„Hinrich Lichtenstein“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Markierung: Begriffsklärungsseiten-Links
Zeile 4: Zeile 4:


== Leben ==
== Leben ==
Martin Hinrich Lichtenstein wurde als Sohn des Zoologen und Bibliothekars [[Anton August Heinrich Lichtenstein]] in Hamburg geboren. Die von ihm bevorzugt verwendete Namensform "Hinrich" sollte auf seine hanseatische Herkunft verweisen. Vorfahren waren im späten 17. Jahrhundert zum Protestantismus übergetretene Juden. Lichtenstein ging im Hamburger [[Joanneum]] zur Schule und studierte in [[Universität Jena|Jena]] und [[Universität Helmstedt|Helmstedt]] Medizin und promovierte 1802 zum [[Dr. med.]].
Martin Hinrich Lichtenstein wurde als Sohn des Zoologen und Bibliothekars [[Anton August Heinrich Lichtenstein]] in Hamburg geboren. Die von ihm bevorzugt verwendete Namensform "Hinrich" sollte auf seine hanseatische Herkunft verweisen. Vorfahren waren im späten 17. Jahrhundert zum Protestantismus übergetretene Juden. Lichtenstein ging im Hamburger [[Johanneum]] zur Schule, wo der Vater Lehrer und Rektor war und [[Karl August Varnhagen von Ense]] sein Kommilitone, studierte ab 1799 in [[Universität Jena|Jena]] und [[Universität Helmstedt|Helmstedt]] Medizin und promovierte am 26. April 1802 zum [[Dr. med.]]. Die folgende Monate verbrachte Lichtenstein in Braunschweig, um sich auf Südafrika vorzubereiten. Untersützt wurde er dabei vom Entomologen [[Johann Christian Ludwig Hellwig]], dessen Schüler, dem Zoologen [[Johann Karl Wilhelm Illiger]], und dem Botaniker [[Johann Centurius von Hoffmannsegg]], alle am dortigen [[Collegium Carolinum]] tätig.


Von Ende 1802 bis 1806 erforschte Lichtenstein [[Südafrika]], anfangs als Arzt des niederländischen Gouverneurs der Kapkolonie. Insgesamt unternahm er fünf größere Reisen weit über die Grenzen der damaligen niederländischen Kapkolonie hinaus. Auf der Hin- und Rückfahrt besuchte er auch [[Teneriffa]] bzw. [[St. Helena]]. Sein zweibändiges Werk ''Reisen durch das südliche Africa'' 1811/1812 beschrieb erstmals wissenschaftlich in deutscher Sprache Südafrika und wurde ein Publikumserfolg. Für Alexander von Humboldt und Goethe wurde er Auskunftspartner zu Südafrika.
Von Ende 1802 bis 1806 erforschte Lichtenstein [[Südafrika]], anfangs als Arzt und als Hauslehrer des Sohnes des Gouverneurs der Kapkolonie [[Jan Willem Janssen]]. Insgesamt unternahm er fünf größere Reisen weit über die Grenzen der damaligen niederländischen Kapkolonie hinaus. Mit der britischen Invasion Anfang 1806 endete sein Aufenthalt. Auf der Hin- bzw. Rückfahrt besuchte er auch [[Teneriffa]] bzw. [[St. Helena]]. Sein zweibändiges Werk ''Reisen durch das südliche Africa'' 1811/1812 beschrieb erstmals wissenschaftlich in deutscher Sprache Südafrika, seine Natur und Völkerschaften, und wurde ein Publikumserfolg. Für Alexander von Humboldt und Goethe wurde er damit Auskunftsgeber zu Südafrika.


