.[4] Die Revisionsstelle muss aus einem geeigneten Berufsträger bestehen (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater). Sie wird durch die Generalversammlung gewählt und überwacht die Tätigkeit des Vorstandes in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie hat indirekte Eingriffsmöglichkeiten (Antragsrechte bei Gericht). Die Revisionsstelle darf keinerlei Abhängigkeitsverhältnis und keine organschaftliche Beziehung zur AG haben.

Die Satzung kann, mit bestimmten Ausnahmen (wie Sitzverlegung ins Ausland, vollständige Änderung des Gesellschaftszwecks u. a.), mit einfacher Mehrheit geändert werden.

Die AG endet durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss, Gerichtsbeschluss oder Konkurs (iflâs). Eine befristete Dauer der Aktiengesellschaft ist durch das Gesetz nicht vorgesehen.

Die Minderheitsrechte sind insoweit gestärkt worden, als eine qualifizierte Minderheit die Auflösung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erzwingen kann. Auch die Kontrollmöglichkeiten durch Minderheit sind mit dem neuen HGB gestärkt worden.

Die Übertragung von Aktien ist einfachschriftlich möglich, bedarf also weder eines Notars noch der Eintragung in das Handelsregister. Es ist ein Aktienbuch zu führen.

Die Leitung obliegt dem Vorstand (yönetim kurulu), der dem Schweizer Verwaltungsrat entspricht. Der Vorstand kann auch aus einer juristischen Person bestehen, welche dann einen Vertreter (temsilci) zu ernennen hat, der die Aufgaben des Vorstandes durchführt. Der Vorstand gibt sich eine eigene Geschäftsordnung, er kann Aufgaben auf Geschäftsführer (müdür) delegieren. Es können auch ein oder mehrere Prokuristen (ticari temsilci) bestellt werden.

Wird die AG beendet, schließt das Liquidationsverfahren an. Der Ausschluss oder auch nur eigene Ausstieg eines Gesellschafters ist auf Antrag durch Gerichtsbeschluss möglich. Schließlich kann die Gesellschaft auch nach Durchführung eines Konkursverfahrens, das auch durch Gläubiger in die Wege geleitet werden kann, durch Liquidation beendet werden. Im Gesellschaftervertrag können auch bestimmte Verfahren der Auseinandersetzung vereinbart werden.

Die ordentliche Liquidation einer türkischen Kapitalgesellschaft dauert mindestens sechs Monate (Anmeldefrist für Forderungen). Sie endet, wenn der Schlussbericht keinerlei Außenstände und die Beendigung aller möglicherweise laufenden Gerichtsverfahren aufweist, aufgrund eines beim Handelsregister zu stellenden Löschungsantrags. Durchgeführt wird die Liquidation durch einen oder mehrere Liquidatoren, die durch die Gesellschafterversammlung bestellt werden.

Für Verbindlichkeiten haftet die A.Ş. mit ihrem Geschäftsvermögen; die Haftung der Anteilseigner ist auf ihren nominalen Aktienanteil beschränkt.

Eine Besonderheit des türkischen Rechts besteht in der Haftung von Vorstand/Geschäftsführer für öffentliche Forderungen wie Steuern und Sozialabgaben. Die Haftung ist nicht beschränkt. Die Haftung für öffentliche Forderungen trifft, anders als bei der GmbH, aber nicht die Aktionäre.

Die Haftung wird in der Regel in der Insolvenz relevant. Allerdings kann das Finanzamt bei beharrlicher Nichtzahlung von Steuern schon während der noch laufenden Gesellschaft mbH Pfändungen ausbringen. Hierfür kann dann wiederum durch die betroffenen Gesellschafter der Geschäftsführer haftbar gemacht werden. Die Haftungsregelungen gegen Gesellschafter gelten nicht für die Aktiengesellschaft. Vorstand und Geschäftsführer haften für ihre Verfehlungen gegenüber der Gesellschaft. Darüber hinaus haften sie u. U. Dritten gegenüber wegen unerlaubter Handlungen. Ist die unerlaubte Handlung auch der Gesellschaft zuzurechnen, haften Vorstand/Geschäftsführer gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft.

Umwandlung, Fusion und Spaltung

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Bei der Umwandlung (tür değiştirme) geht es um einen Formwechsel.[5] Die Umwandlung wird ähnlich wie die Gründung eines Unternehmens in der neuen Form behandelt. Die Geschäftsleitung hat eine Zwischenbilanz, einen Umwandlungsplan und einen Umwandlungsbericht zu erstellen. Stimmrechte und Rechte am Ertrag sollen erhalten bleiben; ist dies nicht möglich – etwa wenn Vorzugsaktien in normale Geschäftsanteile übergehen –, ist eine Abfindung zu bezahlen.

