„Hysterese“ – Versionsunterschied

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==Physiologie==
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[[Bild:Hysterese_Lunge.png|thumb|left|Ruhedehnungskurve der Lunge]]In der [[Physiologie]] ist in der Ruhedehnungskurve der Lunge Hysterese zu finden. Damit bezeichnet man den Umstand, dass das Volumen der [[Lunge]] bei einer Abnahme des intrapulmonalen Drucks langsamer abnimmt als es bei einer Druckerhöhung zugenommen hat.
[[Bild:Hysterese_Lunge.png|thumb|Ruhedehnungskurve der Lunge]]In der [[Physiologie]] ist in der Ruhedehnungskurve der Lunge Hysterese zu finden. Damit bezeichnet man den Umstand, dass das Volumen der [[Lunge]] bei einer Abnahme des intrapulmonalen Drucks langsamer abnimmt als es bei einer Druckerhöhung zugenommen hat.


Der Grund dafür ist in der Reorganisation der Moleküle des [[Surfactant-Faktors|Surfactant]] während des Atemzyklus zu sehen.
Der Grund dafür ist in der Reorganisation der Moleküle des [[Surfactant-Faktors|Surfactant]] während des Atemzyklus zu sehen.

Version vom 11. Mai 2007, 18:41 Uhr

Hysterese (griech.: hysteros = hinterher) bezeichnet das Fortdauern einer Wirkung nach Wegfall ihrer Ursache. Diese Erscheinung tritt in einer Reihe wissenschaftlicher Bereiche auf.

Physik/Technik

Magnetische Hysterese

Hysteresiskurve

Hysteresiskurve eines Ferromagneten

Magnetische Hysterese tritt bei ferromagnetischen Stoffen wie Eisen, Kobalt und Nickel auf. Der Hysteresevorgang lässt sich gut am Verlauf der Hysteresiskurve oder Hysteresisschleife verdeutlichen. In dieser Kurve wird die magnetische Flussdichte () in einem ferromagnetischen Stoff über der Stärke eines den Stoff umgebenden Magnetfeldes () aufgetragen.

Zu Beginn einer Magnetisierung sind sowohl die Magnetisierung des Stoffes als auch die Feldstärke des Magnetfeldes Null. Wird jetzt erhöht, so steigt nichtlinear an, bis es ein Maximum (Sättigungsmagnetisierung) erreicht (siehe die blaue sog. Neukurve in nebenstehender Abbildung). Wird weiter erhöht, steigt nur noch sehr geringfügig an. Wird nun wieder auf Null gesenkt, geht nicht auf Null zurück, sondern nur bis zur sogenannten Remanenz .

Um den Stoff wieder vollständig zu entmagnetisieren, muss ein dem zur Magnetisierung verwendeten Feld entgegengesetztes Magnetfeld mit der Koerzitivfeldstärke aufgebaut werden. Ein erneutes Umkehren der Feldstärke von führt dann dazu, dass der untere Ast der Hysteresiskurve durchlaufen wird. Ein vollständiges Durchlaufen der Hysteresiskurve wird als Hysteresezyklus bezeichnet.

In vielen Anwendungen werden kleine Hysteresezyklen um Punkte in der --Fläche gefahren. (Siehe auch Kleinsignalverhalten.) Aufgrund der von der Magnetisierung abhängigen Permeabilität weisen Zyklen nahe dem Ursprung eine höhere Permeabilität auf.

Ein abklingendes magnetisches Wechselfeld führt durch die allmähliche Annäherung der Hysteresezyklen an den Nullpunkt zur Entmagnetisierung.

Wichtig ist die Hysterese-Eigenschaft beispielsweise in der Audiotechnik bei der Aufnahme auf Tonband (siehe Tonband, Vormagnetisierung).

Irreversible Magnetisierung

Barkhausen-Sprung – Verschiebung einer Bloch-Wand über eine Störstelle

Die Ursache für die irreversible Magnetisierung liegt in der Beschaffenheit ferromagnetischer Stoffe. In ferromagnetischen Stoffen existieren sogenannte Weiss-Bezirke. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Spins der Elektronen, die als Elementarmagnete aufgefasst werden können, innerhalb eines Bezirks parallel zueinander sind. Die Grenzen zwischen den Bezirken heißen Bloch-Wände. Wird nun ein äußeres Magnetfeld angelegt, so wachsen die Bezirke, deren Orientierung der Ausrichtung des Magnetfeldes entspricht, auf Kosten der anderen Bezirke, indem Elektronen in den anderen Bezirken „umklappen“, sich also parallel zum Magnetfeld ausrichten. Anschaulich entspricht das einer Verschiebung der Bloch-Wände.