1810 wurde Lichtenstein nach dem vorzeitigen Tod von Karl Illiger zum eigentlichen Gründer des Zoologischen Museums in Berlin, den Vorgänger des heutigen [[Museum für Naturkunde]]. Er wurde auf Vorschlag von [[Johann Gottlieb Fichte]] 1811 der erste Professor auf dem neu errichteten Lehrstuhl für Zoologie an der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Universität zu Berlin]], zu deren [[Rektor#Akademische Ämter|Rektor]] er in den Jahren 1820/21, 1826/27 und 1840/41 ernannt wurde.
Lichtenstein wurde auf Vorschlag von [[Johann Gottlieb Fichte]] 1811 der erste Professor auf dem neu errichteten Lehrstuhl für Zoologie an der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Universität zu Berlin]], zu deren [[Rektor#Akademische Ämter|Rektor]] er in den Jahren 1820/21, 1826/27 und 1840/41 ernannt wurde.
[[Datei:Alberti (1810) Kuods gevegt der Kaffers.jpg|links|mini|Abbildung aus Lichtensteins ''Reisen im südlichen Afrika 1803–1806'': Afrikaner kämpfen mit Schlagstöcken]]
[[Datei:Alberti (1810) Kuods gevegt der Kaffers.jpg|links|mini|Abbildung aus Lichtensteins ''Reisen im südlichen Afrika 1803–1806'': Afrikaner kämpfen mit Schlagstöcken]]

1813 wurde er Direktor des [[Museum für Naturkunde (Berlin)|Zoologischen Museums]] in [[Berlin]], war von 1813 bis 1857 Mitglied der [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften]] sowie 1818–1857 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher [[Leopoldina]].
1813 wurde Lichtenstein nach dem vorzeitigen Tuberkulosetod des erst 37jährigen Karl Illiger zum eigentlichen Gründer des Zoologischen Museums in Berlin, den Vorgänger des heutigen [[Museum für Naturkunde]]. 44 Jahre lang leitete er das Museum, das sich damals noch im Prinz-Heinrich-Bau unter den Linden (heutige Humboldt-Universität) befand und wo Lichtenstein mit seiner Familie "unter seinen ausgestopften Löwen und Tigern"/ref>Karl Gutzkow: ''Das Kastanienwäldchen in Berlin'', in: ''Berliner Erinnerungen und Erlebnisse'', Berlin 1961, S. 136.</ref> auch lebte. Er war von 1813 bis 1857 Mitglied der [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften]] sowie 1818–1857 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher [[Leopoldina]].