Es gibt zwei grundlegende Formen der Fusion (birleşme):

  • Verschmelzung: zwei oder mehr Unternehmen gehen in einem neuen Unternehmen auf.
  • Übernahme: ein Unternehmen übernimmt das andere mit sämtlichen Aktiva und Passiva. Das übernommene Unternehmen wird im Handelsregister gelöscht.

In beiden Fällen entsteht eine neue Vermögensgesamtheit, die für alle Verbindlichkeiten der früheren Gesellschaften haftet und in deren Forderungen eintritt. Übernahme und Verschmelzung können auch mit einem Formwandel verbunden werden, die GmbH also in die AG oder umgekehrt umgewandelt werden. Auch Personengesellschaften und Genossenschaften können mit Kapitalgesellschaften verschmolzen oder in solche umgewandelt werden. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen können Gesellschafter ausscheiden, ggf. können auch Abfindungen für ausscheidende Gesellschafter vorgesehen werden. Es ist darauf zu achten, dass ein unterkapitalisiertes Unternehmen nur dann übernommen werden kann, wenn die übernehmende Gesellschaft für die Kapitalisierung Sorge trägt.

Bei der vollständigen Aufspaltung (bölünme) wird das gesamte Vermögen der Gesellschaft aufgeteilt und auf mindestens zwei andere Gesellschaften übertragen. Die aufgespaltene Gesellschaft wird liquidiert.

Bei der teilweisen Aufspaltung beschränkt sich der beschriebene Vorgang auf einzelne Teile der Gesellschaft, die in einer anderen Gesellschaft aufgenommen werden. Die aufgespaltene Gesellschaft überlebt. Bei der aufgespaltenen Gesellschaft verringert sich entsprechend das Kapital, während es sich bei der übernehmenden Gesellschaft entsprechend erhöht. Es müssen Zwischen- bzw. Gründungsbilanzen errichtet werden. Es wird ein Aufspaltungsplan errichtet. Die übernehmende und die aufspaltende Gesellschaft haben einen Übernahmevertrag abzuschließen. Ferner ist ein Aufspaltungsbericht zu erstellen.

Gesellschafter und Geschäftsführer müssen in der Türkei eine Steuernummer beantragen. Des Weiteren überprüfen die Finanzbehörden im Zuge der Gründung, ob ein funktionstüchtiges Geschäftslokal zur Verfügung steht. Damit ist die Gründung von Briefkastenfirmen ausgeschlossen.

Die Körperschaftsteuer beträgt von Gesetzes wegen 20 % des Gewinns, kann erhöht werden (derzeit 22 %). Hinzu kommen schwankende Sonderabgaben – meist als Fondsabgaben –, die den Steueraufwand geringfügig erhöhen. Weitere Steuerarten, die Gesellschaften betreffen können, sind die Grund- und Immobiliensteuer, Stempelsteuer, Umsatz- und Mehrwertsteuer, Sonderverbrauchssteuer, Anzeige- und Reklamesteuer, Abgaben auf Gesellschafterdarlehen und Umweltabgaben. Zu achten ist auf Vorauszahlungsverpflichtungen bei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer. Eine „Gewerbesteuer“ gibt es in der Türkei nicht. In der Summe ist die Steuerbelastung für türkische Kapitalgesellschaften geringer als in Deutschland (max. 25 %, in Deutschland mehr als 30 %).

Der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn wird nach Abzug aller dem Gesellschaftszweck entsprechenden Ausgaben ermittelt. Verzugszinsen sind nicht abzugsfähig.

Einzelnachweise

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  1. Gesetz Nr. 6102 vom 13. November 2011, Amtsblatt (Resmi Gazete) Nr. 27846 vom 14. Dezember 2011 (in jeweils aktueller Fassung).
  2. Gesetz Nr. 6762, auf mevzuat.gov.tr
  3. Capital Markets Board of Turkey, auf cmb.gov.tr
  4. Beschluss des Präsidenten 2018/11597: Amtsblatt Nr. 30432 vom 26.5.2018. Abgerufen am 24. Juni 2021.
  5. Tür Değişikliği (Memento des Originals vom 25. Juni 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.atso.org.tr, auf atso.org.tr