Störstellen, die in jedem Ferromagnetikum existieren, (in Eisen z. B. Kohlenstoffeinschlüsse) verhindern jedoch, dass das Verschieben der Bloch-Wände gleichmäßig verläuft. Wenn eine Bloch-Wand beim Verschieben auf eine Störstelle trifft, so bleibt sie zuerst an ihr hängen, und es bildet sich hinter der Störstelle eine Art Blase, in der die Elektronen noch nicht umklappen. Erst ab einer bestimmten Feldstärke schließt sich diese Blase, was zu einer plötzlichen Änderung der Magnetisierung führt. Dieser Vorgang wird Barkhausen-Sprung genannt. Durch diese ungleichmäßigen Wandverschiebungen wird eine Entmagnetisierung entlang der Neukurve unmöglich. Sie sind der Grund für das Entstehen der Hysteresiskurve. Wenn alle Elektronenspins im Ferromagnetikum an dem Feld ausgerichtet sind, ist die Sättigung erreicht. Wird nun das äußere Feld entfernt, kehren nicht alle Elektronen zur ursprünglichen Ausrichtung zurück. Die Magnetisierung sinkt bis auf das Remanenzniveau ab. Erst durch die Zufuhr zusätzlicher Energie kann der Stoff wieder entmagnetisiert werden.

Das Integral unter der Hysteresiskurve entspricht der Energie, die im Stoff bei seiner vollständigen Ummagnetisierung in Wärme umgewandelt wird. Dieses Integral sollte im Fall von Speichermedien möglichst hoch sein. Im Fall von Kernen von Transformatoren sollte es möglichst klein sein, um nur geringe Energieverluste zu verursachen. Für andere Zusammenhänge gilt das in ähnlicher Weise. Typisch für die Hysterese ist das Auftreten von bistabilem Verhalten. Bei gleichen Umgebungsbedingungen ist der Zustand von der Vergangenheit abhängig. Entsprechend wird ein bestimmter Punkt im Zustandsdiagramm erreicht.

Unter Berücksichtigung der Form der Hysteresisschleife kann man einen Stoff gezielt aufmagnetisieren. Dies findet Anwendung bei der Herstellung von Dauermagneten oder beim Beschreiben von magnetischen Speichermedien (Magnetband, Festplatte). Im Falle hoher Koerzitivfeldstärken spricht man von magnetisch hartem Material, da zu ihrer Neuorientierung hohe Feldstärken benötigt werden. Bei Speichermedien entspricht dies einer hohen Datensicherheit, da die geschriebenen Informationen nicht zufällig durch Streufelder umorientiert werden. Bei geringen Koerzitivfeldstärken spricht man von magnetisch weichem Material. Die Bezeichnungen rühren daher, dass reines (also weiches) Eisen im Vergleich zu magnetischen Stählen eher weichmagnetisch ist.

Weitere Bedeutungen der Hysterese in Physik und Technik

  • Ein Servomotor arbeitet als Aktor in mechanischen Regelkreisen, z. B. bei dem Ruder eines Flugzeugs. Er erzeugt bzw. hält dann einen bestimmten Stellwinkel, und steuert dazu auch gegen äußere Kräfte (wie Turbulenzen) per Soll-Ist-Vergleich. Um nun permanentes, alternierendes Gegensteuern kleinster Abweichungen durch Rückkopplung (Flattern) zu vermeiden, ist eine Hysterese im Regelkreis notwendig. Dazu wird, abhängig von der Genauigkeit der Ist-Sensoren und der mechanischen Präzision, eine verzögerte Reaktion auf eine Sollabweichung konstruiert bzw. programmiert.
  • In der Herzschrittmachertherapie beschreibt der Begriff Hysterese ein besonderes Ansprechverhalten des Schrittmachers. Üblicherweise wird eine bestimmte Interventionsfrequenz („Bedarfsfrequenz“) programmiert, z. B. 60 Schläge pro Minute. Der Schrittmacher „springt“ normalerweise ein, sobald die Pulsfrequenz des Patienten unter die Bedarfsfrequenz abfällt und stimuliert den Sinusknoten (der eigentliche natürliche Schrittmacher des Herzens) mit 60 Impulsen pro Minute. Programmiert man dagegen die Hysteresefunktion, so springt der Schrittmacher erst bei der „Hysteresefrequenz“ (z. B. 50 min-1) ein, stimuliert dann aber mit der Interventionsfrequenz (z. B. 60 min-1).
  • Rheologie: Beim Fließverhalten von nicht-newtonschen thixotropen Fluiden wird ebenfalls von Hysterese gesprochen. Dabei ist die Änderung der Viskosität, d. h. die Verringerung der Zähigkeit eines solchen Fluides unter Einfluss eines konstanten Schergradienten, abhängig von der Dauer der Einwirkung. Mit Zunahme der Dauer der Einwirkung durch die Scherung ist der Hystereseeffekt zunehmend irreversibel.