Lichtenstein war Initiator und erster Direktor des Zoologischen Garten Berlins<ref> {{LuiseBMS |Autor=<!-- - --> |Titel=Berlin-Kalender (September) |ID=kala |Nr=9 |Jahr=1998 |Seite=121}}</ref> und überredete 1841 [[Friedrich Wilhelm IV.|Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] von [[Preußen]], nicht nur ein [[Darlehen (Deutschland)|Darlehen]], sondern auch einen Teil des Geländes seiner [[Fasanerie]] am [[Großer Tiergarten|Berliner Tiergarten]] für die Errichtung des Zoos unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dazu verfasste Lichtenstein bereits 1840 ein [[Memorandum]] an den König. Der Text dieser Denkschrift ist seit 1877 verloren. Sicher ist jedoch, dass [[Alexander von Humboldt]] sie König Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. vorlegte, der mit einer daraufhin erlassenen „Allerhöchsten Kabinettsordre vom 31. Januar 1841“ die Gründung des Zoologischen Gartens ermöglichte.
Lichtenstein war Initiator und erster Direktor des Zoologischen Garten Berlins<ref> {{LuiseBMS |Autor=<!-- - --> |Titel=Berlin-Kalender (September) |ID=kala |Nr=9 |Jahr=1998 |Seite=121}}</ref> und überredete 1841 [[Friedrich Wilhelm IV.|Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] von [[Preußen]], nicht nur ein [[Darlehen (Deutschland)|Darlehen]], sondern auch einen Teil des Geländes seiner [[Fasanerie]] am [[Großer Tiergarten|Berliner Tiergarten]] für die Errichtung des Zoos unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dazu verfasste Lichtenstein bereits 1840 ein [[Memorandum]] an den König. Der Text dieser Denkschrift ist seit 1877 verloren. Sicher ist jedoch, dass [[Alexander von Humboldt]] sie König Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. vorlegte, der mit einer daraufhin erlassenen „Allerhöchsten Kabinettsordre vom 31. Januar 1841“ die Gründung des Zoologischen Gartens ermöglichte.
Zeile 19: Zeile 20:
Lichtenstein war musikalisch sehr begabt. „In seiner frühesten Jugend erhielt er Musikunterricht von [[Carl Philipp Emanuel Bach]], der den Knaben auf den Schooß nahm, weil dieser zu klein war, bequem die Tasten zu erreichen.“<ref>Carl von Ledebur: ''Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.'' Ludwig Rauh, Berlin 1861, S. 342.</ref> Er sang Bass, als Mitglied der [[Sing-Akademie zu Berlin]] wirkte er als Stimmvorsteher und damit Mitglied des Vorstandes unter den Direktoren [[Carl Friedrich Zelter]] und [[Carl Friedrich Rungenhagen]]. Am 28. April 1812 wurde er in die auf 24 Männer begrenzte Zeltersche Liedertafel aufgenommen, die aus den Reihen der Sing-Akademie gebildet wurde.<ref>Carl von Ledebur: ''Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.'' Ludwig Rauh, Berlin 1861, S. 342. Ein anderes Eintrittsdatum nennt [[Georg Schünemann]]: ''Carl Maria von Weber in Berlin. Sein erster Besuch im Jahre 1812.'' In: Alfred Morgenroth (Hrsg.): ''Von deutscher Tonkunst: Festschrift zu Peter Raabes 70. Geburtstag.'' Peters, Leipzig 1942, S. 71–87: „Lichtenstein war am 26. Mai bei der Tafel aufgenommen worden“.</ref> Dort übte Lichtenstein von 1813 bis 1818 das Amt des Tafelmeisters aus. Zum 50. Jahrestag der Gründung der Sing-Akademie zu Berlin verfasste er 1841 eine umfassende Festschrift.
Lichtenstein war musikalisch sehr begabt. „In seiner frühesten Jugend erhielt er Musikunterricht von [[Carl Philipp Emanuel Bach]], der den Knaben auf den Schooß nahm, weil dieser zu klein war, bequem die Tasten zu erreichen.“<ref>Carl von Ledebur: ''Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.'' Ludwig Rauh, Berlin 1861, S. 342.</ref> Er sang Bass, als Mitglied der [[Sing-Akademie zu Berlin]] wirkte er als Stimmvorsteher und damit Mitglied des Vorstandes unter den Direktoren [[Carl Friedrich Zelter]] und [[Carl Friedrich Rungenhagen]]. Am 28. April 1812 wurde er in die auf 24 Männer begrenzte Zeltersche Liedertafel aufgenommen, die aus den Reihen der Sing-Akademie gebildet wurde.<ref>Carl von Ledebur: ''Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.'' Ludwig Rauh, Berlin 1861, S. 342. Ein anderes Eintrittsdatum nennt [[Georg Schünemann]]: ''Carl Maria von Weber in Berlin. Sein erster Besuch im Jahre 1812.'' In: Alfred Morgenroth (Hrsg.): ''Von deutscher Tonkunst: Festschrift zu Peter Raabes 70. Geburtstag.'' Peters, Leipzig 1942, S. 71–87: „Lichtenstein war am 26. Mai bei der Tafel aufgenommen worden“.</ref> Dort übte Lichtenstein von 1813 bis 1818 das Amt des Tafelmeisters aus. Zum 50. Jahrestag der Gründung der Sing-Akademie zu Berlin verfasste er 1841 eine umfassende Festschrift.


