„Tungusische Völker“ – Versionsunterschied

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Der Begriff '''Tungusische Völker''' ist eine zusammenfassende Bezeichnung für Völker, Ethnien und Bevölkerungsgruppen, bei deren Vorfahren [[Tungusische Sprachen]] in Gebrauch waren oder sind. Während einige Ethnien bis heute noch diese Sprachen sprechen, verwenden deutlich mehr als 90 % der Bevölkerung tungusischer Herkunft [[Chinesische Sprachen|Chinesisch]] und andere Sprachen (Mongolisch, Russisch). Die Gesamtzahl der Menschen, die sich selbst als Angehörige tungusischer Völker identifizieren, liegt bei knapp 11 Millionen. Bis auf über 40.000 in [[Russland]] ([[Sibirien]]) und weniger als 2000 in der [[Mongolei]] leben die meisten von ihnen in der [[Volksrepublik China]].
Der Begriff '''Tungusische Völker''' ist eine zusammenfassende Bezeichnung für Völker, Ethnien und Bevölkerungsgruppen, bei deren Vorfahren [[tungusische Sprachen]] in Gebrauch waren oder sind. Während einige Ethnien bis heute noch diese Sprachen sprechen, verwenden deutlich mehr als 90 % der Bevölkerung tungusischer Herkunft [[Chinesische Sprachen|Chinesisch]] und andere Sprachen (Mongolisch, Russisch). Die Gesamtzahl der Menschen, die sich selbst als Angehörige tungusischer Völker identifizieren, liegt bei etwa elf Millionen, von denen jedoch mehr als zehn Millionen [[Mandschu]] sind, die fast alle Chinesisch und nicht [[Mandschurische Sprache|Mandschurisch]] sprechen. Bis auf über 40.000 in [[Russland]] ([[Sibirien]]) und weniger als 2000 in der [[Mongolei]] leben die meisten von ihnen in der [[Volksrepublik China]].


== Moderne Völker und Ethnien ==
== Moderne Völker und Ethnien ==
Die Zugehörigkeit zu einem Volk folgt in Russland, der Mongolei und China heute oft politisch-administrativen Definitionen, die aus dem 20. Jahrhundert stammen. Die Identität, sprachliche Verwandtschaft und das Siedlungsgebiet der einzelnen Gruppen (etwa auf russischer oder chinesischer Seite) spielte für die Abgrenzung dabei eine wichtige Rolle.


Folgende tungusische „[[Indigene kleine Völker des russischen Nordens|kleine Völker (Völkerschaften) des Nordens]]“ sind in ''Russland'' registriert:
Die Zugehörigkeit zu einem Volk folgt in Russland, der Mongolei und China heute oft politisch-administrativen Definitionen, die aus dem 20. Jahrhundert stammen. Die Identität, sprachliche Verwandtschaft und das Siedlungsgebiet der einzelnen Gruppen (etwa auf russischer oder chinesischer Seite) spielte für die Abgrenzung dabei eine wichtige Rolle.

Folgende tungusische „kleine Völker (Völkerschaften) des Nordens“ sind in ''Russland'' registriert:
* [[Ewenken]] (in älterer deutschsprachiger Literatur manchmal: ''Tungusen'')
* [[Ewenken]] (in älterer deutschsprachiger Literatur manchmal: ''Tungusen'')
* [[Ewenen]] (in älterer deutschsprachiger Literatur manchmal: ''Lamuten'')
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In ''China'' gibt es folgende Nationalitäten:
In ''China'' gibt es folgende Nationalitäten:
* [[Ewenken]]
* [[Ewenken]]
* [[Mandschu]] (auch: ''Manju'')
* [[Mandschu]] (auch: ''Manju'')
* [[Hezhen]] (entspricht den Nanaiern in Russland)
* [[Hezhen]] (entspricht den Nanaiern in Russland)
* [[Oroqen]]
* [[Oroqen]]
* [[Xibe]] (auch: ''Sibe'', ''Sibo'')
* [[Xibe]] (auch: ''Sibe'', ''Sibo'')


Auch in der Mongolei lebt eine ewenkische Bevölkerungsgruppe. Daneben lässt sich die Herkunft einiger ethnischer Gruppen der heutigen [[Mongolen]] (Saatan) auf tungusischsprachige Rentier-Nomaden zurückführen.
Auch in der Mongolei lebt eine ewenkische Bevölkerungsgruppe. Daneben lässt sich die Herkunft einiger ethnischer Gruppen der heutigen [[Mongolen]] (Tsaatan) auf tungusischsprachige Rentier-Nomaden zurückführen.