Die Physik kennt drei Formen der Dämpfung, d. h. drei verschiedene Vorgänge, die im Werkstoff ablaufen können und zur Ausbildung einer Verlustschleife führen. Kriechen führt zu Relaxationsvorgängen, die eine dieser drei Formen bilden (Relaxationsdämpfung). Charakteristisch für solche Prozesse ist die Unabhängigkeit der Dämpfung von der Amplitude und die Abhängigkeit von der Frequenz des Eingangssignals. Für beide Enden des Frequenzintervalls hat die Dämpfung den Wert Null. Gleiches gilt für die Resonanzdämpfung. Sie unterscheidet sich von der Relaxationsdämpfung dadurch, dass für die Resonanzfrequenz der dynamische Modul kleiner wird als für alle anderen Frequenzen. Im Gegensatz dazu sind Dämpfung und Modul bei der Hysterese frequenzunabhängig, aber i.a. amplitudenabhängig.


  • Schifffahrt: Hier bezeichnet Hysterese die Erscheinung, daß eine Gierbewegung bei einer Änderung des Ruder-Ausschlages bzw. Ruder-Winkels zunächst unverändert anhält, bevor sie dem Ruderausschlag folgt.

Wirtschaftswissenschaften

In den Wirtschaftswissenschaften spricht man von Hysterese in Bezug auf beobachtbare Trägheiten auf dem Arbeitsmarkt. Erstens bezeichnet man es als Hysterese, wenn die (z. B. infolge einer Rezession) gestiegene Arbeitslosigkeit auf dem neuen, höheren Niveau verharrt. Hauptsächlicher Grund für diese Form der Arbeitsmarkt-Hysterese ist die so genannte Dequalifikation von Arbeitslosen; d. h. Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, profitieren nicht von einer möglichen beruflichen Weiterbildung und verlieren so im Kampf um Arbeitsplätze an Chancen. Als weiterer Grund für eine solche Form der Hysterese wird auch die Nichtberücksichtigung der Arbeitslosenquote bei Lohnverhandlungen angeführt, was nach Ansicht mancher Ökonomen zu überhöhten Lohnabschlüssen führe, was wiederum einen Rückgang der Arbeitslosigkeit verhindere. Zusammen mit der Dequalifikation der Arbeitslosen bilde sich so eine dauerhafte Sockelarbeitslosigkeit.

Arbeitsmarkt-Hysterese ist jedoch auch im umgekehrten Fall einer zurückgegangenen Arbeitslosigkeit zu beobachten: Ist die Arbeitslosigkeit (z. B. durch einen wirtschaftlichen Boom) zurückgegangen, so verbleibt sie auf dem neuen, niedrigeren Niveau, da die neu eingestellten Arbeitskräfte im Rahmen ihrer Tätigkeit schnell hinzulernen, für ihren Arbeitgeber somit auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten unverzichtbar werden und schließlich auch unter einem Kündigungsschutz stehen.

Wirtschaftspolitisch bedeutet das Phänomen der Arbeitsmarkt-Hysterese, dass eine Qualifikation Arbeitsloser ein wichtiges Element zur Senkung der Arbeitslosigkeit bilden kann.

Mathematik

In dynamischen Systemen bezeichnet die Hysterese ein Phänomen der Rückwärts-Bifurkation.

Physiologie

Ruhedehnungskurve der Lunge

In der Physiologie ist in der Ruhedehnungskurve der Lunge Hysterese zu finden. Damit bezeichnet man den Umstand, dass das Volumen der Lunge bei einer Abnahme des intrapulmonalen Drucks langsamer abnimmt als es bei einer Druckerhöhung zugenommen hat.

Der Grund dafür ist in der Reorganisation der Moleküle des Surfactant während des Atemzyklus zu sehen.

Siehe auch