Er war enger Freund von [[Carl Maria von Weber]]. Für die Uraufführung des ''[Freischütz]]'' 1821 vermittelte er einen ausgestopften und präparierten Adler für die Wolfsschluchtszene. Nach dessen Tod vermittelte er 1826 zusammen mit dem Bankier [[Wilhelm Beer (Astronom)|Wilhelm Beer]] für die Witwe [[Caroline von Weber]] den Verkauf der Partitur des ''[[Oberon (Oper)|Oberon]]'' an den Berliner Musikverleger [[Adolf Martin Schlesinger]]. Als Vormund zusammen mit [[Theodor Hell|Carl Theodor Winkler]] beteiligte er sich an der Erziehung von Webers verwaisten Söhnen [[Max Maria von Weber|Max Maria]] und [[Carl Maria von Weber#Familie|Alexander]].<ref>{{cite web |url=https://weber-gesamtausgabe.de/de/A000213/Korrespondenz/A042837.html |title=Brief von Caroline von Weber an Hinrich Lichtenstein vom 21. Juni 1826}}</ref><ref>{{cite web |url=https://weber-gesamtausgabe.de/A042563|title=Hofrath Karl Theodor Winkler zum Vormunde verordnet}}</ref>
Er war enger Freund von [[Carl Maria von Weber]]. Für die Uraufführung des ''[[Freischütz]]'' 1821 vermittelte er für die Wolfschluchtszene einen ausgestopften und präparierten Adler. Nach dessen Tod vermittelte er 1826 zusammen mit dem Bankier [[Wilhelm Beer (Astronom)|Wilhelm Beer]] für die Witwe [[Caroline von Weber]] den Verkauf der Partitur des ''[[Oberon (Oper)|Oberon]]'' an den Berliner Musikverleger [[Adolf Martin Schlesinger]]. Als Vormund zusammen mit [[Theodor Hell|Carl Theodor Winkler]] beteiligte er sich an der Erziehung von Webers verwaisten Söhnen [[Max Maria von Weber|Max Maria]] und [[Carl Maria von Weber#Familie|Alexander]].<ref>{{cite web |url=https://weber-gesamtausgabe.de/de/A000213/Korrespondenz/A042837.html |title=Brief von Caroline von Weber an Hinrich Lichtenstein vom 21. Juni 1826}}</ref><ref>{{cite web |url=https://weber-gesamtausgabe.de/A042563|title=Hofrath Karl Theodor Winkler zum Vormunde verordnet}}</ref>


Im Jahr 1838 wurde er vom [[Preußisches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten|Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten]] zum Vorsitzenden des neu gegründeten Musikalischen Sachverständigenvereins berufen. Dieses Gremium hatte eine gutachterliche Funktion und wurde auf Verlangen der Preußischen Gerichte tätig. Insbesondere sollten die Sachverständigen entscheiden, ob eine Komposition, die sich an ein bereits veröffentlichtes Werk anlehnt, als eine „eigentümliche“ Komposition erlaubt oder als Nachdruck verboten sein sollte.<ref>Friedemann Kawohl: ''Urheberrecht der Musik in Preußen 1820–1840.'' Hans Schneider, Tutzing 2002.</ref>
Im Jahr 1838 wurde er vom [[Preußisches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten|Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten]] zum Vorsitzenden des neu gegründeten Musikalischen Sachverständigenvereins berufen. Dieses Gremium hatte eine gutachterliche Funktion und wurde auf Verlangen der Preußischen Gerichte tätig. Insbesondere sollten die Sachverständigen entscheiden, ob eine Komposition, die sich an ein bereits veröffentlichtes Werk anlehnt, als eine „eigentümliche“ Komposition erlaubt oder als Nachdruck verboten sein sollte.<ref>Friedemann Kawohl: ''Urheberrecht der Musik in Preußen 1820–1840.'' Hans Schneider, Tutzing 2002.</ref>
Zeile 30: Zeile 31:


== Urteile über Lichtenstein==
== Urteile über Lichtenstein==
* ''Einer der gelehrtesten Reisenden, die je in ferne Welttheile gekommen sind'', der Theologe und Orientalist [[Paul Jakob Bruns]], 1806.
* ''Lichtenstein der Reisende'', Goethe 1808.
* ''Lichtenstein der Reisende'', Goethe 1808.
* ''Lichtenstein, mein Lehrer, Freund und Alles!'' Adelbert von Chamisso 1819.<ref> Brief an Louis de la Foye, in Chamisso 1842, Bd. 6, S. 132</ref>
* ''Lichtenstein, mein Lehrer, Freund und Alles!'' Adelbert von Chamisso 1819.<ref> Brief an Louis de la Foye, in Chamisso 1842, Bd. 6, S. 132</ref>