== Historisch bedeutsame Völker und politische Konföderationen ==
== Historisch bedeutsame Völker und politische Konföderationen ==
Die in der eurasischen und chinesischen Geschichte bedeutenden Völker waren in der Regel polyethnisch und vielsprachig.

Die in der eurasischen und chinesischen Geschichte bedeutenden Völker waren in der Regel polyethnisch und vielsprachig.


Eine tungusisch geprägte Konföderation waren die [[Jurchen]] (Dschurdschen). Sie herrschten von 1114 bis 1234 mit der [[Jin-Dynastie (1125-1234)|Jin-Dynastie]] über weite Teile Nordchinas. Ihre Sprache war Schrift- und Amtssprache.
Eine tungusisch geprägte Konföderation waren die [[Jurchen]] (Dschurdschen). Sie herrschten von 1114 bis 1234 mit der [[Jin-Dynastie (1125-1234)|Jin-Dynastie]] über weite Teile Nordchinas. Ihre Sprache war Schrift- und Amtssprache.


Tungusische Reitervölker, teilweise auch Tataren genannt und nicht mit den [[Tataren]] Russlands und dem gleichnamigen [[Mongolen|mongolischen]] Stamm identisch, blieben das ganze Mittelalter hindurch ein politischer Faktor in der [[Mandschurei]].
Tungusische Reitervölker, teilweise auch ''Tataren'' genannt und nicht mit den [[Tataren]] Russlands und dem gleichnamigen [[Mongolen|mongolischen]] Stamm identisch, blieben das ganze Mittelalter hindurch ein politischer Faktor in der [[Mandschurei]].

In der frühen Neuzeit stiegen die [[Mandschu]] (''Manju'') auf, die mit der [[Qing-Dynastie]] von 1644 bis 1911 über ganz China herrschten.


== Verwandtschaftliche Beziehungen ==
Die Tungusischen Völker sind nicht mit Mongolen oder Turkvölker verwandt, zeigen aber eine genetische Verwandtschaft mit Südost- und Ostasiaten.<ref>{{Literatur|Autor=Meghan Rosen|Titel=DNA points to millennia of stability in East Asian hunter-fisher population|Sammelwerk=Science News|Datum=2017-02-22|Online=https://www.sciencenews.org/article/dna-points-millennia-stability-east-asian-hunter-fisher-population|Abruf=2017-03-18}}</ref>
Nach einer verbreiteten, jedoch weitgehend veralteten sprachwissenschaftlichen Hypothese ([[Altaische Sprachen]]) sind die Tungusischen Völker sprachlich sowohl mit den [[Turkvölker]]n [[Zentralasien]]s als auch mit Ostasiaten und [[Mongolen|mongolischen]] sowie [[sibirische Völker|sibirischen Völkern]] verwandt. Dazu kommen eine genetische Verwandtschaft sowie kulturelle Übereinstimmungen.<ref>{{Literatur |Autor=Meghan Rosen |Titel=DNA points to millennia of stability in East Asian hunter-fisher population |Sammelwerk=Science News |Datum=2017-02-22 |Online=https://www.sciencenews.org/article/dna-points-millennia-stability-east-asian-hunter-fisher-population |Abruf=2017-03-18}}</ref>


Es wird angenommen, dass [[Awaren]] des Awarischen Khaganates in Mittel-, Ost- und Südost-Europa Tungusischer Herkunft waren und durch die germanische und slawische Mehrheitsbevölkerung langsam assimiliert wurden.<ref>E. Helimski: ''Die Sprache(n) der Awaren: Die mandschu-tungusische Alternative.'' In: ''Proceedings of the First International Conference on Manchu-Tungus Studies.'' Vol. II, 2004, S. 59–72.</ref>
In der frühen Neuzeit erfolgte der Aufstieg der [[Mandschu]] (Manju), die mit der [[Qing-Dynastie]] von 1644 bis 1911 über ganz China herrschten.