Version vom 24. Mai 2024, 12:22 Uhr

Hinrich Lichtenstein
Hinrich Lichtenstein, Lithographie von Rudolf Hoffmann, 1857

Martin Hinrich Carl Lichtenstein, selten auch Heinrich oder Karl (* 10. Januar 1780 in Hamburg; † 2. September 1857 auf See zwischen Korsör und Kiel, beerdigt in Kiel) war ein deutscher Mediziner, Zoologe und Forschungsreisender in Südafrika. Er war erster Professor für Zoologie an der Universität Berlin, Gründer des Berliner Zoologischen Gartens und gilt mit 44 Jahren Amtszeit als eigentlicher Gründer des Berliner Museums für Naturkunde. Er war außerdem Briefpartner und Freund Adelbert von Chamissos, Carl Maria von Webers und Alexander von Humboldts und bestimmte das wissenschaftliche und kulturelle Leben Berlins in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts maßgeblich mit.

Leben

Martin Hinrich Lichtenstein wurde als Sohn des Zoologen und Bibliothekars Anton August Heinrich Lichtenstein in Hamburg geboren. Die von ihm bevorzugt verwendete Namensform "Hinrich" sollte auf seine hanseatische Herkunft verweisen. Vorfahren waren im späten 17. Jahrhundert zum Protestantismus übergetretene Juden. Lichtenstein ging im Hamburger Johanneum zur Schule, wo der Vater Lehrer und Rektor war und Karl August Varnhagen von Ense sein Kommilitone, studierte ab 1799 in Jena und Helmstedt Medizin und promovierte am 26. April 1802 zum Dr. med.. Die folgende Monate verbrachte Lichtenstein in Braunschweig, um sich auf Südafrika vorzubereiten. Untersützt wurde er dabei vom Entomologen Johann Christian Ludwig Hellwig, dessen Schüler, dem Zoologen Johann Karl Wilhelm Illiger, und dem Botaniker Johann Centurius von Hoffmannsegg, alle am dortigen Collegium Carolinum tätig.

Von Ende 1802 bis 1806 erforschte Lichtenstein Südafrika, anfangs als Arzt und als Hauslehrer des Sohnes des Gouverneurs der Kapkolonie Jan Willem Janssen. Insgesamt unternahm er fünf größere Reisen weit über die Grenzen der damaligen niederländischen Kapkolonie hinaus. Mit der britischen Invasion Anfang 1806 endete sein Aufenthalt. Auf der Hin- bzw. Rückfahrt besuchte er auch Teneriffa bzw. St. Helena. Sein zweibändiges Werk Reisen durch das südliche Africa 1811/1812 beschrieb erstmals wissenschaftlich in deutscher Sprache Südafrika, seine Natur und Völkerschaften, und wurde ein Publikumserfolg. Für Alexander von Humboldt und Goethe wurde er damit Auskunftsgeber zu Südafrika.

Lichtenstein wurde auf Vorschlag von Johann Gottlieb Fichte 1811 der erste Professor auf dem neu errichteten Lehrstuhl für Zoologie an der Universität zu Berlin, zu deren Rektor er in den Jahren 1820/21, 1826/27 und 1840/41 ernannt wurde.

Abbildung aus Lichtensteins Reisen im südlichen Afrika 1803–1806: Afrikaner kämpfen mit Schlagstöcken

1813 wurde Lichtenstein nach dem vorzeitigen Tuberkulosetod des erst 37jährigen Karl Illiger zum eigentlichen Gründer des Zoologischen Museums in Berlin, den Vorgänger des heutigen Museum für Naturkunde. 44 Jahre lang leitete er das Museum, das sich damals noch im Prinz-Heinrich-Bau unter den Linden (heutige Humboldt-Universität) befand und wo Lichtenstein mit seiner Familie "unter seinen ausgestopften Löwen und Tigern"/ref>Karl Gutzkow: Das Kastanienwäldchen in Berlin, in: Berliner Erinnerungen und Erlebnisse, Berlin 1961, S. 136.</ref> auch lebte. Er war von 1813 bis 1857 Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften sowie 1818–1857 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.

Lichtenstein war Initiator und erster Direktor des Zoologischen Garten Berlins[1] und überredete 1841 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, nicht nur ein Darlehen, sondern auch einen Teil des Geländes seiner Fasanerie am Berliner Tiergarten für die Errichtung des Zoos unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dazu verfasste Lichtenstein bereits 1840 ein Memorandum an den König. Der Text dieser Denkschrift ist seit 1877 verloren. Sicher ist jedoch, dass Alexander von Humboldt sie König Friedrich Wilhelm IV. vorlegte, der mit einer daraufhin erlassenen „Allerhöchsten Kabinettsordre vom 31. Januar 1841“ die Gründung des Zoologischen Gartens ermöglichte.

Lichtenstein war seit 1811 Mitglied der renommierten Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin. 1816 trat er dem Montagsklub in Berlin bei und war dort seit 1851 bis zu seinem Tode der 10. Senior.[2]

Lichtenstein und die Musik

Lichtenstein war musikalisch sehr begabt. „In seiner frühesten Jugend erhielt er Musikunterricht von Carl Philipp Emanuel Bach, der den Knaben auf den Schooß nahm, weil dieser zu klein war, bequem die Tasten zu erreichen.“[3] Er sang Bass, als Mitglied der Sing-Akademie zu Berlin wirkte er als Stimmvorsteher und damit Mitglied des Vorstandes unter den Direktoren Carl Friedrich Zelter und Carl Friedrich Rungenhagen. Am 28. April 1812 wurde er in die auf 24 Männer begrenzte Zeltersche Liedertafel aufgenommen, die aus den Reihen der Sing-Akademie gebildet wurde.[4] Dort übte Lichtenstein von 1813 bis 1818 das Amt des Tafelmeisters aus. Zum 50. Jahrestag der Gründung der Sing-Akademie zu Berlin verfasste er 1841 eine umfassende Festschrift.

Er war enger Freund von Carl Maria von Weber. Für die Uraufführung des Freischütz 1821 vermittelte er für die Wolfschluchtszene einen ausgestopften und präparierten Adler. Nach dessen Tod vermittelte er 1826 zusammen mit dem Bankier Wilhelm Beer für die Witwe Caroline von Weber den Verkauf der Partitur des Oberon an den Berliner Musikverleger Adolf Martin Schlesinger. Als Vormund zusammen mit Carl Theodor Winkler beteiligte er sich an der Erziehung von Webers verwaisten Söhnen Max Maria und Alexander.[5][6]

Im Jahr 1838 wurde er vom Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten zum Vorsitzenden des neu gegründeten Musikalischen Sachverständigenvereins berufen. Dieses Gremium hatte eine gutachterliche Funktion und wurde auf Verlangen der Preußischen Gerichte tätig. Insbesondere sollten die Sachverständigen entscheiden, ob eine Komposition, die sich an ein bereits veröffentlichtes Werk anlehnt, als eine „eigentümliche“ Komposition erlaubt oder als Nachdruck verboten sein sollte.[7]

Privates

Lichtenstein heiratete am 1. Juni 1815 Victoire Hotho (1795–1866). Sie hatten vier gemeinsame Kinder, drei Söhne und eine Tochter, Marie Lichtenstein. Diese war klavierbegabt, ein Patenkind von Carl Maria von Weber und Klavierlehrerin von Ernst Rudorff. Lichtensteins Witwe Victoire starb am 7. Oktober 1866 in Königsberg an Cholera.

Ehrungen

Aufgrund seiner Verdienste wurde Lichtenstein zum Dr. phil. h.c. sowie 1829 zum „Geheimen Medizinalrat“ ernannt. Ihm zu Ehren wurden u. a. die Lichtenstein-Antilope (Alcelaphus lichtensteinii), das Wellenflughuhn (Pterocles lichtensteinii)[8] und 1867 die zum Zoologischen Garten führende Lichtensteinallee[9] (danach auch die Lichtensteinbrücke) in Berlin-Tiergarten benannt.