== Weblinks ==
Es wird angenommen das die [[Awaren]] des Awarischen Khaganates in Mittel-, Ost- und Südost-Europa von Tungusischer Herkunft waren und durch die germanische und slavische Mehrheitsbevölkerung langsam assimiliert wurden.<ref>Helimski, E (2004). "Die Sprache(n) der Awaren: Die mandschu-tungusische Alternative". ''Proceedings of the First International Conference on Manchu-Tungus Studies, Vol. II'': 59–72</ref>
* {{DNB-Portal|4061208-9}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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[[Kategorie:Ethnie in Asien]]
[[Kategorie:Ethnische Gruppe in Asien als Thema]]
[[Kategorie:Mandschu-Tungusische Ethnie]]
[[Kategorie:Mandschu-Tungusische Ethnie| ]]

Aktuelle Version vom 24. Juni 2024, 00:15 Uhr

Der Begriff Tungusische Völker ist eine zusammenfassende Bezeichnung für Völker, Ethnien und Bevölkerungsgruppen, bei deren Vorfahren tungusische Sprachen in Gebrauch waren oder sind. Während einige Ethnien bis heute noch diese Sprachen sprechen, verwenden deutlich mehr als 90 % der Bevölkerung tungusischer Herkunft Chinesisch und andere Sprachen (Mongolisch, Russisch). Die Gesamtzahl der Menschen, die sich selbst als Angehörige tungusischer Völker identifizieren, liegt bei etwa elf Millionen, von denen jedoch mehr als zehn Millionen Mandschu sind, die fast alle Chinesisch und nicht Mandschurisch sprechen. Bis auf über 40.000 in Russland (Sibirien) und weniger als 2000 in der Mongolei leben die meisten von ihnen in der Volksrepublik China.

Moderne Völker und Ethnien

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Die Zugehörigkeit zu einem Volk folgt in Russland, der Mongolei und China heute oft politisch-administrativen Definitionen, die aus dem 20. Jahrhundert stammen. Die Identität, sprachliche Verwandtschaft und das Siedlungsgebiet der einzelnen Gruppen (etwa auf russischer oder chinesischer Seite) spielte für die Abgrenzung dabei eine wichtige Rolle.

Folgende tungusische „kleine Völker (Völkerschaften) des Nordens“ sind in Russland registriert:

  • Ewenken (in älterer deutschsprachiger Literatur manchmal: Tungusen)
  • Ewenen (in älterer deutschsprachiger Literatur manchmal: Lamuten)
  • Nanaier (in älterer deutschsprachiger Literatur manchmal: Golden/Goldi, Fischhaut-Tataren)
  • Negidalen
  • Oroken
  • Orotschen
  • Udehe (auch: Udeghe)
  • Ultschen (auch: Ultschi)

In China gibt es folgende Nationalitäten:

Auch in der Mongolei lebt eine ewenkische Bevölkerungsgruppe. Daneben lässt sich die Herkunft einiger ethnischer Gruppen der heutigen Mongolen (Tsaatan) auf tungusischsprachige Rentier-Nomaden zurückführen.

Historisch bedeutsame Völker und politische Konföderationen

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Die in der eurasischen und chinesischen Geschichte bedeutenden Völker waren in der Regel polyethnisch und vielsprachig.

Eine tungusisch geprägte Konföderation waren die Jurchen (Dschurdschen). Sie herrschten von 1114 bis 1234 mit der Jin-Dynastie über weite Teile Nordchinas. Ihre Sprache war Schrift- und Amtssprache.

Tungusische Reitervölker, teilweise auch Tataren genannt und nicht mit den Tataren Russlands und dem gleichnamigen mongolischen Stamm identisch, blieben das ganze Mittelalter hindurch ein politischer Faktor in der Mandschurei.

In der frühen Neuzeit stiegen die Mandschu (Manju) auf, die mit der Qing-Dynastie von 1644 bis 1911 über ganz China herrschten.

Verwandtschaftliche Beziehungen

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Nach einer verbreiteten, jedoch weitgehend veralteten sprachwissenschaftlichen Hypothese (Altaische Sprachen) sind die Tungusischen Völker sprachlich sowohl mit den Turkvölkern Zentralasiens als auch mit Ostasiaten und mongolischen sowie sibirischen Völkern verwandt. Dazu kommen eine genetische Verwandtschaft sowie kulturelle Übereinstimmungen.[1]

Es wird angenommen, dass Awaren des Awarischen Khaganates in Mittel-, Ost- und Südost-Europa Tungusischer Herkunft waren und durch die germanische und slawische Mehrheitsbevölkerung langsam assimiliert wurden.[2]

Einzelnachweise

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  1. Meghan Rosen: DNA points to millennia of stability in East Asian hunter-fisher population. In: Science News. 22. Februar 2017 (sciencenews.org [abgerufen am 18. März 2017]).
  2. E. Helimski: Die Sprache(n) der Awaren: Die mandschu-tungusische Alternative. In: Proceedings of the First International Conference on Manchu-Tungus Studies. Vol. II, 2004, S. 59–72.