Urteile über Lichtenstein

  • Einer der gelehrtesten Reisenden, die je in ferne Welttheile gekommen sind, der Theologe und Orientalist Paul Jakob Bruns, 1806.
  • Lichtenstein der Reisende, Goethe 1808.
  • Lichtenstein, mein Lehrer, Freund und Alles! Adelbert von Chamisso 1819.[10]
  • An mir ist es zu danken, mein vielgeliebter Bruder, mit welcher Thätigkeit, Um- und Vorsicht du stets für mein Bestes handelst., Carl Maria von Weber 1824.[11]
  • Ein feiner und liebenswürdiger Forscher, eine ebenso fest eingewurzelte Berliner Persönlichkeit wie der alternde Humboldt selbst, Wilhelm Bölsche 1917.[12]
  • Lichtenstein - das war ein ganz arger Stümper und Ignorant! Aber er hat immerhin blind zusammengerafft, soviel er vermochte. Erwin Stresemann an Ernst Mayr, 16. November 1947, über Lichtenstein als Ornithologen.[13]
  • Eine Persönlichkeit von Format, die eine späte Würdigung verdient, ... aber keine helle Leuchte seines Faches. Erwin Stresemann 1960.[14]

Werke

Als Herausgeber

Briefwechsel

  • Briefe von Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein, hrsg. von Ernst Rudorff, Braunschweig 1900, 252 S.
  • J. F. Naumanns Briefwechsel mit H. Lichtenstein 1818-1856, hrsg. von Erwin Stresemann und Peter Thomsen. Kopenhagen 1954, 73 S. (Acta historica Bd. 11).
  • Alexander von Humboldt, Martin Hinrich Lichtenstein – Briefwechsel, hrsg. von Thomas Schmuck unter Mitarbeit von Ingo Schwarz. Berlin 2024, 286 S. (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung Bd. 44)

Literatur

Commons: Hinrich Lichtenstein – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Berlin-Kalender (September). In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 9, 1998, ISSN 0944-5560, S. 121 (luise-berlin.de).
  2. Gustav Adolf Sachse, Eduard Droop (Hrsg.): Der Montagsklub in Berlin 1749–1899: Fest- und Gedenkschrift zu seiner 150sten Jahresfeier. J. Sittenfeld, Berlin 1899, Nr. 120, S. 130 f.
  3. Carl von Ledebur: Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Ludwig Rauh, Berlin 1861, S. 342.
  4. Carl von Ledebur: Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Ludwig Rauh, Berlin 1861, S. 342. Ein anderes Eintrittsdatum nennt Georg Schünemann: Carl Maria von Weber in Berlin. Sein erster Besuch im Jahre 1812. In: Alfred Morgenroth (Hrsg.): Von deutscher Tonkunst: Festschrift zu Peter Raabes 70. Geburtstag. Peters, Leipzig 1942, S. 71–87: „Lichtenstein war am 26. Mai bei der Tafel aufgenommen worden“.
  5. Brief von Caroline von Weber an Hinrich Lichtenstein vom 21. Juni 1826.
  6. Hofrath Karl Theodor Winkler zum Vormunde verordnet.
  7. Friedemann Kawohl: Urheberrecht der Musik in Preußen 1820–1840. Hans Schneider, Tutzing 2002.
  8. J. A. Jobling: A Dictionary of Scientific Bird Names. Oxford University Press. 1991. ISBN 0-19-854634-3.
  9. Lichtensteinallee. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  10. Brief an Louis de la Foye, in Chamisso 1842, Bd. 6, S. 132
  11. Brief an Lichtenstein, 12.4.1824, zit. nach Weber/Lichtenstein-Briefwechsel 1900, S. 136.
  12. Wilhelm Bölsche: Neue Welten, Berlin 1917, S. 69.
  13. Nach Jürgen Haffer: "We Must Lead the Way on New Paths", Ludwigsburg 1997, S. 591.
  14. Erwin Stresemann: Hinrich lichtenstein, Berlin 1960, S. 73.